2013 haben die Tschechen einen Präsidenten gewählt. Sie hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie haben sich für den Spott entschieden.

„Lasst uns Tschechen sein, aber es muss ja keiner wissen“, heißt es im berühmten satirischen Antikriegsroman „Der brave Soldat Schwejk“ von Jaroslav Hašek. Und wie keine andere literarische Figur verkörpert dieser Schwejk den Charakter einer ganzen Nation. Ein Bier trinkender Narr, so tritt er auf, doch ein genialer Narr, der mit spielerischer Gelassenheit jede Autorität und Konvention untergräbt. Und vielleicht sind die Tschechen auch erst nach Schwejk zu einem Volk der Schwejks geworden, doch das spielt letztlich keine Rolle.
2013 haben die Tschechen einen Präsidenten gewählt, dessen Gebaren zwischen findiger Eigensinnigkeit und natürlicher Einfalt changiert. Miloš Zeman ist dem Alkohol zugeneigt. Er lobt die Trinkfestigkeit eines Winston Churchill und stellt spitzbübisch fest, dass Adolf Hitler Abstinenzler war – und den Krieg verloren hat.
Kurz nach seinem Amtsantritt quält sich Zeman, einer Mr. Bean-Imitation gleich, haltlos betrunken durch die offizielle Eröffnung des Kronjuwelenzimmers auf der Prager Burg. Vorsichtig tastet er sich in den prunkvollen Raum hinein und lehnt sich erst einmal wankend an die Wand. Nur mit Mühe kann er aufrecht stehen. Das Gehen fällt ihm schwer. Schließlich muss ihn einer der anwesenden Kardinäle stützen. Zemans Augen rollen.
Eine Viruserkrankung sei der Grund für diesen erbärmlichen Auftritt gewesen, verkündet Zemans Pressesprecher einen Tag später. Und die Tschechen reagieren auf ihre Weise. Sie posten Fotos, die sie betrunken in einer Kneipe zeigen. Dazu schreiben sie: „Hole mir gerade einen Virus“.
Letzten November äußert sich Zeman, dessen russlandfreundliche Haltung allseits bekannt ist, bei einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu den Mitgliedern der Punkrock-Band Pussy Riot. Diese seien keine politischen Gefangenen, sondern Prostituierte. Wofür sonst stünde das Wort „Pussy“ in ihrem Namen. Der Präsident bedient sich in seinen weiteren Ausführungen vornehmlich der Gossensprache (“Die meisten Journalisten kommen aus dem Arsch und gehören in die Latrine.”)
Nadezda Tolokonnikovova und Marija Aljochinova, die beiden Pussy-Riot-Gründerinnen, bezeichnen Zeman daraufhin als einen patriarchalischen Volltrottel. Und die Tschechen reagieren auf ihre Weise. Sie stellen ein Video ins Netz, das den Titel “Fotze hin, Fotze her” trägt, und den schwadronierenden Präsidenten zeigt, unterlegt mit einem Mix des Modern-Talking-Hits You’re my heart, you’re my soul. Das Video wird eineinhalb Millionen Mal angeklickt.
In der tschechischen Wochenzeitschrift Reflex schreibt ein Kommentator: „Falls ein Präsident tatsächlich sein Land symbolisiert, so müssen wir leider feststellen, dass Zemans pöbelhaftes Benehmen auch den Zustand einer Gesellschaft symbolisiert. Zeman ist das Symbol für einen drastischen Verfall der Sitten, der demokratischen Strukturen und der Freiheiten eines jeden Einzelnen.“
Vor lauter Scham über einen Präsidenten, der sie mit seinen Auftritten vor der Weltöffentlichkeit blamiert, fordern die Tschechen Zemans Rücktritt und gehen am Tag des 25jährigen Gedenkens an die Samtrevolution auf die Straße. Sie schmeißen mit Tomaten und allerlei Lebensmitteln. Dabei wird Bundespräsident Gauck, der an den Feierlichkeiten teilnimmt, mit einem Ei am Kopf getroffen. Gauck ist für einen Moment fassungslos. Da nimmt Zeman jede Schuld auf sich: “Entschuldigen Sie, Herr Präsident, das Ei war für mich gedacht, nicht für Sie”.
Äußert sich Zeman der tschechischen Tageszeitung Dnes gegenüber zu den Anschlägen in Paris, dann findet er zugleich ein erstaunlich simples Rezept gegen Gewalt: „Jeder sollte in dem Land leben, aus dem er stammt.“ Und fordert zugleich die Ausweisung aller Muslime aus Europa: „Im Falle von Tschechen stellen kulturelle Unterschiede kein Problem dar. Ein Tscheche kann sich in Frankreich wunderbar assimilieren, das beste Beispiel ist Milan Kundera, aber Menschen aus solchen Ländern (gemeint sind u.a. Algerien, Mali, Libyen) besitzen keine derartige Anpassungsfähigkeit. Dies ist keine Kritik, sondern lediglich eine Feststellung.“
Der linksgerichtete Zeman täte gut daran, sich mit seinem Kollegen Tomio Okamura zu verbünden, dem tschechisch-japanischen Parlamentarier und Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partei “Morgenröte der direkten Demokratie”. In Tokio arbeitete Okamura als Müllmann und Popkornverkäufer, in Tschechien lebt er nun seinen amerikanischen Traum aus, war an der Pleite von mindestens sieben Firmen beteiligt und ist ein großer Lebemann, der sich gerne mit schönen Frauen und teuren Autos umgibt.
Zuletzt leugnete er die Existenz eines Konzentrationslagers im südböhmischen Lety, nun verbreitet er auf seiner Facebookseite ganz konkrete Handlungsanweisungen für den Kampf gegen den Islam. Man solle Hunde und Schweine in der Umgebung von Moscheen Gassi führen, schlägt er etwa vor und ruft zum Boykott von Geschäften auf, die von Muslimen betrieben werden, denn: “Jeder gekaufte Kebab ist ein weiterer Schritt hin zu Burkas”.
Doch wieder reagieren die Tschechen auf ihre Weise. Sie posten Selfies mit einem Döner in der Hand. Sie rufen zu Massenbesuchen von türkischen Restaurants auf. Vor einem Prager Imbiss bilden sich lange Schlangen von solidarisierenden Döneressern. Gleichzeitig starten sie die Initiative “Döner gegen Dummheit” und laden zum nationalen „Dönertag“ am 9.1. ein: “Wir werden alle Dönerläden okkupieren! Okamura wird uns nicht aufhalten können!”
Ja, laßt uns Tschechen sein, aber es muss ja keiner wissen.
Die Tschechen hatten die Wahl zwischen was?
Wenn ich mich richtig erinnere, gab es mindestens einen unzweifelhaft seriösen Gegenkandidaten, der es auch in die Stichwahl schaffte.
Wenn die Tschechen einen brabbelnden Säufer zum Präsidenten wählen, dann war das nicht eine Entscheidung gegen vom Himmel gefallene “Pest oder Cholera”, sondern eine bewusste Entscheidung tschechischer Wähler. Das ganze nennt sich Demokratie – in der fällt nichts vom Himmel. Sondern ist schlimmstenfalls der kollektiven Dummheit oder der Trägheit des Wahlvolkes geschuldet!
Für die Regierungen von Völkern gibt es in einer Demokratie keine Entschuldigung mehr, die von Gott eingestzten Fürsten existieren nicht mehr, denen man alles Böse oder Blöde zuschieben kann. Leider spiegelt sich das zu selten in entsprechender Berichterstattung. Wie hier.
Gruss,
Thorsten Haupts
schwarzenberg war der andere Bewerber
wieso also Wahl zwischen Pest und Cholera? Weil Schwarzenberg konservativ ist?
Wenn man Wiki zugrunde legt, wüsste ich nicht, was an Schwarzenberg grundsätzlich abzulehnen wäre. Warum also diese Diffamierung?
Scheint ein osteuropäisches Phänomen
zu sein. Ich kenne (leider darf ich keinen Link posten) ein paar ähnliche Glanzstücke vom besoffenen Poroschenko. Auch sehr sehenswert und irre witzig, wie er voll wie ein Eimer vor ein paar Soldaten den Hampelklaus gibt. Köstlich..
Nur daß die Tschechei zu Mitteleuropa gehört
Prag liegt westlich des eindeutig mitteleuropäischen Wien und auch westlich der Oder.
Demokratie......
….bedeutet eben, dass auch mal jemand gewählt wird, den Teile der Bevölkerung (und der Medien…) nicht so toll finden.
Übrigens haben auch wir einen Präsidenten, über dessen Vorbildfunktion man mindestens streiten kann: Dass er, als Pastor, mit seiner Mätresse im Schloss Bellevue lebt, finden große Teile der hiesigen Bevölkerung nun auch nicht so wirklich prickelnd….
Trau-Schein
Eine sexy tätowierte Präsidentengattin, die sich scheiden lässt kaum dass der Gatte sein Amt los ist, ist da schon viel prickelnder. Da verstehe ich Sie doch richtig, nicht wahr? Was mich interessieren würde: Haben Sie ein gutes Gefühl, wenn Sie Frau Schad als Mätresse bezeichnen?
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Die Tschechen hatten also die Wahl zwischen “Pest und Cholera”.
Als 2010 der Linken Politiker Diether Dehm die Entscheidung zwischen Wulff und Gauck als eine Wahl “zwischen Hitler und Stalin” bezeichnete, war das noch ein Skandal.
Immerhin wurde der tschechische Präsident vom Volk gewählt, was man von Wulff und auch von Gauck nicht behaupten kann.
Würde Zeman die links-liberale Einheitsmeinung wiedergeben, wäre er ein “Querdenker”. Er schafft es aber, genau wie sein Vorgänger Klaus, zu bestimmten Themen(Russland,Pussy Riot, muslimische Einwanderung usw.) den Nerv zu treffen, dann reicht es nur zum “Säufer”.
Bitte bleiben Sie sachlich. Die Blog-Redaktion.
Vermutlich hatte er weiland auch Herrn Thomas Mann einen algerischen
Pass empfohlen, statt dem einladend und freudig begwegt einen tschechischen Pass auszustellen.
Wobei aber Herr Mann heut vermutlich sicher sofort um einen algerischen Pass nachsuchen wuerde, zumal nach seinen spaeter unguten Erfahrungen mit US-Paessen? ‘Nur das Haus in Pacific Palisades war so ganz das seine gewesen’.
‘So most oft us would be looking forward for a ‘Pacific palisades’ in algeria?’ Ja, kluge zukünftige europaeische Politik koennte evtl. sogar das erreichen?
Eigenwillige Interpretation
Wenn ein Bürgermeister (Ahmed Aboutaleb) in den Niederlanden wortwörtlich sagt “Wenn es euch hier nicht gefällt, haut doch ab!”, dann wird groß gejubelt.
Wenn ein Zeman so etwas sagt, oder Pegida, dann wird Mord und Zeter gebrüllt.
Merke: Es kommt überhaupt nicht drauf an, WAS jemand sagt, sondern WER es sagt. Schade.
Einseitig um nicht zu sagen hetzerisch
klingt das für mich.
Ich habe bisher nicht viele Informationen über Zeman, aber Beschimpfungen von den geschmacklosen Pussy Riots sind auch nicht “hilfreich”.
Der Verdacht kommt auf, wenn der Mann weniger rußlandfreundlich wäre, daß er dann auch differenzierter betrachtet würde und nicht nur Negatives über ihn zusammengekarrt würde.
Der Artikel ist aus diesem Grund fast unlesbar.
Wenn die sich selbst so bezeichnenden Qualitätsmedien nicht endlich das journaliste Credo befolgen, unvoreingenommen, unparteiisch und informativ Tatsachen zu berichten und Meinungen als solche zu kennzeichnen, dann wünsche ich ihnen allen einen baldigen Konkurs. Sie haben es nicht anders verdient.
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Das ist ein Blog, da dürfen Leute ihre Meinung schreiben. Lese doch das Titelbild, Ich heute 10 vor 8
Frauen schreiben politisch poetisch, polemisch.
Sehr einseitiger Artikel
Da werde ich immer skeptisch wenn ein Artiekl ausschließlich negative Aspekte in den Vordergrund stellt um zu diffamieren und um exzentrische und unangepasste Politiker mit Profil (von denen es leider zu wenige gibt) nieder auf konformes Mainstream-Maß zu knüppeln.
Er wurde demokratisch gewählt, fertig aus basta, genauso wie Janukowitsch, ob der nun pro-russisch, pro-mexikanisch oder pro-sonstwas ist sollte keine Rolle spielen.
...demokratisch gewählt?
Am Tag der Wahl erschien eine ganzseitige verleumderische Annonce in dem grössten Boulevarblatt des Landes gegen den Kandidaten Schwarzenberg (oder genauer gegen seine Frau die kein Tschechisch spricht). Diese Annonce sollte Ressentiments schüren, Ressentiments gegen Deutsche die ja in gewissen Kreisen noch existierten. In Tschechien ist es illegal am Wahltag Wahlannoncen zu veröffentlichen. Sie wurde übrigens von einem ehemaligen Agenten aufgegeben.
Seit Amtsantritt beschäftigt Zeman einen Mann im höchsten Amt unter ihm auf der Prager Burg, dieser Mann ist immer noch nicht von den Behörden akzeptiert, was natürlich mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Zeman nahm ihn mit auf eine Natositzung, er wurde nicht reingelassen!