Es war im Sommer vor zwei Jahren bei einem Treffen in München. Paul Otellini, der Vorstandsvorsitzende von Intel, sprach ganz nebenbei etwas aus, was gut klang, in seiner Bedeutung aber unglaubwürdig schien. “Der neue Chip mit dem Entwicklungsnamen Silverthorne hat für uns eine Bedeutung, die nur mit dem 8088-Prozessor oder dem Pentium vergleichbar ist”, sagte er. Heute steckt eine Ableitung dieser Entwicklung, der “Atom”Chip, in beinahe jedem dieser neuen DIN-A5-großen Laptops mit dem Namen “Netbook”. Und diese Netbooks haben sich als Verkaufsrenner erwiesen.
Wer aber weiß, dass Otellini im Umgang wahrlich nicht zu Gefühlsausbrüchen oder zu Übertreibungen neigt, der konnte auch schon damals hellhörig werden. Denn höhere Erwartungen kann ein Intel-Chef mit einer Produktneueinführung nicht verbinden: Der 8088 war schließlich der Chip, mit dem IBM einst seinen ersten Personal Computer ausstattete. Er begründete den Erfolg und die heutige Marktstellung von Intel. Mit dem Pentium schrieb das Unternehmen aus der kalifornischen Silicon-Valley-Gemeinde Santa Clara die nächste große Erfolgsgeschichte.
Otellini hat es in den vergangenen Jahren mit seiner Mannschaft nicht nur geschafft, die neuen Chips tatsächlich zu einem Erfolg zu machen, der von Europa über Amerika bis nach Asien reicht. Er hat auch die Kosten im Auge behalten – und freut sich im soeben vorgelegten jüngsten Quartalsbericht darüber, dass die Bruttomargen wieder steigen, obwohl die unterdurchschnittlich teuren “Atom”-Chips reißenden Absatz finden. Der Clou: Die Prozessoren und die Computer, in die sie eingebaut sind, verdrängen keine anderen Computerkäufe, sondern haben, nicht zuletzt bei den für das Geschäft wichtigen Privatkunden, einen Trend hin zum Zweit- oder Drittcomputer möglich gemacht. Auch den von Otellini damals angekündigten Produktfahrplan hat das Unternehmen präzise eingehalten, was Intel – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in seiner Kultur auch grundsätzlich auszeichnet.
Paul Otellini Foto: Intel
Otellini nennt diese Zuverlässigkeit, angelehnt an die Präzision eines Schweizer Uhrwerks, “Tick tock”-Strategie. “Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung arbeitet sehr, sehr gut”, sagt er in dem Wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Seit ein paar Monaten ehrt Intels Marketingabteilung diesen Forschergeist mit einer eingängigen Werbekampagne, die den Forschern und Prozessorproduzenten des Unternehmens in ihren weißen Reinraumanzügen ein menschliches Gesicht verleiht. Auch in dieser Hinsicht hat der Marketingspezialist Otellini das richtige Gespür bewiesen. Zudem befand sich Intel im Sommer vor zwei Jahren schon inmitten eines massiven Kostensenkungsprogramms, das zu hohen Einsparungen geführt hat – und damit zur rechten Zeit kam. Als dann die Finanzmarktblase platzte und zu großen Verwerfungen in der Nachfrage führte, hatten Otellini und Intel mit diesen Programmen schon die richtige Richtung eingeschlagen. Auch bei der Umsetzung dieser Sparanstrengungen mag es Otellini im eigenen Mitarbeiterkreis geholfen haben, dass dem 58 Jahre alten Amerikaner flapsiges Gehabe fremd ist.
Dass der Intel-Chef kein Luftikus ist, zeigt auch ein Blick auf seinen Karriereweg: Seit 1974 arbeitet er für ein und dasselbe Unternehmen. Bei Intel war er zunächst hauptsächlich in Marketing- und Vertriebsbereichen tätig und stieg Schritt für Schritt die Karriereleiter hinauf. In den achtziger Jahren übernahm er die Verantwortung für das Geschäft mit IBM. Im Jahr 1989 wurde er Assistent des damaligen Vorstandsvorsitzenden Andy Grove.
Als Otellini Mitte 2005 an die Spitze aufrückte, trat er das Erbe von Craig Barrett an, der die bei Intel geltende Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hatte und daher aus dem Amt des Chief Executive Officer (CEO) ausschied. Mit Otellini als CEO wurde zum ersten Mal ein Manager ohne Ingenieurabschluss führender Kopf des Technologiekonzerns – und das zu einem Zeitpunkt, als das Schwergewicht unter den amerikanischen Informationstechnik-Unternehmen eine Schwächephase durchlitt. Längst führt der in San Francisco geborene Familienvater Otellini aber wieder einen gestärkten Marktführer. Und seine Nachfolger werden auch schon aufgebaut. So, wie es für Intel typisch ist: langfristig und mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks.