Ich. Heute. 10 vor 8.

Ich. Heute. 10 vor 8.

Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

Ich werde niemals schön genug sein, um mit dir schön sein zu können

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3 Gedichte

###© Jon Sullivan Public domain images 

Palmen sind in Los Angeles nicht heimisch

 

Ich liege auf dem Bürgersteig

des Venice Boulevards

und nehme die unfassbar große Entfernung

zwischen mir und der Straße wahr

 

Ich versuche mich in

zwei Betonplatten zu verwandeln

 

Ich bin ein kleiner Teil des Pazifiks

Im Vergleich zu mir ist alles riesig

 

Ich konzentriere mich auf die Leere

zwischen fast unsichtbaren Seeanemonen

die sich an die Unterseite des Anlegers klammern

 

Ich habe letzte Woche 3 Erdbeben gespürt

 

Es werden heute 23 Grad

 

Am Himmel sind genau 4 Wolken

 

Ich bin eine Einheit Substanz

die sich durch die Zeit bewegt

in dieser unfassbaren Geschwindigkeit

 

Was ich heute gegessen habe: Kaffee, Currygemüsezeug

aus dem Biomarkt, Pflaumen

 

Am wohlsten fühle ich mich unter Leuten, die mir Vorwürfe machen

Ich finde, wer mir nicht dauernd Vorwürfe macht, lügt

oder will mich irgendwie anders

Verrückt, dass man Geld braucht, um

drogensüchtig zu werden oder durchs Land zu ziehen

Ich bezeichne mich nicht als depressiv, obwohl ich mich depressiv fühle

Unfair, dass ich nur eine begrenzte Anzahl von Dingen in meinem Leben

fühlen kann

In letzter Zeit hege ich die Vermutung, dass Trockenfrüchte mehr

Kalorien haben als normale Früchte

Ich fühle mich wie 400 tote Quallen mitten auf der Autobahn

 

Liebeskummer von Menschen mit extremen

Persönlichkeitsschwächen

 

Ich wünsche mir Orgasmen in meiner Nasenspitze und auf der Rückseite

meines Ohrs

im Knorpelgewebe zwischen den Wirbeln meines Rückgrats

Würdest du mir zwei Stunden lang ohne zu blinzeln ins Gesicht starren

Wir stehen auf der splittrigen Holzveranda meines Geburtshauses

und sehnen uns nach dieser unerreichbaren Gefühlsdichte

kleine Gesten, die etwas Komplexes und Unbestimmtes andeuten

Ich werde dich überall küssen und leichtfertig sein

unter einem Avocadobaum in dem Loch, das ich im Garten meines Vaters

grub, als ich sieben war

Hier sind einige Dinge, die ich gern berühren würde

Schlüsselbeine, Kniekehlen, Adamsäpfel, die Zwischenräume von Fingern

Zusammen werden wir dieses unendlich schöne Gefühl haben

doppelt so zerbrechlich zu sein wie damals

Es wird sich anfühlen wie deine allererste Erkältung

als du zum letzten Mal Hustensaft mit Traubengeschmack im Mund hattest

Ein hellrosa Fieber

 

Aus dem Englischen von Jo Lendle

© Carl Hanser Verlag 2015


1 Lesermeinung

  1. MARTIED sagt:

    Selbstaufgabe mangels Selbstliebe oder Lebensmut raubende Wahrheit?
    Ich werde niemals schön genug sein, um mit dir schön sein zu können.

    Das absolute Maß der Schönheit Frieden ist die alleinige Raumenergie-Resonanz(frequenz) des Todes? Eigenresonanz, Selbstresonanz.

    Ich werde niemals…im Lebensraum…resonant genug sein,
    um mit dir resonant zu sein?

    Die Schönheiten der Künste liegen im (Resonanz-Geist-)Auge…
    der Betrachtenden. Deren Fähigkeit, mit dem Künstlergeist, in dessen
    Kunstschöpfungstiefennetz, resonant zu sein. Die Voraussetzung:
    Künstlertiefe dessen Spezialgebietes erreichen und resonant, oder eben nicht, zu sein?

    Wenn das Leben sich mit dem Tod schmückt, dann wird das Leben zum Schmuck für den Tod.
    Der Seelensehnsucht wahrnehmende Geist, im Vernunftreifeweg Leben, führt zur weisen Kunst, sich mit der Existenz Tod,
    dem Sein im Sein, als zeitloses Schwebesein des absoluten Friedesein,
    schon zu Lebzeiten begreifend zu versöhnen.
    Die weise Kunst für diese Seelensehnsucht, nach Friedesynthese zu „streben“, Geisteifesynthese erlebend, eine Lebenwegkunst lang, ein Leben-Tod Symbioseweg lang, lustvoll lebend zu „sterben“.

    Die Gefahr für den Künstler liegt in seiner Geisttiefe und ist die Möglichkeit der bleibenden Einsamkeit mit mutloser Verlorenheit in
    ihr; wenn er den möglichen Symbioseweg der angenäherten Resonanz nicht erkannt und akzeptiert hat, bevor er in die Tiefe seiner (Geist-)Kunst taucht. Viele Künstlersuizide geschehen aus diesem Grund…
    und andere. Resonanzkenntnismangel innen sowie außen.
    Eigen(frequenz)resonanz…Fremd(frequenzen)resonanz(en).
    Kunst kann auch ein Zeichen von Verlorenheit im eigene Geistraum
    bedeuten…fehlende Erdung, verlorene Erdung.
    Wer keine Tiefe-Follower hat wirkt außen manchmal als verrückt,
    weil der Geist in einer Tiefe vorgerückt ist in die keiner followen kann.
    Der Erdkontakt ist wichtig…auch für enthusiastische Betrachter.
    Die Kunst der Schönheit…die Schönheit der Kunst…Tiefenresonanzen…
    mehr oder weniger tief und mehr oder weniger resonant.

    Desiderata: Stärke die (Eigen-Resonanz)Kraft deines Geistes damit sie dich…in allen Räumen und allen Tiefen schütze.

    MfG
    W.H.

    P.S. Beitrags-Rückfall:=)

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