Er ist eloquent, aber er sagte kein einziges Wort. Er ist stets präsent, doch dieses Mal war er gar nicht erst da. Er hat in Amerika auf großer Bühne den verkaufsfördernden Auftritt mit Showeffekt kennengelernt. Aber an dem Tag, an dem der deutsche Autohersteller Daimler endgültig die im Mai 1998 geschlossene Ehe mit dem amerikanischen Autoproduzenten Chrysler geschieden hat, überließ der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche seinem Finanzvorstand das (Miss)vergnügen, die Trennung den Mitarbeitern, Journalisten und Analysten zu erläutern.
Ausgerechnet der so profilierte Zetsche, der Deutsche, den so viele Amerikaner in der Werbung unter seinem Pseudonym „Dr. Z.” kennengelernt haben, der Mann, der Chrysler jahrelang in den Vereinigten Staaten an Ort und Stelle selbst geführt hatte, blieb dem endgültigen öffentlichen Scheidungstermin fern.
Dabei wäre dieses unternehmenshistorische Datum, das Ende des Milliardendesasters Chrysler, längst nicht der einzige Grund gewesen, am Dienstag dieser Woche höchstselbst mit breitem Kreuz, hoher Stirn und auffälligem weißem Schnurrbart an die Öffentlichkeit zu treten. Denn auch das gemeinsam mit der (noch einmal teuren) Scheidung verkündete Sparprogramm für die verbliebene Daimler AG hat es in sich: Den Beschäftigten des Konzerns wurden von Zetsche und seinen Kollegen Zugeständnisse im Volumen von 2 Milliarden Euro abgerungen; insgesamt sollen die Kosten um 4 Milliarden Euro gedrückt werden. Jetzt, inmitten der Krise, gilt also endgültig die Devise „sparen, sparen, sparen”. Denn auch die Quartalszahlen, die ebenfalls Bodo Uebber neben Scheidung und Sparprogramm vorzutragen hatte, sind desolat ausgefallen. Hoffnung auf eine kurzfristige Besserung besteht nicht.
Zetsche und seine Berater ahnten gewiss, dass mit solchen Nachrichten für den in Istanbul geborenen und beruflich weitgereisten Chef kein Schönheitspreis zu gewinnen ist. Vielleicht gab es die Hoffnung, die Botschaften würden durch einen Verkünder, der eine Hierarchiestufe unter Zetsche angesiedelt ist, wenigstens etwas von ihrer Brisanz verlieren. Vielleicht dachte man auch, dass ein wenig „Business as usual” beruhigend wirken könnte. Aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen, jedenfalls nicht auf dem Börsenparkett. Im Tagesverlauf stand für das Daimler-Papier ein Kursminus von mehr als 7,5 Prozent zu Buche.
Dieter Zetsche und die neue E-Klasse. Foto: Daimler
An solchen Tagen melden sich dann gern einmal alte Wegbegleiter von Zetsche, die fragen, was der gelernte Ingenieur in seiner bisherigen Karriere denn eigentlich konkret an zukunftweisenden Leistungen vorzuweisen habe. Das ist von den betreffenden Managern durchaus böse gemeint: Häufig seien doch Dinge, die Zetsche vermeintlich aufgebaut und erfolgreich saniert habe, später wieder in sich zusammengefallen, wird von ihnen argumentiert. Und wenn, dann lägen Zetsches Leistungen doch ausschließlich im Abbau von Kosten, weniger aber in der Erschließung neuer Umsatzquellen. Was daran stimmt: Zetsche ist zu diversen Vorstellungen neuer Autos wahlweise mit Gitarre und/oder Lederjacke/Rucksack/Fahrrad aufgetreten/auf die Bühnen in Detroit/Frankfurt/Genf gefahren – und hat dabei manchen kurzfristigen Knalleffekt gehabt. Zu Verkaufsrennern wurden viele dieser Autos bei aller Hemdsärmeligkeit des gern auch jovialen Chefverkäufers dennoch nicht.
Und wahr ist auch, dass sich derzeit nicht recht sagen lässt, wofür (nicht wogegen) der 56 Jahre alte Familienvater Zetsche bei Daimler jenseits des Zurechtstutzens auf die Kernmarken eigentlich steht. Die wegweisende Partnerschaft mit einem anderen großen Volumenhersteller, etwa in Einkauf und Entwicklung zum Beispiel mit BMW, hat Zetsche – bisher – jedenfalls nicht präsentieren können. Ein Automodell mit ganz großem Aha-Effekt ist unter seiner Daimler-Ägide auch noch nicht zu den Händlern gerollt. Und die soeben gewonnenen Geldgeber aus der arabischen Wüste leiten eben vor allem aus den vergangenen Leistungen der großen Marke Mercedes ab, dass das Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein wird.
Auf der Hauptversammlung des Konzerns in Berlin monierten die Aktionäre erst vor wenigen Tagen, das Stuttgarter Daimler-Management treibe nicht den Wandel an, sondern der Wandel das Management. Für Dieter Zetsche und seine Mitarbeiter gilt es, möglichst schnell den Gegenbeweis dieser These anzutreten.