Emma Watson hat vor den Vereinten Nationen über Emanzipation gesprochen. Gut gesprochen. Der Kern ihrer Rede war, dass Emanzipation nicht nur Frauen etwas angehe, sondern den Männern auch zugute käme. Emanzipation. Alle reden darüber, alle sind pc-mäßig dafür, aber gibt es nicht alltägliche Kleinigkeiten, bei denen Frauen ein Rollenbild erfüllen, das nicht nur überholt ist, sondern auch nicht weiblich im eigentlichen, neu gedeuteten Sinne? Und das Männer genauso angeht?
Ich denke da an zwei Sachen. Die Stimme. Was ist denn mit den Stimmen los? Unzählige Frauen quaken und kieksen, als wären sie acht Jahre alt. Machen sich durch ihre Stimme niedlich. Das ist unnötig, das nervt, das wirkt nicht niedlich, sondern unsouverän und dumm. Aber dazu ein andermal.
An was denke ich noch? Dieses Jahr bin ich 33 Jahre alt geworden. Kurz darauf las ich in drei verschiedenen Interviews mit Schauspielerinnen meines Alters, ob Altern denn jetzt ein Thema sei. Ich hielt inne. Hm. Altern. Bei der Frage kann man nur verlieren. Denn sie zielt klar auf das, wovor wir Frauen alle Angst haben sollen: Das Ticken der biologischen Uhr, die Falten, das Ende des Begehrtwerdens.
Altern ist für mich ein Thema, seitdem ich ungefähr vier Jahre alt bin. Ich war vier, wurde aber bald fünf, meine Mutter hatte auch schon wieder Geburtstag, wir wurden alle ständig, in jeder Sekunde, älter und würden irgendwann sterben. Das erschien mir aber als der beruhigende Lauf der Dinge.
Für mich selber ist also das Altern nur im Gesamtkontext des Werdens und Vergehens von Bedeutung. Es sollte mich aber, so wird mir immer wieder suggeriert, beunruhigen. Gerade als Frau, erst recht als Schauspielerin.
Ich warte auf den Tag, an dem mich eine Maskenbildnerin fragt, ob ich es schon mal mit Botox probiert hätte. Botox will den deutschen Markt erobern und den Frauen hierzulande muss nur klar gemacht werden, dass sie durch Botox nicht eine andere werden sollen, sondern sie selber bleiben, nur fünf Jahre jünger, das sagt Paul Navarre, Chef des Botox-Herstellers Allergan.
Ich habe dagegen eine instinktive Abneigung. Ich finde diese glatten Gesichter zum einen seltsam. Ich will einen Menschen erkennen und nicht verkennen. Zum anderen finde ich grotesk, dass Muskeln in meinem Gesicht gelähmt werden sollen. Was macht das denn mit meiner Psyche, wenn ein Impuls nicht ausgeführt werden kann, ist das nicht frustrierend? Gerade als Frau, erst recht als Schauspielerin.
Was wollen wir also im Gesicht einer Frau nicht sehen? Lebenserfahrung, Zorn und Kummer sind anscheinend unweiblich.
Es geht nicht darum, erkannt und geliebt zu werden. Es geht darum, weiterhin begehrt zu sein. Von Männern, die sich über ihre eigene Sterblichkeit keine Gedanken machen wollen.
Vielleicht sollten wir uns alle, Männer wie Frauen, fragen, was dieser Wettlauf soll. Warum will man begehrt werden? Muss man dieses Spiel mitspielen, in dem man selbst und die eigenen Leistungen zur Ware werden? Sollten wir uns nicht Frauen, und als deren idealisierte Vertreterinnen, Schauspielerinnen wünschen, die ihr Gesicht nicht zur Werbefläche machen, ihren Körper nicht mit Diäten und zu viel Sport quälen? Die autonom, mit starken Schultern und vollen Stimmen Präsenz zeigen? Was würde das mit uns machen, wenn diese Art von Frauen Projektionsfläche wären?
Denn was, andersherum gefragt, erwarten wir von diesen schmalen, zarten Frauen, die wir alterslos auf der Leinwand bewundern, und damit implizit von uns selber? Dass sie rennen, dieser Lauf aber keine Spuren hinterlässt. Dass sie essen, aber nicht dick werden. Dass sie atmen, ihre Stimme aber trotzdem nicht weit trägt. Ist das Gleichberechtigung? Ich habe da so meine Zweifel.