In Hermannstadt/Sibiu fand eine Gymnasiastin vor dreißig Jahren zwischen Schießübungen und deutscher Lyrik ein belastbares Bildungsideal. Heute soll sich Schule wieder nützlich machen, für das Leben im Kapitalismus. Eine Denkaufgabe.

Ich habe in der Schule gelernt, wie man eine Kalaschnikow auseinander nimmt, reinigt und wieder zusammenbaut. Das war Anfang der 80er Jahre im rumänischen Hermannstadt/Sibiu, auf dem Brukenthal-Gymnasium. Eine deutsche Eliteschule, die hauptsächlich von Angehörigen der deutschen Minderheit besucht wurde und die das humanistische Bildungsideal im Sozialismus wacker hochhielt. Der Umgang mit der Kalaschnikow gehörte zur „Vorbereitung der Jugend zur Verteidigung des Vaterlandes“, auf Rumänisch „Pregătirea Tineretului pentru Apărarea Patriei“, abgekürzt PTAP – so nannten wir das Fach. Nachdem wir ein bisschen mit der AK 47 hantiert hatten, fuhr man uns auf eine Waldlichtung und ließ uns Schießübungen machen. So waren wir bestens für den Einmarsch der feindseligen Truppen aus dem kapitalistischen Westen gerüstet.
Heutzutage müssen sich Schülerinnen und Schüler fragen, ob sie nach dem Abitur den entfesselten Märkten die Stirn bieten können. Anfang des Jahres beklagte die 17jährige Naina in einem Tweet, dass sie zwar gelernt habe, in vier Sprachen Gedichte zu analysieren, aber keinen Schimmer von Miete, Steuern und Versicherung habe. Sie wolle von der Schule besser aufs Leben vorbereitet werden.
Im sozialistischen Rumänien wurden wir aufs Leben vorbereitet. Am Anfang jedes Schuljahres gab es zunächst für zwei, drei Wochen einen Ernteeinsatz. Wir halfen ernten, vor allem aber entwickelten wir zum Zeitvertreib lustige Spiele, wie etwa den Maiskolbenweitwurf und eine besondere „Misswahl“: Wir suchten nach Gemüse mit Missbildungen und zeichneten am Ende des Tages zum Beispiel die abartigste Kartoffel aus. Es gab auch eine Schlosserwerkstatt in der Schule. Dort zeigte uns ein Meister, wie man einen Kerzenständer herstellt. Meiner steht heute noch bei meinen Eltern und erinnert an ein schlappes, trauriges Reptil. So stellte man sich damals im sozialistischen Rumänien den idealen Staatsbürger vor: Er sollte etwas von Gemüseanbau verstehen, sich nicht zu schade sein, mit den Händen zu arbeiten, und im Ernstfall zur Waffe greifen können.
Wir lernten aber auch vieles, was im real existierenden Sozialismus nicht verwertbar war, zum Beispiel unzählige Gedichte, die ich heute noch auswendig hersagen kann. Für die Sommerferien bekamen wir jedes Jahr eine Lektüreliste mit zehn, fünfzehn Büchern. Wir lasen das Nibelungenlied, Goethe, Schiller, Kleist, Fontane und rumänische Autoren wie Eminescu, Caragiale und Creangă. In Mathematik lernten wir den Satz des Thales, in Physik das Ohmsche Gesetz, in Chemie den Molekülaufbau.
Der lateinische Spruch über dem Eingangsportal unserer Schule ermahnte uns täglich, der Bildung und Tugend ein heiliges Beispiel zu sein. So richtig ernst genommen hat das damals wohl keiner. Die meisten von uns wussten ohnehin nicht, wie es später für sie weitergehen würde. Die Welt außerhalb des Schulhofes war nicht sehr gemütlich, der Sturz der Ceaușescu-Diktatur noch lange nicht in Sicht. Ausreisen oder anpassen? Das war die große Frage, die damals noch unsere Eltern entschieden.
Bis dahin reichte es, auf dem Schulhof klarzukommen. Dort gerieten sich eines Tages zwei Jungen in die Wolle. Es ging um ein Mädchen, wenn ich mich richtig erinnere. Beleidigungen flogen hin und her. „Du Nibelungenschwein!“, rief einer der Kontrahenten. Sein Gegner hieß nämlich Hagen. Dem verschlug es für kurze Zeit die Sprache. So ein krasses Schimpfwort hatte er noch nie gehört! Die Schullektüre war also durchaus praktisch brauchbar.
Heute sind es die MINT-Fächer, Wirtschaft und Berufsorientierung, die in vielen Lehrplänen fest verankert sind. Literatur, Latein und Altgriechisch stehen unter steigendem Rechtfertigungsdruck, ebenso Kunst und Musik. Sie versuchen, ihre Nützlichkeit unter Beweis zu stellen: Lesen sei gut, weil es den Wortschatz erweitert. Latein sei sinnvoll, weil es ein Gefühl für Grammatik vermittelt – so lernt man vielleicht später mal leichter Chinesisch. Kunstunterricht schule die Feinmotorik und das räumliche Vorstellungsvermögen. Und Musik, der Umgang mit Rhythmus und Intervallen, könne helfen, besser in Mathe zu werden. Nur Altgriechisch scheint vollkommen unnütz, das lernen inzwischen nur noch die Freaks.
Vor dieser Entwicklung, nur noch das technisch und ökonomisch Verwertbare zu fördern, warnt uns der italienische Philosoph Nuccio Ordine in seinem schwungvollen Pamphlet „Von der Nützlichkeit des Unnützen“. Der Nützlichkeitswahn mache auf die Dauer stumpf und phantasielos, meint er. Das Unnütze schaffe dagegen Freiräume in unseren Köpfen, lasse uns die Welt bewusster und intensiver wahrnehmen und mache uns sogar zu besseren Menschen.
Dinge lernen, die zu gar nichts nütze sind, die weder der herrschenden Staatsideologie noch der Wirtschaft noch der Selbstoptimierung dienen. Dinge, die einfach nur Augen und Ohren öffnen und die Gehirnzellen auf Trab bringen. Dinge, die zu unserem kulturellen Erbe gehören, die Freiheit des Denkens anregen, das Bewusstsein für Schönheit wecken – in Sprache, Musik, Bildern und auch in mathematischen Gleichungen und in der Eleganz von Beweisführungen. Ist das nicht doch emanzipatorischer, als darauf zu schielen, was Staat und Markt gerade so brauchen? Und ist es nicht doch auch langfristiger? Wo sonst als in der Schule kann man sich den Luxus leisten, scheinbar unnützes Wissen zu sammeln?
„Non scolae, sed vitae discimus“ – was das „Leben“ zu fordern scheint, das kann schnell obsolet werden. Schülerinnen und Schüler sollten vor allem das Lernen lernen. Und diese Erfahrung trägt dann im Idealfall ein Leben lang. Das honorige, inzwischen ein bisschen verwelkte humanistische Bildungsideal ist dafür eine ordentliche Basis und wird nicht gleich zu Grunde gehen, wenn es durch ein paar praktische und zeitbezogene Lerninhalte ergänzt wird – auch wenn manche davon später völlig abstrus erscheinen.
Als ich im Westen ankam, habe ich mich über Miete, Steuern und Versicherungen selbst schlau gemacht. Und ich bin sicher: Naina kann das auch.
Was nützt uns die Schule?
s. Gegenwartgeschehen.
MfG
W.H.
P.S.
Der Mensch von heute: das dümmste Lebewesen, das die Erde hervorgebracht hat: Er kriecht mit seinem Auto in der Großstadt wie eine Schnecke, nimmt die Umweltgifte in sich auf wie ein Staubsauger und ist obendrein noch stolz auf das, was er zustande gebracht hat.
John B. Priestley
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
Albert Einstein
Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.
Albert Einstein
Der Reife-Grad der humanen Vernunft der Menschheit, bestimmt den Grad ihres humanen Sein…von Erde-Paradiesgrad bis Erde-Höllengrad.
Die, für den scheinbaren Frieden, notwendige Menge der
Gesellschaftsicherheit erhaltenden Gesetze, Regeln, Soldaten…
ist umgekehrt proportional der wirklich Nöte wendenden Menge
Vernunft-Bildung.
Solange im deutschen Bildungsbürgertum "Ich war schon immer schlecht in Mathe"
als Auszeichnung getragen wird, kann eine Fokussierung auf MINT Fächer weder schaden noch übertrieben sein, geschweige denn, zu einer neoliberalen Zurichtung geführt haben (“neoliberal” ist mit “unsozial” das exakte Gegenstück zum christlichen “böse” und wird auch genauso reflektiert verwendet …) . Für mich sollte jemand, der ausserstande ist, Statistiken zu lesen und zu interpretieren, bei Diskussionen immer dann die Klappe halten, wenn es um generalisierende Aussagen über Gruppen von mehr als einer Person geht.
Sonst hat die Autorin ebenso Recht wie Unrecht zugleich. Denn selbstverständlich ist es völlig richtig, dass jemand, der lesen, rechnen (und denken!) gelernt hat, sich alles andere selbst aneignen kann. Nur ist es eben deshalb weitgehend egal, an welchem Fächerkanon genau er das lernt :-).
Wissen ist ohnehin ungleich Einordnen oder Überblick. Nur sind meine früher nicht vorhandenen Zweifel daran erheblich gewachsen, ob man dieses Einordnen und Einbetten in grössere Zusammenhänge wirklich lernen kann (und selbst wenn – mit welchem Schulfach?) oder ob es sich um eine angeborene Fähigkeit handelt. Früher hätte ich daher Geschichte für unabdingbar gehalten, heute nicht mehr.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sehr geehrter Herr Haupts,
es geht überhaupt nicht darum, MINT-Fächern ihre Berechtigung
abzusprechen. Natürlich sollen Schüler und Schülerinnen rechnen können!
Schule sollte aber nicht nur danach fragen, „was bringt das nun konkret?“,
sondern schlichtweg Bildung anbieten – so umfassend und so unabhängig wie
möglich. Das ist – bei allen Anforderungen – immer auch ein Stück
Freiheit, das Schule haben und sich nicht nehmen lassen sollte.
Einordnen und Einbetten in größere Zusammenhänge lernt man natürlich nicht
nur in einem Schulfach, sondern idealerweise in allen. Geschichte ist
schon mal ein guter Anfang.
Viele Grüße
Carmen Gräf
Geehrte Frau Gräf, ich stelle vergnügt fest, dass wir nicht soweit auseinander sind.
Mich freut besonders, dass Sie darauf bestehen, dass Schüler rechnen können – viele Gymnasial-Abgänger in meiner Alterskohorte (1960 plus) können das nur bedingt und häufig schlechter als Realschulabsolventen.
Ich habe eben nur berechtigte Zweifel daran, dass ich für die wirklich grundlegenden Fähigkeiten, die jede Schule vermitteln sollte – Lesen, Schreiben, Rechnen, Denken – ein humanistisches Bildungsideal brauche. Nur als anekdotisches Beispiel: Ich selbst bin über Politik zur Philosophie gekommen und habe mich genau deshalb, weil ich ein massives Eigeninteresse hatte (die Linken schwatzten immer so ein theoriegtränktes Zeugs), intensiv über einige Jahre damit beschäftigt. Das hätte ich auch getan, wenn der Fächerkanon an meinem (humanistischen) Gymnasium statt “Deutsch, Mathematik Geschichte, Erdkunde, Latein, Fremdsprache, Naturwissenschaften, Kunst, Musik, Sport” beispielsweise “Deutsch, Mathematik, 3 Fremdsprachen, Informatik, Medien, Steuerrecht, Politik, Kauf- und Schuldrecht” gewesen wäre.
Und ich sage das ausdrücklich, obwohl ich persönlich Geschichte höher schätze, als alles andere, was man lernen kann.
Gruss,
Thorsten Haupts
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Mittlerweile ist die Nützlichkeitsmaxime ja bis zum Master-Abschluß (einschließlich) zum Standard geworden. Allenthalben wird das Lob des Expertentums gesungen, wobei ich immer den Eindruck habe, das sei nur eine “elegante” Methode der Unternehmen, sich vor der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung zu drücken. Das paßt auch dazu, daß der größte Gewinn oft in einer “Optimierung” und Perfektionierung gesehen wird.
“Wir bauen die besten Autos der Welt” – nur, sind das auch diejenigen, die die Welt braucht (spätestens morgen)? Und wozu brauche ich einen aufs Optimieren geschulten Fachidioten (pardon: Experten), wenn einen großen Teil davon das CAD-Programm sowieso besser erledigt? Aber wer kann dann das, was CAD nie leisten wird: eine neue Idee haben oder durch eine geschickten Verknüpfung von Vorhandenem etwas Neues erzeugen? (Beispiel Apple)
Und was ist mit der Anmerkung von G. Ch Lichtenberg: “Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.” ?
Es geht doch gar nicht um "Nützlichkeit",
sondern vielmehr um kommerzielle Verwertbarkeit. Und die hat eine kurze Halbwertszeit. Auf diese Weise werden die Menschen gezwungen, sich immer wieder neu in Frage stellen zu lassen. Statt ihr Wissen konsequent zu vertiefen, lernen sie immer wieder neue Kunststückchen, und wenn das Verwertungsfenster dafür vorbei ist, wieder die nächsten. Eine grundsolide Schulbildung steuert dagegen: Man fängt nicht immer wieder von vorne an, sondern man knüpft an etwas an, das Bestand hat. Der alte Fächerkanon hatte seinen Sinn, ganz einfach.
Humanistische Zeitverschwender
Wenn ich einen Schüler zwinge, etwas zu lernen, dann sollte es etwas sein, dass für ihn nützlich ist, das ihn weiter bringt, i.d.R. etwas, das ihm ermöglicht Geld zu verdienen, das er zu den Zwecken ausgeben kann, die er für sinnvoll hält. Also Informatik, BWL und Jura statt Kunst, Musik und Sozialkunde.
Solange das Bildungssystem die junge Generation dazu zwingt, etwa zu lernen, was für sie völlig unnütz ist und von ihnen noch dazu als vollkommen langweilig empfunden wird (Altgriechisch) und sie dafür mit einer tollen mündlichen Note noch dafür belohnt, sich dann trotzdem ganz motiviert zu beteiligen, erzieht es zu hörigen unmündigen Untertanen, die sich gewissenhaft jedem Befehl zum Blödsinn unkritisch unterwerfen. Für die Hörigsten, die bei jedem Blödsinnfach und Blödsinnslehrer eifrieg mitgemacht haben, gibt es als Belohung ein staatlich bezahltes Medizinstudium und wenn man das schafft sogar noch die Befugnis, in der Krankenhaushackordnung immer brav dem Oberarzt hinterherstiefeln zu dürfen. Dann endlich darf mal auch bald das erste mal nach unten treten.
Fällt es niemandem auf, dass die türkischen Einwanderern, die sich in unserem Bildungssystem nicht gerade positiv hervortun, viel mehr selbstständige Unternehmer gibt, dich sich trauen, einen eigenen Betrieb in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu leiten, während die gewissenhaften deutschen Akademiker, die alle Prüfungen des Bildungssystems mit Bravour absolviert haben, sich am liebsten bei nem Konzern oder noch lieber im öffentlichen Dienst auf ner Beamtenstelle unterschlupf suchen?
Und warum ist wohl die Geburtenrate in Deutschland so niedrig? Vielleicht weil die Deutschen damit beschäftigt sind, sich Jahrelang im Bildungssystem irgendwelchen humanistischen Blödsinn ins Hirn zu kloppen, bevor mit echter Arbeit und echtem Geldverdienen anfangen.
Wieso hassen wohl soviel humanitisch gebildete Akadmiker den “Kapitalismus” so sehr, also das echte Leben jenseits staatlicher Prüfungsordnungen, staatlicher Anwesenheitspflichten und staatlicher Einkommen? Vielleicht weil das, was sie im Bildungssystem gelernt haben, sie vielleicht als irgendeine Art “Elite” fühlen lässt, sie aber dennoch im echten Leben nicht weit mit ihrem elitären Humanismus kommen?
Dieses Land geht an (ein-)gebildeten kinderlosen Akademikern, die im öffentlichen Dienst von Steuergeldern leben und gegen den Kapitalismus hetzen, weil er ihre ach so elitäre humanistische Bildung nicht zuschätzen wisse, zugrunde, wenn wir das Bildungssystem nicht bald umbauen. Aber genau das wird am Widerstand eben dieser Akademiker scheitern. Gute Nacht Deutschland.
Was ist nützlich?
Ihre Argumentation basiert darauf, daß ausschließlich das Geldverdienen “nützlich” ist und daß daher die Schule alles tun muß, um dies in möglichst hohem Maße zu gewährleisten. Auf dieser Basis war die Schule noch nie besonders gut – nicht nur bei Einwanderern, sondern auch sonst ist man entweder Akademiker oder Firmenchef, aber relativ selten beides (die nachträglichen Dr. h.c. zählen da nicht).
Die Frage ist allerdings, ob wir solch eine Gesellschaft insgesamt haben wollen?
Lernen lernen
Sehr geehrte Frau Graf,
in Ihrem sehr anschaulichen Artikel, dessen Inhalt ich auch weitgehend teile, verwenden Sie zum Schluss leider eine jener hohlen Floskeln, die in unserer Bildungsdebatte eine prominente Position einnimmt: Schueler sollen “… vor allem das Lernen lernen”.
Dieser Satz unterstellt, dass erstens eine Beschaeftigung mit einem Werk der Hochliteratur oder der Erwerb einer alten Sprache nicht das Lernen beibringe. Und weil das so ist, muesse das lernen des Lernens in eigenstaendigen Unterrichtseinheiten mit eigener Methodik gelehrt werden.
Der Erwerb jedweder Sprache aber lehrt das Lernen: man lernt Ausdauer zu haben, man lernt, dass Ueben zum Erfolg fuehrt, man lernt, dass Lernen in kleinen Schritten erfolgt und das neue Wissen auf vorhandenem aufbaut, man lernt systematisches Vorgehen beim Lernen, man lernt mit Niederlagen umzugehen und mit Freude am Erfolg. Ist das nicht genug gelerntes Lernen?
Und zudem koennte man, wenn heute Sprachen noch mit der Lehre von Grammatik und Vokabelbueffeln, mit Lesen und Schreiben fremdsprachiger Texte verbunden waere am Ende des Gymnasiums fliessend eine Fremdsprache sprechen und schreiben. Und das ganz ohne Nachhilfe. Was fuer den einzelnen Schueler den Vorteil haette, sich mit Menschen dieser Sprache unterhalten zu koennen, an ihrem kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Dialog teilzuhaben. Ist das nicht ein schoener Nutzen, den Schule stiften koennte?
Herzliche Gruesse,
Joachim Brunold
Sehr geehrter Herr Brunold,
im Gegenteil! Ich bin ganz Ihrer Meinung: Das Lernen lernt man am am besten, indem man es tut und nicht durch methodische Theorien. Genau das schreibe ich doch: “Schülerinnen und Schüler sollten vor allem das Lernen lernen.(…) Das honorige, inzwischen ein bisschen verwelkte humanistische Bildungsideal ist dafür eine ordentliche Basis.”
Nebenbei: Wenn Naina behauptet, Gedichte in vier Sprachen analysieren zu können, muss sie drei Fremdsprachen schon sehr gut beherrschen. Das tun die meisten Gymnasiasten in Deutschland nicht – leider!
Herzlich
Carmen Gräf
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Sehr geehrter Herr Haupts,
Politik ohne Geschichtsbewusstsein ist gefährlich. Geschichte sollte deshalb unbedingt weiter zum Kanon gehören, denn sie liefert eine gute Grundlage für Sozialkunde und Politik. Wenn der Politiklehrer/die Politiklehrerin einen munteren Hang zum Theoretisieren und Philosophieren mitbringt, kann das nicht schaden. Vielleicht lohnt es sich aber auch bei der Gestaltung der Lehrpläne – ähnlich wie das manche Privatschulen heute schon tun – nicht mehr so sehr in Fächern, sondern in Themen zu denken.
Beste Grüße
Carmen Gräf
Ihnen ist schon klar, dass die Betonung eines Faches im klaren Widerspruch
zu der Begründungslinie Ihres Blogartikels steht? Entweder ist es wichtig, dass die Schule bestimmte Fähigkeiten vermittelt (dann ist es egal, an bzw. in welchem Fach genau). Oder es ist eben doch wichtig, welches Wissen über die Grundfähigkeiten hinaus vermittelt wird. Dann müssen Sie das gegen Begründungen für den Wert anderer Fächer verteidigen. Und dann kann Naina völlig zu recht fragen, warum sie nicht über Miete und Steuern in der Schule unterrichtet wird und sich das Geschichtswissen bei Interesse später selber aneignen kann.
DIESE Debatte interessiert mich nicht mehr, ich kenne die Verteidigung der humanistischen Bildung in gefühlt 1.000 Varianten. Und halte sie mittlerweile zwar für falsch, nur nicht falsch genug, sich in irgendeiner Weise dagegen einzusetzen. Es spielt letztlich keine Rolle, die Interessierten und Intelligenten finden ihren Weg selber.
Gruss,
Thorsten Haupts
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Herr Haupts, warum denn so aggressiv? Meinen Sie nicht auch, dass es einfacher ist, sich nach der Schule den Durchblick in Sachen Steuern, Miete und Versicherungen zu verschaffen (zumal man da auch auf das Beratungsangebot von Fachleuten vertrauen kann) als sich ein solides Geschichtswissen anzueignen? Letzteres ist nicht lebensnotwendig, da haben Sie Recht! Muss es auch nicht, das ist mein Punkt! Warum, habe ich bereits erörtert.
Ihnen ist schon klar, lieber Herr Haupts,
dass sich die verschiedenen Fächer auch und vor allem durch die ihnen innewohnende grundsätzlich verschiedene Methodik unterscheiden, die verschiedene Sichtweisen auf die(selbe) stoffliche Welt vermitteln …?
Aber ganz recht, die humanistische Bildung – diejenige, die dazu geführt hatte, dass Deutsch zur führenden Wissenschaftssprache wurde, dass viele Nobelpreise nach Deutschland vergeben wurden – die ist bestimmt falsch (ganz zu schweigen von der traumhaft niedrigen Analphabetenquote!) Und die Intelligenten finden ihren Weg selber? Sie meinen wohl – die Aggressiven? Die Intelligenten treten wohl eher die Nachfolge von Kaspar Hauser an … bzw. die von Dürrenmatts Physikern.
Naina hat doch Recht
Der Artikel hat einen Logikfehler: Er argumentiert für das Lernen der “gar nicht zu nützen” Dinge, die aber “uns … zu besseren Menschen” machen sollen.
Niemand wird sich gegen Unterichten, das uns zu besseren Menschen macht, stellen, da es offensichtlich nützlich ist. Das Problem, das von Nainas Tweet als
Hilfeschrei kommt, ist, dass viele wichtige Sachen von dem veralteten Bildungssystem ignoriert werden. Auch, dass manchmal mit anderen Sachen
übertrieben werde. Jetzt wirklich, wie könnte es so wichtig sein, so tief in die Mathematik zu gehen, bis man die Differential- und Integralrechnung beherrscht?
Gleichzeitig werden die Grundkonzepte von steurlichen Systemen vernachlässigt. Es geht nicht darum, eine/n Steuerberater/in aus jedem/r Schüler/in zu machen, sondern es geht um Grundsätze wie z.B. was ein Progressionsystem ist oder wie ein Sozialvertrag das Steuersystem wiederspiegelt. Ich finde auch wichtig, dass alle von uns Rechtsgrundwissen, das bei normalen sozialen Interaktionen wie Mietverhältnissen zur Anwendung kommen, haben. Vielleicht wenn man in der Schule etwas über politische Systeme lernt, wird auch die Wahlbeteiligung größer.
Es geht weniger um genaues Fachwissen, das zeitlich begrenzt ist. Es geht um Modelle von Weltanschauung, die unser modernes Leben betreffen. Es geht darum,
einen Geschmack mit erheblichen Facetten unserer Existenz anzubieten.
Und was die Fähigkeiten ,wünsche ich mir, dass sich die Schule auch um Rhetorik, Zeitverwaltung, Kommunikation, Teamarbeit u.ä. sich kümmert (was die
Englisch sprechende Welt als “soft skills” bezeichnet). Sie bringen uns viel, nicht nur in unserem professionellen Leben, sondern in unseren Familien und
individuellen Projekten. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Naina auch glücklich wäre, wenn die Schule ihr damit helfen würde.
Theoretisch könnten alle Fächer auch von jede/r Schüler/in alleine erlernt werden. Das Grundwissen, das jede/r Bürger/in haben sollte (z.B. das o.g. Steuer- und Rechtswissen), um erfolgreich in unserer Gesellschaft teilzunehmen, sollte die Verantwortung der Schule sein.