Winterkurzurlaub auf einer Vulkaninsel. Ein literarischer Landgang mit Juli Zeh und Michel Houellebecq im Gepäck.

Während die Anschläge von Paris noch nachbeben und das deutsche Feuilleton mit den Folgeartikeln zu „Unterwerfung“ beschäftigt ist, denke ich über das Wetter nach. Ich fahre also nach Lanzarote, um Sonne zu tanken und denke: Alle reden von Houellebecq, aber wer redet eigentlich von Lanzarote? Ach genau, vor drei Jahren erst, Juli Zeh in ihrem Roman „Nullzeit“: „Eine Schönheit war die Insel nicht. Vom Flugzeug aus betrachtet, glich sie einem riesigen Kieswerk.“ Und Houellebecq selber natürlich. Er hat die „verlorene[n] spanische[n] Insel im Atlantik“ ziemlich geschickt in gleich mehreren Werken verarbeitet.
In dem 2005 erschienenen Science Fiction-Roman „Die Möglichkeit einer Insel“ setzt er die Vulkaninsel als quasi künstliches Sub-Setting ein. Hier steht das Botschaftsgebäude der straff hierarchisch organisierten Elohimiten – hinter denen sich die in Wirklichkeit existierende Klonsekte der Raëlianer verbirgt, mit der Houellebecq anscheinend eine Zeit lang sympathisierte. Der Protagonist Daniel darf sie exklusiv bei ihrem Winterseminar begleiten. Warum die Elohimiten sich ausgerechnet hier niederlassen wollen? “’Hier sind wirklich ganz besondere Schwingungen […]‘“, schwärmt der Elohimit Patrick, und Daniel ergänzt mit seinem eigenen angelesenen Wissen: „In der New-Age-Literatur wird allgemein davon ausgegangen, dass Vulkanlandschaften von Erdströmen durchzogen werden, für die die meisten Säugetiere – und insbesondere die Menschen – empfänglich sind; es wird behauptet, dass sie unter anderem die Promiskuität fördern.“
Houellebecqs im Jahr 2000 veröffentlichter Text „Lanzarote“ erschien in Deutschland gemeinsam mit einem Fotoband. In der 77 Seiten langen Erzählung entscheidet sich der Angestellte Michel für einen Winterkurzurlaub auf der Kanareninsel, um so stilgerecht das neue Jahrtausend einzuläuten. Auch wenn das zwischen den vor Sarkasmus triefenden Sätzen kaum zu erkennen ist, der Franzose ist beeindruckt, ja geradezu entzückt von der kargen Landschaft, den Farben: „Was crazy techno afternoon-Ferien angeht, kann Lanzarote schwerlich mit Korfu und Ibiza mithalten, und aus offenkundigen Gründen eignet sich die Insel schon gar nicht für den grünen Tourismus.“ Und ein schöner Satz, auch im Deutschen: „Alles wirkte wie in einem metaphysischen Western.“
Seine Fotos zeigen die Mondlandschaft der Vulkanausbrüche von Timanfaya, die farbenfrohe Bucht von El Golfo oder das Weinanbaugebiet von La Gueria, das das New Yorker MoMA in den 1960ern zum Gesamtkunstwerk erklärte – weil es wie ein riesiges Werk der Land Art anmutet. Und er knipste im 1990 fertiggestellten Kakteengarten César Manriques. Die architektonischen Eingriffe, Kunstwerke und kinetischen Objekte Manriques sind über die ganze Insel verteilt. Bereits am Flughafen wird man von einem seiner fröhlichen Wandgemälde empfangen, dem man den Einfluss von Miró deutlich ansieht.

Auch Juli Zehs Roman „Nullzeit“ ein Thriller aus dem Jahr 2012, kann man als Huldigung an die Insel lesen. Ihr Protagonist, Sven, ein deutscher Aussteiger, der sich als Tauchlehrer selbstständig gemacht hat, wohnt mitten in einem Vulkangelände: „Ringsum nichts als Gestein in bizarren Formen. Das Schweigen der Minerale.“ Wie bei Houellebecq wird auch hier die Dramatik der Landschaft zu der seelischen Kaputtheit der in ihr umherstolpernden Touristen in Bezug gesetzt.
Dieser Sven fungiert auch als Fremdenführer für seine Tauchschülerinnen: „Ich kutschierte sie quer über die Insel und gab mir Mühe, aus den mageren Sehenswürdigkeiten das Bestmögliche herauszuholen.“ Sven ist kein Fan des Inselkünstlers: „Die ganze Insel stand voll von seinem großformatigen Sperrmüll […] Glücklicherweise war Manrique verstorben, bevor er die Insel in ein Gesamtkunstwerk verwandeln konnte.“ Ganz schön polemisch. Denn ohne Manrique hätte der Insel wohl ein ähnliches Schicksal gedroht wie den Stränden auf dem spanischen Festland, die Michel Houellebecq in „Die Möglichkeit einer Insel“ am Beispiel von Almería so böse beschreibt.
Nachdem Manrique 1968 von seinen Aufenthalten in Madrid und New York zurückgekehrt war – nach 23 Jahren Abwesenheit – verschrieb er sich dem Umweltschutz und der ästhetischen Rettung seiner Heimatinsel. Und damit auch dem Kampf gegen die Auswüchse des Massentourismus, der zu Beginn der 1980er Jahre an Lanzarotes Küsten anbrandete. Mit der Unterstützung seines Jugendfreundes Pepin Ramírez, eines einflussreichen Politikers, setzte er einen inselweit geltenden Bebauungsplan durch, der nur weiß gestrichene Flachbauten in kubischer Form mit maximal zwei Stockwerken erlaubte. So ist es auch heute noch weitgehend. Das 17-stöckige 5-Sterne Hotel „Arrecife Gran Hotel“ war lange Zeit der einzige Ausreißer.
Ach ja: Es war kühl auf Lanzarote und die Sonne verbarg sich meist hinter den Wolken. Herzlichen Dank, Juli Zeh, dafür, dass ich wegen dir zwei unnütze Kilo Tauchausrüstung mitgeschleppt habe! Aber ich würde jederzeit wiederkommen, denn die Insel ist selbst bei schlechtem Wetter von anbetungswürdiger Schönheit. Ein riesiger Vulkansteinbrocken hat es in meinem Koffer bis nach Deutschland geschafft und hockt jetzt, bockig, tiefschwarz und möglicherweise aggressiv in meinem Kreuzberger Wohnzimmer. Ich habe vor, demnächst im Naturkundemuseum ein wenig kosmischen Staub auszuborgen und ihn damit zu konfrontieren.
Kosmischer Staub...
“Dust” in the “wind”…”Du”R”st” der Seele…
nach “R”(atio)fluß”wind”(ungen)?
Sehnsucht nach Rio de Janeiro…den Fluß den es (noch) nicht gibt?
Alle Wege führen nach “R”om…”R”oom?…”R”uhm?…auch über das anbetungswürdige Lanzarote, zum Ruhm der anbetungswürdigen Erde, ihren anbetungswürdigen Gesamtraum”Würde”?
Ein Kommentar meiner Gesamt-Inspi”Ratio”nen Ihres Beitrages
würde den “Blog-Würde-Rahmen” sprengen.
Deshalb vielen Dank für die, mit Vielfalt geschickt gespickt,
gemischten Inspirationen zu…
promiskuitiven (Gedanken-)Themensex?:=)
Sekt(en, Religionen, Alkohol, Nebel…) oder Selters (Mineral(ien)-Wasser)vom R.I.O. DE…Vernunftfluß?
Ko(s:=)mischer Staub…gefällt mir, Fr. Wurster!
L.G.
W.H.
P.S. …mein “Reiz”…mag(net)ische (Anziehung-)Insel…Sansibar…
San…Sun…(Per)son…Sohn…sieh bar(e)…pur(e)…blank(e)…nackt(e)…
anbetungswürdige “WUERDE”…
“W”(esen)”(P)U”(rheit)”ERDE”…EART”H”…”H”EART.
Peter Maffay…Wo ich nie war…oder doch?