Was war das für ein Theater: Als der Softwarekonzern Microsoft Yahoo kaufen wollte, fühlte sich der damalige Yahoo-Vorstandsvorsitzende Jerry Yang in seinen Kreisen gestört, wollte sich seine lila Yahoo-Bauklötzchen nicht wegnehmen lassen – und schmollte. Mancher konnte seinen vielleicht sogar angeborenen Schmollmund auf den immer wieder von ihm gedruckten Bildern schon nicht mehr sehen, da sagte sein Gegenüber von Microsoft, der dortige Vorstandsvorsitzende Steve Ballmer: “Dann eben nicht.”
Schluss mit den Kindereien
Und der Yahoo-Aktienkurs stürzte in die Tiefe. Der Yahoo-Mitbegründer Yang hat die Unternehmensführung im Januar an die 60 Jahre alte Carol Bartz abgegeben – und die ist sogleich ihrem Ruf treu geblieben, eine Managerin zu sein, die für Kinderkram keinerlei Verständnis aufbringt. Vielleicht hat Bartz dafür auch schon zu viele Schicksalsschläge erlebt. Früh verlor sie im Alter von 8 Jahren ihre Mutter, viel später wurde Brustkrebs diagnostiziert. Stets hat sie gekämpft und gewonnen, beruflich und privat. Gerede über die Frage, wie schwer es für eine Mutter sei, Erfolg im Beruf und in der Familie unter einen Hut zu bringen, hält sie für überflüssig: Es sei ohne weiteres möglich, beides zu schaffen.
Sie darf das sagen. Bartz ist Mutter von drei Kindern. Ihr Mann hat zwar mächtig geholfen, dafür seine eigene Karriere aber ebenfalls nicht an den Nagel gehängt. Zu Yahoo kam Bartz mit markigen Worten und einem eisernen Besen im Gepäck. Dem Ausfegen fielen manche Führungskräfte zum Opfer. Yahoo könne “ein wenig Management gebrauchen”, stellte sie früh fest. Irgendwelche Internet-Visionäre an ihrer Seite brauche das Unternehmen nicht, dafür sei sie selbst klug genug. Vor allem war und ist Bartz pragmatisch genug, um den Gesprächsfaden mit Microsoft und Ballmer unbelastet wiederaufzunehmen, so wie es maßgebliche Yahoo-Aktionäre immer gefordert hatten.
Mehr als nur ein Flirt
Das hat zum Ziel geführt, auch wenn sich Ballmer zur Verkündung des Abschlusses der Partnerschaft in der Internet-Suche und -Anzeigenvermarktung anhören musste, dass das miteinander Flirten und sich verabreden das eine, die feste Partnerschaft das andere sei. Hier müssen sich Unternehmenskulturen aneinander gewöhnen.
Ballmer, der ebenfalls drei Kinder hat und mit Bartz die Herkunft aus der Mitte Amerikas sowie die Vorliebe für offene Worte teilt, vermittelte in der entsprechenden Telefonkonferenz aber glaubwürdig den Eindruck, willens zu sein, seinen Teil zu einer harmonischen Beziehung beizutragen. Und Ballmer ist stets ein offenes Buch – er lässt Zuhörer ohne Zwischentöne wissen, ob er sich über eine Entwicklung freut oder ärgert. Jetzt darf er sich freuen: Denn Microsoft kommt nach langem Anlauf mit der im Kampf gegen Google so wichtigen Suchtechnologie und Anzeigenvermarktung einen großen Schritt weiter. Das wird eine Genugtuung für Ballmer sein, auch, weil Google ihn jüngst mit der Ankündigung eines eigenen Betriebssystems gereizt hat, das dem Microsoft-Produkt “Windows” Konkurrenz machen soll. Darauf Ballmer in der für ihn typischen Art: “Wer weiß eigentlich, was das für ein Ding ist?” Und so gibt er Googles “Chrome” keine Chance. Indes: Einst sagte Ballmer auch dem iPhone von Apple keine Marktchancen voraus. Das hat sich anders entwickelt. Seine Kampfeslust hat das eher noch gesteigert. Und auch Bartz hat zu ihrem Amtsantritt angekündigt, Yahoo befähigen zu wollen, anderen wieder “in den Hintern zu treten”. Man versteht sich also.
Der größte Unterschied zwischen Bartz und dem nur sieben Jahre jüngeren Ballmer: Er ist ein Microsoft-Eigengewächs, Bartz bei Yahoo eine Spätberufene. Ballmer wurde am 11. Juni 1980 der 24. Mitarbeiter Microsofts. Bartz hingegen arbeitete in den siebziger Jahren zunächst als Systemanalystin für 3M, später bei Sun. Von 1990 bis 2006 arbeitete Bartz höchst erfolgreich beim Softwareunternehmen Autodesk. 2009 schließlich folgte der für viele überraschende Ruf an die Spitze von Yahoo, einem Unternehmen, dessen Innerstes sie nun vollkommen umkrempelt.