
Ein seltenes Zusammenspiel im Literaturbetrieb: Als die erschütternden Anschläge auf die Pariser Satirezeitung „Charlie Hebdo“ und die Geiselnahme im jüdischen Supermarkt stattfanden, erschien Michel Houellebecqs neuestes Werk „Unterwerfung“. Wochen zuvor durfte die Feuilleton-Zunft einen Blick in dieses vermeintlich prophetische Buch werfen. Denn Houellebecqs Lieblingssujet Sex wurde um das polarisierende Element Islam erweitert. Sex und Islam – so explosiv derzeit, wie kaum ein anderes Gedankenspiel. Die Ankündigungen erschienen in den Feuilletonspalten und Houellebecqs Fangemeinde freute sich auf ein Ende ihres Literaturentzugs. „Unterwerfung“ stieg noch vor Erscheinen zum Bestseller auf. Damit war es offiziell. Zum Verkaufsanreiz „Sex sells“ gesellt sich ein weiterer. Nämlich Islam. Sollte der BDSM-Riege rund um Fifty Shades of Grey mal die Ideen ausgehen, keine Sorge, da geht noch was. Für zahlreiche Magazine und Medienformate gilt seit Jahren: Islam sells. Der Angst einflößende, nicht der barmherzige, frauenfreundliche und facettenreiche Islam, versteht sich. Muslime wie Nicht-Muslime haben ihren Beitrag dazu geleistet.
Kaum verwunderlich also, dass „Unterwerfung“ seither in aller Munde ist. Es wird kritisiert und gelobt – von Lesern und von Nicht-Lesern. Die einen halten das Buch für unverantwortlich, weil es Muslimfeindlichkeit befördere, die anderen sehen darin einen weiteren Geniestreich des Literaten Michel Houellebecq. Dass sein Buch nicht in Absprache mit den Terroristen geschrieben wurde, geschweige denn erst einige Tage vor dem Anschlag zu Papier gebracht wurde, wird den meisten klar sein. Nur die aktuell Hochkonjunktur feiernden Verschwörungstheoretiker sehen eine Komplizenschaft mit Muslimhassern. Dabei sind diese Theorien genauso unsinnig, wie Houellebecqs Szenario eines islamischen Frankreich im Jahr 2022.
Das heutige laizistische Frankreich leidet zwar unter seinen Eliten und der Ausgrenzung seiner wirtschaftlich schwachen Bevölkerung, die nicht nur in den Banlieues ihr Dasein fristet. Aber zu glauben, dass dieses Frankreich einen islamistischen Präsidenten wählen könnte, ist so ignorant, wie Houellebecqs Äußerung 2010, dass der Islam die dümmste Religion auf Erden sei. Französische Muslime sind in keiner Weise so homogen, wie mancher glauben mag. Sie wählen wie alle Franzosen die Partei, von der sie hoffen, dass sie ihre Interessen vertritt. Darunter auch schon mal die Front National, wie 2014 bei den Kommunalwahlen geschehen. In der Hoffnung, dass sie in den Vorstädten für Ordnung sorgt. Unverständlich und gefährlich, aber französische Realität.
Vor lauter Aufregung über die drohende Islamisierung, die nun auch noch ein Houellebecq in seinem neuesten Werk thematisiert, sah sich Marine Le Pen höchstpersönlich dazu veranlasst, das Buch – ungelesen, nota bene – als mahnendes Beispiel zu empfehlen. Nach der Lektüre des Buches drängt sich allerdings eine ganz andere Frage auf. Was reizt Houellebecq nach all seiner nachvollziehbaren Kritik an der dekadenten, selbstgefälligen und geistig stagnierenden Elite tatsächlich am islamischen Szenario für Frankreich?
Das von ihm gewählte Islambild verrät einiges über einen Westen, der sich gerne als die Speerspitze von Freiheit, Gleichheit und Frauenbefreiung versteht – und dabei weiterhin geheime Phantasien über den verbotenen Harem pflegt. In Houellebecqs islamistischem Frankreich wird die Frau zur Verhüllung gezwungen und aus der Öffentlichkeit verdrängt, während dem Mann die Polygamie ermöglicht wird – kurz, die sexuelle Unterwerfung ist so allgegenwärtig in seinem Buch, dass sich jede Frau, der es möglich ist, aus dem Land rettet. So wie es Myriam tut, die sich nach Israel absetzen kann. Sie ist die jüdische Ex-Geliebte des Protagonisten und Literaturprofessors Francois. Israel, der Zufluchtsort aller Juden gewinnt vor dieser Kulisse eine neue Dimension und Bedeutung. Alle anderen Frauen bleiben zurück und haben sich dem Willen der Männer zu unterwerfen. Fortan bestimmt der Mann uneingeschränkt in allen Gesellschaftsbereichen.
Als muslimische und arabische Leserin stellt sich mir eine interessante Erkenntnis ein. Saudi-Arabiens oder Irans Männergesellschaften sind für den französischen, nicht muslimischen Mann und den männlichen Westen offensichtlich attraktiver als es das Burkaverbot vermuten lässt. Das, worüber die westliche Männerwelt gestern noch verächtlich die Nase rümpfte, lässt sich plötzlich mitten in Europa sehnsüchtig zelebrieren. Die Frau wird zum Beiwerk degradiert – zur biblischen Rippe des Mannes. Dass die Rückkehr zu einer konservativ-religiösen Gesellschaft nicht über den Katholizismus, Frankreichs heimische Religion, imaginiert wird, liegt vermutlich daran, dass dieser zu sexfeindlich ist – und weniger an der Anzahl der in Frankreich lebenden Muslime. Das – zumindest für Männer – sexfreundlichere Regularium des weit verbreiteten Männer-Islam bietet da nämlich ganz andere Möglichkeiten. Verständlich also, dass sich Houellebecqs Frankreich gegen die rechte Front National und für das zahlenmäßig größere Bündnis von Sozialisten, Konservativen und einer islamistischen Partei entscheidet. Mit einem muslimischen Präsidentschaftskandidaten. Wenn schon eine extreme politische Ausrichtung, dann offensichtlich lieber eine islamistische – die vor allem Männern zugute kommt. Der Rechtspopulismus mit Marine Le Pen wäre in dieser Hinsicht sicher nur halb so aufregend.
Die Perspektive der Frauen existiert in Houellebecqs Roman ohnehin nicht. Was sie denken und vor allem spüren, lässt sich nur erahnen. Sie sind dazu da, dem Mann Lust zu bereiten oder von Selbstmitleid zerfressenen Männern Ablenkung zu schenken. Damit ist das islamistische Frankreich Houellebecqs die Rettung des französischen Mannes. Plötzlich hat er Anspruch sogar auf die verbotene Frucht der Muslima, die ihm in seinen alten Kolonien noch verwehrt blieb. Wenn natürlich auch nur unter der Voraussetzung, dass er selbst Muslim wird. In Houellebecqs Frankreich eröffnet das schnell aufgesagte islamische Glaubensbekenntnis sodann alle Pforten für den Mann – beruflich wie privat. Der Opportunismus lässt grüßen. Frauen jeglichen Alters stehen zur Verfügung, Sex zur Fortpflanzung oder zum Vergnügen. Ohne Reue. Keine Frau mehr, die ihre Selbstverwirklichung einfordert. Geschweige denn ihren Sexualpartner selbst wählt. Die männliche Kränkung durch den Feminismus scheint endlich passé. Es lebe das Patriarchat! Der Männer-Islam scheint der Heilbringer des französischen Mannes zu sein, der so lange schon mit der emanzipierten Frau hadert. Angesichts von Houellebecqs gemeinhin bekanntem katholischem Frauenbild, in dem die Mütter die Heiligen und die restlichen Frauen die Huren sind, wirkt sein vermeintlicher Weckruf um Frankreichs Zukunft recht unentschlossen. Denn auch in diesem Roman treiben ihn die Frauen als Sex- und Gebärobjekte dermaßen um, dass für eine gründlichere Sozial- und Gesellschaftsanalyse Frankreichs offenbar keine Zeit blieb. Seinen Romanfiguren gibt diese neue Staatsordnung offenbar Orientierung und Ordnung. So wie im realen Leben manche Konvertiten ihr neues Zuhause bei den Salafisten finden. Wo nicht nur für das Gemeinschaftswohl, sondern auch für den Sexualpartner gesorgt wird. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn unter Houellebecqs Lesern sich auch so mancher begeisterte Salafist oder Elite-Islamist tummelte.
Man kann natürlich hoffen, dass dieser Roman als der Weckruf gelesen wird, den Houellebecq offensichtlich beabsichtigt. Doch seine Geschichte hat weniger etwas mit Islam und Islamismus zu tun, als mit den alten westlichen Orientalismus-Phantasien. Der koloniale Habitus der Vereinnahmung und Unterdrückung hat überlebt. Dabei dient die Frau als auszubeutendes und zu unterwerfendes Objekt. Nichts von dem, was Houellebecq entwickelt, verweist auf das positive Erbe der Aufklärung, der sich Frankreich einst verschrieben hat. Ganz zu schweigen von der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die lautstark verteidigte Freiheit und Gleichheit wirkt in diesem Zusammenhang inhaltsleer. Zurück bleibt nichts als Stillstand und Selbstherrlichkeit. Und der sehnsüchtig-lüsterne Blick auf ein imaginiertes libertinäres Patriarchat.
Moral und Doppelstandards
Es ist schön zu lesen, dass der Islam ganz anders ist, als der französische Mann, der Kolonialzeit und Frauenunterdrückung hinterhertrauert, ihn sich herbeiphantasiert. Und dann ist es ebenfalls erhellend, zu lesen, dass der Katholizismus genau seinem Klischee entspricht. Danke für diese praktische Anwendung von Doppelstandards.
Ich habe das Buch nicht gelesen, mir scheint aber, nach all den Feuilltonbeiträgen, der wichtigste Aspekt zu sein, dass einer Bedrohung der eigentlich in Frankreich hochgehaltenen Ideale von den handelnden Akteuren nichts ernsthaft entgegengesetzt wird. Die eigene Moral wird flexibel an den skizzierten Umschwung angepasst und in einem praktischen Hedonismus das Beste daraus gemacht. Dieses moralische Totalversagen des Westlers ist meiner Ansicht nach der nützliche Kern des Romans, über den Nachdenken lohnen könnte. Woher die Bedrohung der Ideale kommt ist eigentlich sekundär – die gewählte ist, zugegeben, medial gut verwertbar.
Viele Grüße
Günther Werlau
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Bitte bleiben Sie sachlich. Die Blogredaktion
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Islam, Sex und andere Sehnsüchte?
Die Sehnsucht…Seh(EI)nsucht…S”eh-E”In-sucht…Einsicht… S(ynthese)EHE(sex)…E(motion)I(nteligenz)…Geist/gesucht!?
Se(h) “X”…best”ehe”nd aus 4 “V”…Vernunftweg
X-Achse = Zeit t-Achse…Gene”RATIO”nen Reifezeit?!
Der Human bestehend aus, sowohl “WM” “W”eibl./”M”(ännl.)…Geist,
als auch Female/Frau…Male/Mann.
Mathe. x = mal(nehmen)…Produkt bilden.
“X-mas”…ma”s”…”s”am(en)…DAS LAM(M)?!…Bedeutung?
ma”l”…IS-“l”am…DAS LAM(M)?!…Bedeutung?
VERNUNFT-GE(IST)MEIN”SAM”(G”EHE”N)!
Die Psyche im Human ist das “vollverschleierte Weib” des Koran…
und das “RIP(P)E”(engl.!)…”REIFE(nde)-WEIB”, das nicht sichtbare!?
Der Vollschleier…(Geist)NEBE”L”…”L”EBEN…REIFEN…
die Sehnsucht des Weibes EV”A”…”A”VE…FRIEDE…”X”-“IS”…”SIX”!?
Psyche-Se(h)ele…(GEIST)SEH-HALLE(N)-SEHNSUCHT!?
Psyche…”P”(EACE)”SY”(NTHESE)(I)”CH”(HALL)”E”
Sowohl in Einzelperson Synthese, als auch zwischen Personen…fräulich/jünglich:=)…Frau/Mann…Symbiose…als auch zwischen allen Personen-SYMBIOSE!?
VERNUNFT IST DIE GEMEINSAME (vernuft-reife) REIFE-RELIGION DES HUMAN-SEIN.
SI”X”… “4”-Quadranten-“V”ernunft-Reife-Weg “11”…
A”LL EVE”N…”LEVEL”!?…
“SYN”THESE-“SYM”BIOSE…”SYN”TAX…”SYM”BOLE…”SYNONYM(E)”…
Jeweils 3 Teil-Strecken vo/n/m “X” bilden “Y”…4 “Y”…S”Y”N…
Transparenter Transparenz-(Wunsch-)Gruß,
W.H.
P.S. …sex/y Hex/y…Synthesen…Symbiosen…
Magic EVA/AVE-MARIA(H/eilt:=)…EVO”L”(ution)…”L”OVE…
Der “S(E)YN/M-DEN-FALL”…back into paradise…
“G11”-Gipfel:=)
Der Human...DAS GEIST-WEIB-WESEN...
Die Geist-Psyche-Seelen-Achse(n)…EHE(N)…Vernunftreifeweg(e).
Diese “Ehepartner” sind vom “Geistvater Evolution” ausgesucht,
und beschlossen und dürfen/sollen nicht getrennt werden.
Der Geist der Eltern-Gene in uns ist DIE beschlossene EHE…Evolutionehe.
Paarige Begabungen und Fähigkeiten zum “Geist-Pari”, “Geistgleichgewicht”, pari reifen.
(Fast?) Alle Religionen/Propheten können/konnten in ihren Schriften, auf Grund mangelnden Wissen der Schreiber, diesen eklatant wichtigen
Unterschied zwischen Geist-Weib-Human-Weg als 1 Personwege, der
den “Propheten” gesandten Botschaften, Transzendenzerleben, nicht von Human Frau und Mann als 2 freie Personenwege begreifen, unterscheiden und übertrugen so ihre Fehl/wissen/interpretationen auf Frau/Mann 2-personig. Diese “Fehl-Denk-Verhalten-Muster”, durch Generationen hindurch, können nur mittels Vernunftbildung und vor allem Einsicht eliminiert werden.
Das wird kein leichter Weg…
Der Mensch "schummelt":=)
bei Einhaltung!? der Würdegleichheit…gleich:=)an mehreren Stellen.
Das ist außerhalb von humanem Vernunftdenken, also inhuman.
Welchen Vernunftlevel hat unsere Gerechtigkeit?
Übersetzung...Sündenfall...auch Bibel.
Evolution-Sündenfall-Übersetzung(en)…
Human und DAS (Geist-)”Weib”(Aussprache!)…”WAY-P(eace)”…
Human-Psyche- Seele-Geist-Energie-Wesen(heit)…
die “Ich-Halle”…SELBST/SELBER..”Selbster”kennende “ICH-Vernunft”.
Das “WEIB” auch…
“W”(esen/synthesen/symbiosen/weg)”E”(motion)”I”(ntelligenz)”B”(e, Sein, Seyn)
“DIE” RIP(P)E(ungen) = “DIE” GEIST-REIFUNG(EN)-HUMAN.
Das Human-Weib ist nicht die Human-Frau…wollte ich “bloß” sagen;
deswegen “Verschleierung-Sünden-Fehl-Übersetzung(en)”:=)
Das Weib im Manne…kennt doch jeder…ei, ei, eye:=)
Religiöse Bekenntnisse haben gegenüber weltanschaulichen den Vorteil
dass man sich seines eigenen Verstandes nicht bedienen muss. Dass die Aufklärung in Europa nie richtig angekommen ist zeigen die Schlagworte, mit denen Kritik begegnet wird – nicht nur von der Antifa, auch in der schreibenden Zunft und den Eliten der Politik.
Wenn ich einen Sinn des Buches richtig verstehe, so spottet Houellebecq – wie einst Julien Benda über ein anderes bedeutendes Thema seiner Zeit – über „La Trahison des clercs“. Clercs, die auch in Deutschland zwar „westliche Werte“ verteidigen, jedoch nicht in der Lage sind, diese konsensfähig zu definieren – außer mit Hilfe von Placebo-Metaphern im Schulterschluss „gegen Rechts“.
In der Tat hat ein patriarchaisch orientierter Islam vermutlich mehr potentielle Anhänger unter europäischen Männern, als es emanzipierten Frauen, die sich zunehmend mutterrechtliche Vorteile geschaffen haben, lieb sein kann.
Genau lesen und realistisch sein
Die Autorin ist sich nicht ganz schlüssig. Mal konstantiert sie: Frauen im Buch nur Lust-Staffage, realistische Figuren werden verweigert. Dann schreibt sie eine anti-aufklärerische Mysogonie herbei. Nach dem Motto: was nicht vorkommt, wird bestimmt gehasst. Das ist alles andere als überzeugend. Der Roman stammt von Houellebeqc, die freie Rede darüber von der Autorin selbst. Rezension kann man das nicht nennen, sagen wir: Essay.
Ich versuche mal vorsichtig auszuleuchten, warum die Frau in diesem Spätmodernen Roman “verschwindet”, bis auf das Lust-Klischee… Wenn Sie sich die Frauen heutzutage betrachten, werden Sie kaum etwas literarisch Verwertbares finden. Es sind komplexe Multi-Funktions-Menschen, genau wie die Männer übrigens. Das Schicksal des weiblichen Geschlechts im Westen lautet: Verschwinden. Es darf nichts mehr übrig bleiben, außer es dient den Rollen: Weiblichkeit für die (gut geplante) Mutterschaft, Weiblichkeit für die Chef-Etage (ein bisschen anti-kapitalistisch, zur Korrektur des männlichen Systems) , Weiblichkeit für die Werbeagentur (Konsum ist das A und O). Befreiung ist vielleicht im Orient ein Thema, bei uns aber schon lange nicht mehr.
Aufrechterhaltung des Scheins
Sehr schön. Ergänzen würde ich noch, dass, gleich ob im katholischen Frankreich, oder im islamischen Arabien (oder Iran), die Religion nur der Aufrechterhaltung des Scheins dient. Des Scheins der Legitimation zum Herrschen, welche doch in Wahrheit ein Dienen ist. Mit dem Unterschied vielleicht, dass in diesen islamischen Staaten die Herrscher sich als direkte Nachkommen des Propheten wähnen – als Seyed -; und somit der Dienst am Objekt des Herrschens, dem Kapital, dort nicht unbedingt in einer Eliteschule, wo dem zukünftigen Herrn, das „Unterwerfen“ kunstvoll vermittelt wird, erlernt werden muss. Im katholischen Frankreich, wie auch in anderen „christlichen“ Nationen des Kapitals, kaschiert das Subjekt des Kapitals, dessen Unterworfen-sein, während in der Person des „Seyed“ Subjekt wie Objekt des Herrschens verkörpert sind, somit Unterworfen-sein, dem Seyed quasi „im Blut“ liegt. Die moderne Subjekt-Objekt-Dichotomie verhindert somit eine gewisse Einsicht in die Notwendigkeit. Und diese, so sehr sie auch Gegenstand wie Triebkraft moderner westlicher Philosophie ist, und ganz sicher auch Grund ist für die aktuelle Vormacht eben dieses „Westens“, ist dessen Achillesverse. Spätestens dann, wenn die Subjekt-Objekt-Dichotomie überholt ist, also die kapitalistische Klassengesellschaft an ihrem Ende angekommen, kann diese Gesellschaft, wenn sie nicht endlich von ihren eigenen Kräften überwunden wird, zur billigen Beute einer jeder weniger modernen Gesellschaft werden.
Und diese Phase scheint erreicht, und daher ist die „Vision“ eines französischen Provokateurs, namens Houellebecq, eben nicht nur patriarchalisches Wunschdenken, sondern eben gerade auch als solches, nämlich in ihrer nihilistischen Obsession, eine ganz reale Option. Allerdings nicht nur und nicht mal hauptsächlich wegen der unterstellten Aggressivität vormoderner Gesellschaften, bzw. Philosophien, resp. Theologien, sondern ob der zunehmenden Abwesenheit der Fähigkeit zum Herrschen, seitens jener Klassen, deren Zeit definitiv abgelaufen ist. Allerdings, und daher wird es mit Sicherheit ganz anders kommen, scheint mir die muselmanische Welt von heute, selbst dort, wo sie sich archaisch gebärdet, nicht weniger modern, sprich: krude kapitalistisch. Beide Welten werden daher womöglich zur billigen Beute einer noch primitiveren Gesellschaft.
[…] Aufrechterhaltung des Scheins Sehr schön. Ergänzen würde ich noch, dass, gleich ob im katholischen Frankreich, oder im islamischen Arabien (oder Iran), die Religion nur der Aufrechterhaltung des Scheins dient. Des Scheins der Legitimation zum Herrschen, welche doch in Wahrheit ein Dienen ist. Mit dem Unterschied vielleicht, dass in diesen islamischen Staaten die Herrscher sich als direkte Nachkommen des Propheten wähnen – als Seyed -; und somit der Dienst am Objekt des Herrschens, dem Kapital, dort nicht unbedingt in einer Eliteschule, wo dem zukünftigen Herrn, das „Unterwerfen“ kunstvoll vermittelt wird, erlernt werden muss. Im katholischen Frankreich, wie auch in anderen „christlichen“ Nationen des Kapitals, kaschiert das Subjekt des Kapitals, dessen Unterworfen-sein, während in der Person des „Seyed“ Subjekt wie Objekt des Herrschens verkörpert sind, somit Unterworfen-sein, dem Seyed quasi „im Blut“ liegt. Die moderne Subjekt-Objekt-Dichotomie verhindert somit eine gewisse Einsicht in die Notwendigkeit. Und diese, so sehr sie auch Gegenstand wie Triebkraft moderner westlicher Philosophie ist, und ganz sicher auch Grund ist für die aktuelle Vormacht eben dieses „Westens“, ist dessen Achillesverse. Spätestens dann, wenn die Subjekt-Objekt-Dichotomie überholt ist, also die kapitalistische Klassengesellschaft an ihrem Ende angekommen, kann diese Gesellschaft, wenn sie nicht endlich von ihren eigenen Kräften überwunden wird, zur billigen Beute einer jeder weniger modernen Gesellschaft werden. […]
Dieser Dichter wird überschätzt ...
Eine exquisite Analyse, sehr geehrte Sineb el Masrar. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass Houellebecq’s Werk in Frankreich erheblich feindseliger und provozierender wirkt, da französische Frauen sich – über die Jahrhunderte – nie mit extremem Patriarchat haben anfreunden können und aus diesem Grunde die französische Gesellschaft in ihrer Tiefe weiblichen Vorgaben folgt. In Deutschland kann ich mir vorstellen, dass „männliche Heerscharen“ zum Islam konvertieren, um die „männliche Kränkung durch den Feminismus“ zu rächen. In Frankreich kann ich mir das nicht vorstellen.