“Klaus ist der ideale Mann”, lobt ihn Ed Verona, der Präsident des Handelsverbands U.S.-Russia Business Council. Gerade in dieser Phase des Neubeginns der amerikanisch-russischen Beziehungen verfüge er über ein breites Netzwerk von persönlichen Kontakten nach Russland. „Und er hat einen sehr ansteckenden Optimismus.”
Das ultimative Kompliment
Das ist das ultimative Kompliment aus dem Mund eines Amerikaners an einen Deutschen. Denn Amerikaner sind strukturell optimistisch; und wenn ein Klaus Kleinfeld, derzeit Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Aluminiumkonzerns Alcoa, die Menschen zwischen Atlantik und Pazifik selbst mit dieser Charaktereigenschaft noch beeindrucken kann, dann muss da tatsächlich etwas Besonderes sein.
Ed Verona und die Seinen jedenfalls hat Kleinfeld so sehr von sich überzeugt, dass sie ihn erst vor ein paar Tagen zum Chairman ihres Verbands ernannt haben: Als Mittler zwischen seiner Wahlheimat Amerika und den früheren amerikanischen Erzfeinden in Russland soll er wechselseitige Investitionen fördern und Streitigkeiten frühzeitig schlichten. Dazu muss man wissen, dass das Misstrauen zwischen Russen und Amerikanern auch auf dem Gebiet der Wirtschaft noch immer tief sitzt – ganz anders, als zwischen Deutschen und Russen. Und ein Deutscher wie Kleinfeld, mithin der einzige deutsche Manager, der es geschafft hat, in der Welt der amerikanischen Kollegen vollständig als einer der ihren anerkannt zu werden, ist deshalb tatsächlich für den Verband genau die richtige Wahl: Schon zu Kaisers Zeiten gingen die Deutschen unbefangen mit russischen Handelspartnern um. Und auch heute kommt es nicht von ungefähr, dass der deutsche Handelskonzern Metro in Russland gut Fuß gefasst hat, Wal Mart aber keine Rolle spielt. Die Vorbehalte der Amerikaner im Vorstand des Autoherstellers General Motors zu den russischen Partnern, die dem einstigen deutschen Tochterunternehmen Opel aus der Patsche helfen sollen, sind ebenfalls wohlbekannt. In dieser Hinsicht ist ansteckender Optimismus gewiss hilfreich.
No kidding, sozusagen
Beim bisher letzten Gespräch mit dieser Zeitung wollte Kleinfeld sich auch in Fragen zur allgemeinen Beurteilung der Weltwirtschaft nicht vom deutschen Pessimismus anstecken lassen: Die Lage sei schon wieder viel besser als vor einigen Wochen, sagte er im Frühjahr. Vor allem aus China gebe es hoffnungsvolle Zeichen. Und dass wohlhabende Deutsche damals aus Inflationsangst sogar in Waldstücke oder Kartoffeläcker investierten, entlockte ihm dieses bubenhafte, erstaunte Lächeln, das er zu seinem Glück auch im Alter von 51 Jahren noch nicht abgelegt hat: „Ihr macht Witze!” Das war alles, was ihm dazu einfiel. „No kidding”, sozusagen.
Tatsächlich wäre es eine gute Idee gewesen, nach dem Treffen Alcoa-Aktien zu kaufen. Denn trotz oder wegen umfangreicher Sparprogramme, einer wieder verbesserten wirtschaftlichen Lage und damit einhergehender, anziehender Rohstoffpreise steht auch Alcoa wieder sehr viel besser da als noch vor einem halben Jahr. Ob das nachhaltig sein wird, ist die Frage: Kleinfeld wird darüber schon bald Auskunft geben. Denn Alcoa eröffnet stets den Reigen der amerikanischen Quartalsberichte. Am 7. Oktober ist es wieder so weit.
Klaus Kleinfeld Foto: Alcoa
Nur dann, wenn die Sprache auf seinen alten Arbeitgeber Siemens kommt, wird aus Kleinfeld, dem Optimisten, Kleinfeld, der Verzagte. Denn auch hier gilt eine Frist. Der Siemens-Aufsichtsrat hat ihm in der vergangenen Woche Zeit bis Mitte November gegeben: Bis dahin soll sich Kleinfeld erklären, ob er bereit ist, Siemens im Rahmen des Schmiergeldskandals Schadenersatz in Höhe von 2 Millionen Euro zu zahlen, oder ob er es darauf ankommen lässt, den Rechtsweg zu beschreiten. Denn sollte es zu keiner Einigung kommen, hat Siemens, vor allem aber sein Aufsichtsratsvorsitzender Gerhard Cromme, eindeutig gesagt, wohin die Reise geht: Dann wird geklagt. https://faz-community.faz.net/adhoc/2009/09/23/siemens-und-das-grosse-pokerspiel.aspx
Heerscharen von Anwälten
In dieser Angelegenheit beschäftigt Kleinfeld also in der alten Heimat Heerscharen von Anwälten, würde die Causa Siemens auch gerne hinter sich lassen. Sein Problem ist nur, dass er im Unglück Glück hat. Das aber macht die Dinge kompliziert: Denn Kleinfeld hat sich nach dem bisherigen Stand der Dinge, also nach jahrelangen Nachforschungen, nichts vorzuwerfen. Weder die von Siemens beauftragten Ermittler noch die deutsche Staatsanwaltschaft haben dem Vernehmen nach irgendetwas in der Hand, was justitiabel sein könnte. Was bleibt, ist, dass Kleinfeld in den Jahren zwischen Januar 2005 und Juni 2007 als Vorstandsvorsitzender Verantwortung trug – und der Siemens-Aufsichtsrat glaubt, ihn schon aus diesem Grund von ebendieser Verantwortung nicht freisprechen zu können. Angeblich versuchen die Siemens-Anwälte alles, Kleinfeld eine Brücke zu bauen, um ihn bis Mitte November zum Einlenken zu bewegen. Ob es aber soweit kommt, bleibt ungewiss. Denn Kleinfeld will fair behandelt werden. Nur: Wie behandelt man jemanden fair, der sich nichts vorzuwerfen hat? Diese Frage müssen Cromme und Kleinfeld noch beantworten. Bisher klingen sie in dieser Hinsicht gar nicht übertrieben optimistisch.