Ich. Heute. 10 vor 8.

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Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

Wo bleibt meine eigene Künstlergattin?

| 2 Lesermeinungen

Frauen und Fliesen, Norden und Süden, Leonardo und Leonarda – das Leben beantwortet seine eigenen Fragen.

Adriana Molder, The Invisible Adventure I, 2015, acrylic on canvas, 210 x 190 cm.Adriana Molder, The Invisible Adventure I, 2015, acrylic on canvas, 210 x 190 cm.

Nach Frankreich

„Ich lebe zwischen Lissabon und Berlin“, antworte ich. Woraufhin er mich fragt: „Ach, du lebst in Frankreich?“ Ich hätte belustigt sein können über diese präzise Lokalisierung, doch geriet ich bei seiner Antwort ins Nachdenken. War Frankreich der Ort, wo Norden und Süden aufeinandertrafen? Vielleicht. Doch dann erinnerte ich mich daran, wie eine Freundin mir von ihrer ersten Vernissage erzählte, bei der sie zahlreiche Komplimente für ihr „blendendes Aussehen“ bekommen hatte, aber kein einziges für ihre Kunst … Ich würde sagen, das entspricht eher dem Alltag einer weiblichen Künstlerin im Süden als im Norden.

 

Nomadin oder Schwalbe

Lissabon und Berlin. Das Licht und die Dunkelheit. Ich brauche beides in meinem Leben und für meine Arbeit, für die Malerei. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was es bedeutet, in zwei Städten zu leben. Zunächst freute ich mich darüber, endlich zur Nomadin geworden zu sein. Ich rieb mir die Hände bei der Vorstellung, all meine Ängste und Neurosen, die mit der Sesshaftigkeit zusammenhingen, abstreifen zu können. Einige wurde ich tatsächlich los, aber bei weitem nicht alle. Deshalb wäre es auch falsch zu behaupten, ich sei eine Nomadin, ich fühle mich viel eher wie eine Schwalbe. Wenn der Winter in Berlin einzieht, fliege ich nach Lissabon und kehre erst im späten März zurück. Ich habe die Dynamik, die aus den zwei verschiedenen Lebensweisen resultiert, immer noch nicht vollständig verinnerlicht. In beiden Städten habe ich die gleiche Routine und gehe fast jeden Tag ins Atelier. Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass meine Existenz durch das Hin- und Herreisen gewissermaßen geschrumpft ist, und das ist auch der Grund, warum ich dankbar bin für mein schwalbenhaftes Dasein.

 

Azulejos

Ich liebe Märkte und kann ihnen nicht widerstehen. Ich laufe so lange herum, bis ich etwas Besonderes gefunden habe. Es ist wie die Arbeit einer Detektivin, eine kleine Schatzsuche: ich weiß, dass der Schatz da ist, ich muss ihn nur finden, schnell sein und verhandlungssicher.

In Lissabon jedoch muss ich mitansehen, wie die Touristen alte azulejos erwerben. Sie wissen nicht, dass diese azulejos gestohlen wurden. Ich will sie warnen, die freundlich aussehenden Bio-vegan-Touristen, die von unseren schönen Fliesen geblendet werden. Sie würden nicht im Traum darauf kommen, dass ihre kleinen Schätze in der Nacht zuvor von den Lissabonner Häusern herausgeschlagen wurden. Ich beobachte sie. Sie werden niemals verstehen können, wie groß das Elend ist, das einen dazu bringt, die eigene Herkunft zu bestehlen.

 

Der Supermarkt

Ich gehe gern in den Supermarkt, schließlich handelt es sich dabei auch um eine Art Markt. Doch in den Berliner Supermärkten herrscht der größte Stress. Brauche ich länger als fünf Sekunden, um zu bezahlen, werden alle richtig ärgerlich und machen Atemgeräusche wie zischende Katzen. Gott behüte, dass ich den Warentrenner vergesse. Die Leute bekommen sofort Angst, sie müssten womöglich für meine Lebensmittel aufkommen.

Wir leben in der Stadt, weil wir uns gerne mit anderen Menschen umgeben. Warum sind wir nur immer so genervt? Es sollte ein Vergnügen sein, in den Supermarkt zu gehen und kein Kampf. Zumal wir dort inzwischen wirklich alles finden, was wir benötigen. Ist das nicht ein Segen?

 

Keine Scham

Es ist nicht einfach, eine Künstlerin, eine Malerin, eine figurative Malerin (ich male Gesichter) zu sein. Die Malerei ist sowohl im Norden als auch im Süden ein männliches Metier. Manche zweifeln die Malerei sogar grundsätzlich an. Sie sagen, sie sei überflüssig, tot – andere sprechen über ein Revival, eine Renaissance oder einen Triumph der Malerei. Malen ist ein bisschen wie Singen, Kochen, Schreiben oder Ficken. Ich habe das Gefühl, die sogenannte zivilisierte Welt geht diesen Tätigkeiten immer seltener nach. Und doch malt jedes Kind, wir alle haben es getan, es ist ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen zu malen und zu zeichnen. Es ist auch ein Privileg für mich, frei über meine Zeit zu verfügen, das tun zu können, was ich liebe und mich nicht dafür zu schämen. Ich sehe es als Privileg, in Unsicherheit zu leben, und ich nehme dieses Privileg an.

 

Eine Frau unter Männern

Eine Künstlerin unter Künstlern. Meine Erfahrung: spreche ich unter vier Augen mit einem männlichen Kollegen, läuft alles gut, beide gehen aufmerksam und respektvoll miteinander um. Doch in dem Moment, in dem ein weiterer Künstler dazu stößt, höre ich auf zu existieren. Wenn Männer interagieren, sind sie zu beschäftigt damit, miteinander in Konkurrenz zu treten und schließen Frauen automatisch aus, als würden diese gar nicht mehr existieren. Wie soll ich mich da verhalten? Was tun?

 

Was meine männlichen Kollegen über mich denken

Was sollen wir mit dieser Frau machen, denkt die Gruppe von Männern in Lissabon, sie will zu uns gehören, aber was sollen wir mit ihr anfangen, wir reden ganz anders, wenn sie zugegen ist, sie ist niemandes Ehefrau, sie hält sich nicht an die ihr zugeschriebene Rolle, was sollen wir bloß mit ihr machen?

 

Feministin

Feministin, ein schwieriges Wort im Süden … Die meisten Frauen haben Angst davor, als Feministin bezeichnet zu werden, denn eine Feministin ist ein „Mannsweib mit Schnauzbart und haarigen Beinen, das Büstenhalter verbrennt und Männer hasst“. Aber nein, meine Ladies! Feministinnen sind wir alle, all diejenigen von uns, die aus ihrem Leben etwas machen, die wissen, wo sie hinwollen, was zu tun ist, und die niemals aufgeben.

 

Die Künstlergattin

Ich wünschte, ich hätte eine! Meine eigene Künstlergattin, die in meinen dunkelsten Stunden, wenn ich von Zweifeln erfüllt bin, an meiner Seite steht. Die mit religiösem Eifer all meinen Obsessionen und Neurosen folgt; die zu Hause bleibt, wenn ich mit Freunden ausgehe (es ist gut für meine Kreativität, unter Leuten zu sein); die mich ins Bett bringt, wenn ich nach Kunstpartys betrunken heimkehre; die meine Kinder großzieht, während ich herumlaufe und meine Kunst anpreise; die meine Arbeit verteidigt und stolz auf mich ist; die mich „meine Leonarda da Vinci“ nennt. Oh, meine Künstlergattin, wo bist du, ich brauche dich!

 

(Aus dem Englischen von Lina Muzur)

 


2 Lesermeinungen

  1. mariedt sagt:

    ...eine Künstlerin, eine Malerin, eine figurative Malerin...
    (manchmal) von “Zweifeln” geplagt, von “Zwei-Fel”der”n”…
    die “Zwei-Feld-Dern”…auf der Suche nach einer Gattin.
    Vielleicht kann ich helfen…als Künstler, Maler…konfigurativer Male”r”.
    “Male” in Fe”male”…
    DIE Intelligenz (der I-Geist…”G”(Dschi-male)…traut sich…
    DIE Emotion (der E-Geist…”G”(Dsche-male)…zur geistigen
    (Fi(ck)”g”(urations)ehe”) “Ver-Trauung” zu “ver-führen”.
    Eine “Homo-Lesben-Kreuz-Paar-Ehe”…quasi…
    “doppelt-dual-reziprok-pari-paarig”…gemischtes Doppel.
    Die (“Synthese”-)Kinder(kind = Art = art = Kunst)…
    sind intelligent auf emotionaler Basis und
    emotional auf intelligenter Basis…2 x “V”er-nunftkinder…
    “V” X “V” = “W”…also eine “V”ernunftehe die zur “W”(eisheit) führt…
    konfigurative Kunst mit transparenten “G”-Farben auf transparentem “G”rund.
    Schwer zu sehen, aber gut “wahr” zu nehmen…
    “lebenswegstylistische”…”kreativweisige”…”Kreaturwesen”…auf
    “G”-“R”atio-Tour”.

    Mit freundlichem “Michelle-Angelo”-Gruß,
    W.H.

    P.S. …nur ein “ver(tikal) zweifeldiger Quicki-Spaß-Kommentar”…
    vielleicht auch für verzweifelte Künstler-innen…Geist-heit(er?):=)

    • mariedt sagt:

      Männer interagieren, sind sie zu beschäftigt damit, miteinander in Konkurrenz zu treten
      Wie soll ich mich da verhalten? Was tun?…
      was sollen wir bloß mit ihr machen?

      DAS Wesen, die Wesen-Heiten der Energie…DER Energie-Geist, DIE Geist-Energie…DIE Spannung…DER Strom.
      DIE Stärke der Energie ist ihre Kraft.
      DIE Kraft der Energie ist ihre Stärke.
      Haben Sie oder Sie Kräfte und Schwächen…?
      ” ” ” “Stärken und Schwächen?
      Feminin…Maskulin…Muskelkraft…Pferdestärke…
      Innere Stärke…Äußere Kraft…
      Wir brauchen innere Stärke/Kraft?…um uns selbst zu besiegen.
      Dualitätparipaarprinzip…Gleichgewicht der Kräfte/Stärken?
      Die Frau…äußere Kraft(gewinnung) auf Basis innerer Stärke…
      Der Mann…innere Stärke(gewinnung) auf Basis äußerer Kraft(meiereien?
      Ying & Yang…Der jeweils reziproke, gegenteilige Kern im “Raum” des “Teiles”?…von der Vernunft zur Dummheit oder umgekehrt?
      Geistvernetzungssex…führt zum Gleichgewicht auf Teilen, wachsen…
      vernetzen. Gleichgewicht trotz Gegenteiliger Kerne durch Netzbildung.
      Intern….Extern…siehe Weltgeschehen.
      Wenn Kraft und Stärke eine Energie-HEIT, Gleichgewicht bilden,
      dann ist es “egal”(egalite) pari…Feminin, Maskulin.
      Vielfaltdifferenz…Vielfalt UNGleichgewicht…”Status-Quo”…
      des Gleichgewichts…3 ist einer zuviel?…reifeabhängig?
      Männliche Gespräche…Stärke gewinnen aus externen…
      Weibliche Gespräche…Kraft gewinnen aus intern…
      Nur das w/m “Evolutionsprinzip”…je “dichter” die Vernetzung,
      je komplexer die “Ganzheit”, die asymptotisch innere und äußere “Annäherung” an das “absolute” “Netz”Gleichgewicht…desto
      BE-ACHTENDER…Frau-Mann bei “Anzahl-Ungleichheit”.
      Inneres…Äußeres…komplexe Wechseldynamikvernetzung…
      Reifeweg.

      Wird die “geschlechtsspezifische “Geprächslage” zu schief…
      mangels resultierender Personen-Reife…und es bewirkt
      ein inneren Gleichgewichtsverlust….Psyche-Seelen-Schmerz…
      dann hat jeder das Privileg mit mehr oder weniger äußerer “Gleichgew.-Haltung” den “schiefen Kreis” zu verlassen.

      Gruß
      W.H.

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