Optisch hat sich Marc Andreessen gar nicht gut gehalten: Ein paar Kilo weniger auf den Rippen des 38 Jahre alten Internet-Pioniers wären nicht schlecht, auch die Haare waren früher schon einmal sehr viel zahlreicher – ein attraktiver Mann sieht nach allgemeinen Geschmacksmaßstäben anders aus. Das soll aber keine Beleidigung sein, und Andreessen würde einer solchen Beschreibung einerseits vermutlich zustimmen, andererseits wäre sie ihm gewiss völlig gleichgültig. Denn Attraktivität ist relativ, und Andreessen hat sein berufliches und privates Glück längst gefunden.
Der Mann ist jung und doch schon das, was man eine Legende nennt. Reich ist er obendrein, aus eigener Kraft und durch Heirat noch etwas mehr. Andreessen hat zwar alle Höhen und Tiefen des Internets in der vordersten Frontlinie miterlebt, dabei aber trotz aller Stellungswechsel stets die Position gehalten: Wo Andreessen im Internet ist, findet man die Avantgarde. Davor ziehen viele den Hut, denn das ist in der schnelllebigen Welt von Computern und Internet alles andere als leicht.
Avantgarde war Andreessen, als er an der University of Illinois den sogenannten Mosaic-Browser programmierte, der zur Grundlage der Netscape-Technik werden sollte – und damit desjenigen Zugangsprogramms zum Internet, das das weltumspannende Datennetz zum Massenphänomen machen sollte. Mit dem Börsengang des aus dem Browser entstandenen Unternehmens Netscape wurde der damals 25 Jahre alte Andreessen 1995 zum Wunderkind der Internetgeneration. Daran kam auch der Platzhirsch nicht vorbei: Selbst Microsoft entwickelte den Code des konkurrierenden Internet-Explorers mit der Hilfe einer Mosaic-Lizenz von der University of Illinois. Als Netscape für 4,2 Milliarden Dollar von AOL gekauft wurde, wechselte auch Andreessen zunächst zu AOL, verließ das Unternehmen (keine Avantgarde) aber 1999 und gründete – schon wieder auf der Suche nach etwas Aufregenderem – das Internet-Dienstleistungsunternehmen Loudcloud, das seinerseits im Jahr 2001 an die Börse ging und sich nach dem Verkauf seines Servicesegments an die Electronic Data Systems in Opsware umbenannte. Opsware wurde im September 2007 für 1,6 Milliarden Dollar an Hewlett-Packard verkauft. Ein Misserfolg sieht anders aus.
Ning, Digg und andere
Heute gilt Andreessens Interesse längst nicht nur der Community-Plattform Ning (www.ning.com), die er 2005 mitgegründet hatte, oder dem Unternehmen Digg (www.digg. com), einem Anbieter sogenannter „Social Bookmarks”, der sich auf jede Art von Nachrichten, Videos und Podcasts spezialisiert hat. Auch bei den schon sehr viel bekannteren, jungen Internetunternehmen Linkedin, Twitter oder Facebook ist er dabei – und damit einmal mehr Teil der Avantgarde: mal als Investor, mal als Mitglied des Aufsichtsrats. Vor ein paar Wochen kündigte Andreessen dann in seinem Internet-Tagebuch (Blog) an, dass er einen (weiteren) Schritt vom Unternehmer zum Investor gehen würde. Andreessen Horowitz heißt sein neuer Fonds; 300 Millionen Dollar haben er und sein Partner aus Netscape-Zeiten, Ben Horowitz, mitten in der Wirtschaftskrise eingesammelt. Es ist gleichsam ein Vertrauensvorschuss: Das Geld will Andreessen vornehmlich in Internet- und Softwareunternehmen im Silicon Valley investieren. Denn dort geht wieder etwas bei den Unternehmenstransaktionen. Amazon übernimmt Zappos.com, Facebook kauft Friendfeed, MSNBC.com kauft Everyblock. Andreessen sagte deshalb vor einiger Zeit, das Silicon Valley kehre zu seiner Furchtlosigkeit zurück.
Das Valley wird wieder furchtlos
Furchtlos hat Andreessen jetzt auch einen Blick auf den Internet-Telefondienst Skype geworfen, der in den vergangenen Jahren zum Internet-Auktionshaus Ebay gehört hat – dort aber trotz ordentlicher Wachstumsraten nicht heimisch geworden ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es Andreessen mit seinen Kollegen schafft, auch Skype wieder stärker zur Avantgarde zu machen – und damit noch interessanter und erfolgreicher, natürlich vor allem mit dem Ziel, es zu einem noch besseren Zeitpunkt mit Gewinn weiterzureichen.
Damit würde Andreessen dann gewiss auch seinen Schwiegervater noch etwas stolzer machen, als der es vermutlich ohnehin schon ist. Denn seit 1996 ist er mit Laura Arrillaga verheiratet, deren Vater mit Immobiliengeschäften im Silicon Valley ein Milliardenvermögen aufgebaut hat. Aus dem Geschäft mit Internet-Browsern, der Wiege seines Erfolgs, hat sich Andreessen zudem auch noch nicht gänzlich verabschiedet. Vielmehr überraschte das von ihm beratene Unternehmen Facebook vor ein paar Tagen mit der Ankündigung, sich nun auch selbst mit einem solchen Programm befassen zu wollen: Es heißt Rockmelt – und man darf gespannt sein, welchen Stein Andreessen im Internet als Nächstes zum Schmelzen bringen wird. Durchhaltevermögen hat der Mann jedenfalls, und in dieser Hinsicht ist er dann auch sehr viel drahtiger, als es der optische Eindruck suggeriert.