Nur wer dieses Zitat ganz langsam liest, versteht, was sich in den vergangenen sieben Jahren beim amerikanischen Computer- und Softwarehersteller Sun Microsystems verändert hat: „Die Menschheit muss gegen zwei Unternehmen kämpfen, nämlich gegen IBM Global Services und Microsoft. Und wir sind der Anführer der aufständischen Truppen.” Das ist ein Zitat von Scott McNealy, dem Mitbegründer von Sun, und es stammt aus dem Jahr 2002. Zu jener Zeit war McNealy noch Vorstandsvorsitzender von Sun. Wohlgemerkt: Nicht etwa nur Sun allein hatte damals nach seiner Ansicht gegen Microsoft und IBM zu kämpfen, sondern gleich die ganze Menschheit. Schon damals allerdings hatte der Anführer der aufständischen Truppen mit diversen eigenen Schwächen zu tun: Denn der Markt entwickelte sich weg von den Produkten des Konzerns, der die vielen Internet-Neugründungen zur Jahrtausendwende mit immer neuen Netzwerkrechnern (Servern) ausgestattet hatte. Daran hat sich bis heute nicht so recht etwas geändert – und inzwischen, so scheint es, sind die Gegner von einst gewillt, mit dem eindeutigen Verlierer Sun milde umzugehen.
Die Feindschaft zu Microsoft etwa wurde schon 2004 beerdigt. Und jetzt stand kein Geringerer als IBM sogar kurz davor, Sun vollständig zu übernehmen. Doch das war, jedenfalls im ersten Anlauf, dann doch wohl etwas zu viel für ein Unternehmen, das der heute 54 Jahre alte Scott McNealy einst in seiner Feindschaft zu diesen Antipoden definiert hat. Das Übernahmeangebot wurde zurückgezogen – und für IBM muss das keine schlechte Nachricht sein. Denn sollte es in einem zweiten Versuch dann doch gelingen, Sun zu kaufen, dürften die kulturellen Schwierigkeiten, die mit der Verbindung der beiden Unternehmen verbunden sein werden, sehr viel geringer ausfallen. Dann wird der Verkauf an IBM allen Sun-Mitarbeitern, den vierfachen Familienvater McNealy eingeschlossen, alternativlos erscheinen. Doch so weit ist es – noch – nicht.
Der Einfluss von McNealy auf die Kultur von Sun ist beträchtlich, stand er doch bis 2006 und damit 22 Jahre lang als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des Unternehmens und hat auch seither als in der Tat sehr „aktiver” (und weit reisender) Verwaltungsratschef erheblichen Einfluss auf strategische Fragen. Im Sun-Verwaltungsrat, so heißt es nun, hat es am Sonntag heftige Diskussionen gegeben. Dort gab es eine Gruppe um den eher pragmatischen, heutigen Vorstandschef Jonathan Schwartz, die den Verkauf an IBM auch zu etwas schlechteren Konditionen akzeptiert hätte, und eine andere Gruppe um McNealy, der das offensichtlich zu weit ging. IBM waren die vertraglichen Verpflichtungen zu Kunden zu vertrackt, die Aussichten im Umgang mit den Kartellbehörden zu ungewiss und die Abfindungen für die Sun-Führungsmannschaft zu hoch. Also musste der Übernahmepreis sinken – offenbar unter eine Schwelle, die McNealy und die Seinen bereit waren, zu akzeptieren. ermutlich werden sich der 43 Jahre alte Schwartz und McNealy wieder arrangieren: „Wir können unsere Sätze gegenseitig zu Ende sprechen”, hatte McNealy einst gesagt, als er sein Vorstandsamt Schwartz übertrug. Die beiden kennen sich lange, denn auch Schwartz arbeitet in verschiedenen Funktionen schon seit 1996 bei Sun – damals war ein Unternehmen, das er mitbegründet hatte, von Sun übernommen worden. Schwartz kennt sich also damit aus, was passiert, wenn ein Unternehmen, das einem am Herzen liegt, in einem anderen aufgeht. Eine solche Erfahrung fehlt McNealy bisher. Möglicherweise hat er etwas schneller als McNealy begriffen, dass die Evolution der IT-Branche Sun in die Arme eines Partners zwingt, und dass erst eine solche Mischung wieder Flexibilität zu einem Sprung nach vorn verschafft. Denn den Beweis, dass die zahlreichen lizenzgebührenfreien Softwareprogramme von Sun nachhaltig den Absatz von Sun-Computern oder Serviceverträgen gefördert hätten, ist auch Schwartz schuldig geblieben.
Übrigens ist auch der familiäre Hintergrund von Schwartz eine bunte Mixtur geographischer Herkünfte: Seine Mutter ist halb indisch und halb walisisch, sein Vater halb russisch und halb ungarisch. Und im Gegensatz zu vielen anderen Chefs von kalifornischen Technologieunternehmen wohnt Schwartz nicht in einer der vielen Nobelgemeinden im Silicon Valley, sondern im nahe gelegenen San Francisco. „Ich bin einfach ein Stadtmensch”, sagt er. Möglicherweise hilft das auch, einen weniger emotionalen Blick auf die Zukunft einer der Ikonen des Valley zu werfen. Denn es bleibt spannend zu hören, wie McNealy und Jonathan Schwartz diesen Satz zu Ende sprechen werden: „In Zukunft gehört Sun zu…”