Schlechte Zeiten für Fashionistas. Ob man nun politisch links oder rechts, feministisch oder nicht feministisch ist: Frauen, die modisch mit ihren Weiblichkeiten spielen, werden nicht für voll genommen.

Mode ist ein hartes Pflaster für eine dicke, linke Queerfeministin wie mich. Mit der Mode auf den herkömmlichen Runways kann ich mich nicht identifizieren – so elitär und normiert wie sie ist. Und das gilt nicht nur für mich. Denn jetzt mal ehrlich: Wer fühlt sich von den superschlanken, weißen Models mit ausdruckslosem Gesicht wirklich repräsentiert? Das kann beim bestem Willen nicht mal der Mainstream von sich behaupten. Außerdem ist diese Kleidung auch gar nicht für den Mainstream gemacht. Designerlabels transportieren Gefühle der Exklusivität und nicht der massentauglichen Kollektivität. Die gängige Kleidergröße sagt genug über die Nähe des Runways zur Realität aus: Entworfen wird für Größe 34, die Durchschnittsfrau in Deutschland trägt 42/44. Noch Fragen?
Der deutsche Mainstream zeigt sich so oder so nicht gerade modeaffin und geschmackvoll. Trotzdem wird er von lauter Normen durchdrungen. Schlank, weiß, nicht zu auffällig, bescheiden, aber nicht zu lässig, nicht zu sexy und nicht zu prüde soll die Frau von heute gekleidet sein. Eye-Candy, aber trotzdem ein bisschen unsichtbar. Die Chance, in dieses optische Muster zu fallen, ist ziemlich gering. Das ändert jedoch nichts daran, dass alle, die mit diesen Regeln brechen, sanktioniert werden. Die Folge sind oft psychische und physische Übergriffe in Form von Dickenhass, Rassismus, Klassismus und Sexismus.

Wer als Tomboy auftritt, wird in seine Schranken gewiesen. Auf übermäßige Weiblichkeit wartet der Tussi-Stempel. Dieser Stempel spricht mir, die ich mit femininer Mode spiele, Kompetenz und Intellekt ab. Ich werde also schon abgewertet, wenn ich mich bloß für Mode interessiere, da brauche ich noch nicht einmal die High-Heels aus dem Schrank zu holen.
Doch auch jenseits der Dominanzgesellschaft sind es schlechte Zeiten für Fashionistas. Linke politische Kreise reproduzieren die Normen ähnlich konsequent.Und so werden feminin gekleidete Frauen wie ich selbst von Kreisen, die den Anspruch haben, sich von Diskriminierungsformen wie Sexismus und Lookismus, also der Abwertung von Menschen mit normabweichendem Aussehen, zu befreien, abgewertet. Wissen, Haltung und politischer Aktivismus werden modeinteressierten Personen hier mal eben abgesprochen.
Diese Diskreditierung habe ich aber nicht nur in linken Kreisen, sondern auch in feministischen erfahren. Obwohl es als heiligstes Gut gilt, niemanden für sein Frausein zu diskriminieren, werden hier maskulin kodierte Merkmale aufgewertet, während die meisten feminin markierten Kleidungsstücke, Verhaltensweisen und Interessen wenig bis keine Anerkennung bekommen. Wer sich für Krawatten, Schnürschuhe und Hüte interessiert, wird in der Regel als geschmackvoll, dekadent und dandyhaft gelesen. Eine Vorliebe für gutes Make-up, Plateau-Schuhe oder Modeschauen hingegen gilt als „oberflächlich“, „künstlich“, „unwissend“ und „gehaltlos“. Ob eine Person gehört und respektiert wird, ist auch unter Feministinnen sehr wohl an ihr Aussehen und Auftreten gekoppelt. Das ist Lookismus in seiner simpelsten Form.
Ob man also nach links oder nach rechts schaut: Der Ruf der Mode ist weiblich und ziemlich beschissen.

Wenn das Interesse für Mode einerseits als narzisstisch und Männern unterwerfend – als sei Kleidung ausschließlich ein Werkzeug der Verführung und nicht des Selbstausdrucks – , andererseits als anti-feministisch und inhaltslos gelabelt wird, bleibt kaum noch Raum für einen vielfältigen Ausdruck. Der oft wiederholte Appell an junge Mädchen, sich selbst treu zu sein und sich nicht zu verstellen, ist mittlerweile nur noch eins: scheinheilig. Ich plädiere deshalb zum Mut zur Irritation. Was den Mächtigen ein optisches Störbild ist, ist genau richtig!
Doch es geht auch anders: Dieses Jahr wurde Tess Holliday, ein Model mit der Konfektionsgröße 52 bei einem der größten Labels unter Vertrag genommen. Das Londoner Warenhaus Selfridges initiierte das „Agender“-Projekt, eine genderneutrale Abteilung jenseits von Banalitäten. Die New Yorker Designerin Courtney Smith entwirft für ihr Label Rum + Coke Kleidung in jeder Größe, wählt für die Repräsentation aber nur dicke Frauen of Color – einfach, weil es auch ohne konsequent schlanke, weiße Models geht.
Sie sehen: Es gibt sehr viel Ermächtigungspotenzial innerhalb der Mode.