Sie ist laut, sie ist wild, sie ist sexy – und alle Männer wollen sie entführen. Von einer die auszog, den Traum von elektrischer Freiheit nicht aus der Hand zu geben.

Die Gitarrenmädchen v.l.n.r: Sandra Grether, Christine Schulz, Cordula Ditz. Der Schlagzeugjunge: Elmar Günther.
Aller Anfang ist leicht. Als ich 10 Jahre alt war wünschte ich mir eine Gitarre zu Weihnachten und bekam sie prompt. Dazu auch noch Geschenkgutscheine für Gitarrenunterricht. Leider war es nur eine Akustische geworden, da ich mich nicht getraut hatte nach einer E-Gitarre zu fragen. E-Gitarre, das war für mein Kinder-Ich dann doch eine Nummer zu groß und zu spektakulär. In so eine E-Gitarre muss man wohl langsam reinwachsen, fühlte ich mehr als ich es dachte, wie in die glitzernden, hautengen Kleidungsstücke, die Prince und seine weibliche Begleitband The Revolution in ihren Videos trugen. The Revolution waren Vorbilder für mich, auch wenn die Radiomoderatoren über sie spotteten, als wären sie nur ein paar sexy Marionetten in zu hohen Lederstiefeln. Da ich Linkshänderin bin, fiel es mir leicht, Saiten zu greifen und ich freute mich über die schönen Töne, die ich der Gitarre schon bald entlocken konnte. Der Ärger kam erst mit der Pubertät und er kam mit der E-Gitarre!
All die merkwürdigen Dinge, die ich mit Jungs erlebt habe, die mir die E-Gitarre, kaum, dass ich sie bekommen hatte, schon wieder wegnehmen wollten, kamen mir wieder in Erinnerung, als am Mittwochabend die Riot-Grrrl-Ikonen Sleater Kinney die Bühne im proppevollen Berliner Huxleys rockten. 70 Minuten voll zackiger Riffs und dynamischem Wechselspiel. Kraftvoll-elegische Songs. Carrie Brownstein, eine der zwei Gitarristinnen-Sängerinnen, lacht schelmisch wenn sie zum Solo ansetzt und dazu auch noch diesen typischen breitbeinigen Schritt macht. Und das Publikum strahlt und zittert, starrt sehnsuchtsvoll auf die Bühne, auch die vielen Männer, die da sind. Und allen ist klar: man hat dieses triumphale Rock’n Roll-Geprotze tausendmal gehört und gesehen – Sleater Kinney liefern jetzt die feministische Metaebene dazu. Wie allwissenden Erzählerinnen am Ende eines langen Spielfilms. Aber doch ohne je Verrat an ihren eigenen Songs zu üben. Denn auch diesen Erzählerinnen einer anderen Geschichte des Rocks geht es letztlich vor allem darum, gute Musik zu machen.
Ich kann mich nicht an einen Jungen erinnern, der im Laufe meiner Jugend mein Zimmer betreten hätte und der nicht als erstes den Impuls gehabt hätte, mir die E-Gitarre wegzunehmen. Mit den fadenscheinigsten Argumenten und den dümmsten Sprüchen. Als Erwachsene kann man darüber vielleicht lachen, aber damals hab ich das echt geglaubt. „Das Kabel hat einen Wackler. Ich nehm die Gitarre mal mit und reparier das“, sagte einer. Treudoof gab ich sie ihm. Es vergingen Wochen bis ich sie wieder sah. „Die ist ja gar nicht gestimmt, ich mach das mal zu Hause“, ein anderer. „Da fehlt ja ne Saite.“ Wahrscheinlich mussten sie zu Hause schnell selber spielen lernen, damit sie sich weiter mit mir treffen und dabei die Kontrolle behalten konnten.
Besonders rührend war jener zivildienstleistende Plattensammler, der sich Sorgen um seinen Freund im Knast machte. „Ein guter Kumpel von mir ist wegen Haschisch eingefahren und das wäre ja wohl das Größte, wenn er sich mit einer Gitarre (mit meiner Gitarre, wohlgemerkt) die Zeit vertreiben könnte. Du bist ein Mädchen, du brauchst die doch gar nicht.“ In diesem Fall weigerte ich mich, sie ihm zu „leihen“. Da redete er mir ein, ich sei böse. Hier ich, dieses privilegierte Mädchen, dass sogar zwei Gitarren besitzt, und dort jener arme ungerecht behandelte Mensch, der im Knast vor die Hunde geht… Ich sah die weiße Fender nie wieder. Ich begann Gitarren zu zeichnen und über Musik zu schreiben.
Aber warum sich wundern über die Teenager-Dramen von gestern, wenn das Musikmagazin Rolling Stone auch heute noch in seinen ewigen Listen der „100 besten Gitarristen aller Zeiten“ regelmäßig nur zwei Frauen führt (z.B. Joan Jett und Joni Mitchell). Sleater Kinneys Gitarrengenie Carrie Brownstein schaffte es sogar nur in der Liste der „25 unterschätztesten Gitarristen aller Zeiten“. Als einzige Frau.
Irgendwann reichte es mir und ich ließ mir die Gitarre nicht mehr wegnehmen. Ich gründete meine eigene Band Parole Trixi, die als erste deutschsprachige Riot-Grrrl-Band für Aufsehen sorgte. Ich spielte die Rhythmus-Gitarre, schrie/sang, schrieb die lyrischen Songtexte und holte mir für die Leadgitarre mit Christine Schulz noch eine Gitarrenfrau dazu. Wir spielten unsere Definition von Hardcorejazzpunkgrunge. Wir erfanden uns sogar noch Akkorde dazu: damit mal gut ist! Aber natürlich war nicht gut. Es hieß trotzdem immer, wir würden bloß einfachen, schrammeligen Drei-Akkord-Punk spielen, wir Mädels. Denn bei lautstark auftretenden Frauen hörten nicht mal Musikexperten auf die Musik. Kurz nach Auflösung der Band, Mitte der Nuller Jahre, entwickelte ich eine Art Angststörung, wenn es darum ging, die Bühne zu betreten. Gerade eben hatte ich noch als die selbstbewusste starke Frau gegolten, die sich auf der Bühne austobt, egal, was alle denken. Hatte Fragen beantworten müssen wie: „Warum gibt es so wenig Mädchen, die Gitarre spielen?“ Und jetzt: Panik.
Ich probte mich zu Tode, feilte an meinen Skills. Schließlich ist man ja auch noch Künstlerin und nicht nur Leistungsbeschaute und Parolengeberin. Trotzdem hatte ich schon Wochen vor Konzerten mit meiner neuen Band Doctorella Panik, telefonierte mehrmals mit den Mischern. Soundchecks fühlten sich an wie Abiturprüfungen. Da ich meine Songs ja drauf hatte, hatte ich ein neues Feld des möglichen Misslingens ausgemacht: Das Versagen der Technik vor Ort. Auch so profane Dinge wie die Möglichkeit, eine Saite könnte reißen, nahmen mir jede Vorfreude. Doctorella-Konzerte beginnen wir jetzt immer mit einem Gitarrensolo von mir. Es ist wie eine Schocktherapie für mich. Danach habe ich keine Angst mehr und an meiner Stelle zittert das Publikum. Denn ich habe ja schon was bewiesen und kann frei weiter aufspielen. Auch wenn ich mich jedes Mal fühle wie der Spinnenphobiker, dem nach erfolgreicher Therapie die Spinne über die Hand krabbelt. Wenn mich also jemand nach „der Spinne“ fragt, jener beliebten Aufwärmfingerübung für Gitarrist_innen, dann kann ich aus tiefster Überzeugung sagen: “Oh ja, die Spinne, die kenn ich, die kann ich.“ Die kann mich…
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Rock'n Roll
Ich spiele jetzt seit 40 Jahren in diversen Rockbands den Bass. In dieser Zeit habe ich eine einzige Frau kennenlernen dürfen, die gut war. Jennifer Batten hat bei Michael Jackson die Live Gitarre gespielt.
Warum ist das so?
Keine Ahnung. Mädels greift in die Saiten.
Rock on.
Dirk
Das leider misshandeltste Instrument ever,
die Gitarre, gefolgt vom Schlagzeug.
Der Anteil an selbstüberschätzten Instrumentalisten dürfte nirgends höher sein als bei der Gitarre.
Vielleicht weil jeder, der Komplexe kompensieren will, zuerst zur Gitarre greift.
In der musikalischen Welt wie ich sie wahrnehme ist jedes wirklich gut gespielte und beherrschte Instrument sexy. Im Zweifel auch die Oboe und das Xylophon.
Mit Gruß
Ein mittelmäßig begabter Bassist mit Liebe zum Instrument, zur Banddienlichkeit und zum Lernen.