Die Erinnerung an das Tiananmen Massaker in China 1989 ist nun unter der Obhut der Literatur – und unter der Obhut einer neuen Generation Weiterlesen
Madeleine Thien

Es hat mich nicht überrascht, als die kanadische Schriftstellerin Madeleine Thien mir erzählte, dass sie zum 25. Jahrestag des Tiananmen Massakers nach Hongkong reisen würde. Sie sucht sich schwierige Geschichten und nimmt jede Mühe auf sich, um sie zu erzählen. Ihr Werk wurde in 18 Sprachen übersetzt und hat zahlreiche Preise gewonnen. Die deutsche Übersetzung ihres jüngsten Romans, Flüchtige Seelen, war auf der Shortlist des Internationalen Literaturpreises 2014. Wer ihre Texte liest, begibt sich in die Gegenwart eines scharfen Verstandes und eines großen Herzens. Hinter ihrer intellektuellen Neugier stehen moralische Kraft und Einfühlungsvermögen. Womit sie sich auch gerade beschäftigt – dem Völkermord in Kambodscha, der Totalüberwachung oder dem Leben von Einwanderern –, immer ist sie sensibel gegenüber Ungerechtigkeit und sucht denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst nicht gehört werden. Sie gibt uns das Gefühl, es sei ihr Privileg, uns zu kennen – aber tatsächlich sind wir die Beschenkten, die wir sie kennen, durch ihre Literatur und die Wirkung ihrer Person. (Priya Basil)