Wie geht es in China wirtschaftlich weiter? Die Börsen reagieren sofort nervös, wenn sich Anzeichen dafür finden lassen, dass China seine expansive Geldpolitik bremsen könnte. Noch erstaunlicher sind Dinge, die man in den vergangenen Tagen in verschiedensten Zeitungen lesen konnte – sie seien hier aus der Perspektive eines aufmerksamen Beobachters zusammengetragen. Dabei spielt durchaus der Gedanke eine Rolle, dass man sich als Wirtschaftsjournalist ungern nochmals vorwerfen lassen will, man habe beim Blick auf eine bestimmtes Land ein großes finanzielles Risiko und damit eine Gefahr für die Weltwirtschaft übersehen.
Ein großer Flughafen ohne Passagiere
So war vor ein paar Tagen in der Los Angeles Times (https://j.mp/dfb31w) ein Artikel zu finden, der vom einem Flughafen berichtete, der in China für 57 Millionen Dollar gebaut worden ist, Ende des Jahres 2007 eröffnet wurde – und für 220 000 Passagiere im Jahr ausgelegt ist. Der Flughafen steht in der chinesischen Stadt Libo, und im vergangenen Jahr wurden dort exakt 151 Passagiere gezählt. An dieser Stelle habe ich mich nicht vertippt, es waren tatsächlich lediglich 151 Menschen, die die Landebahnen nutzten, die für Flugzeuge bis zur Größe einer Boeing 737 mit 140 Sitzen ausgelegt sind. In den vergangenen zehn Jahren hat China übrigens nicht weniger als 40 neue Flughäfen gebaut. Und Libo ist zwar ein Extrembeispiel. Aber es gibt offenbar durchaus noch den einen oder anderen weiteren Flughafen, dem die Passagiere fehlen.
Wohungen zur Mondpreisen
Die New York Times ihrerseits hat jüngst den Immobilienboom in China beleuchtet. Und auch dabei wurden erschreckende Zahlen zutage gefördert: Im vergangenen Jahr, so ist dort zu lesen, wurden in China Wohnimmobilien für 560 Milliarden Dollar verkauft. Das ist ein Rekordwert – und es ist eine Steigerung um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es folgen Beispiele von Villen, die für 30 Millionen Dollar ihren Besitzer gewechselt haben, von Landentwicklern, die für ein Grundstück in Guangzhou mehr als 3,5 Milliarden Dollar gezahlt haben. Das Grundstück ist offenbar riesig, aber mehr Geld wurde in China auch noch nie auf dem Immobilienmarkt investiert. Und in Shanghai kostet ein 100-Quadratmeter-Apartment inzwischen bis zu 200 000 Dollar (bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Einwohners von Shanghai von weniger als 5000 Dollar im Jahr). Wer weiß, wie lange man mit einem deutschen Einkommen braucht, um eine Immobilie zum Preis von 200 000 abzubezahlen, weiß, was hier schief läuft.
Billiges Geld, Inflation und Überkapazitäten
Nun ist es nicht so, dass man in die Ferne schweifen müsste, um solche Berichte zu finden. Auch die Autoren der F.A.Z. weisen immer wieder auf die Schwierigkeiten hin: So schrieb der Kollege Christian Geinitz, unser Wirtschaftskorrespondent in Peking, schon zum Jahreswechsel, dass China mit einem riesigen Konjunkturpaket von rund 400 Milliarden Euro und einer stark expansiven Geldpolitik der Krise zwar ein Schnippchen geschlagen habe. Doch treibe das viele billige Geld China in die Inflation. Diese werde wegen des künstlich niedrig gehaltenen Yuan-Kurses noch angeheizt von der Verteuerung der Importe: „Die Anlagepreise laufen aus dem Ruder, am Immobilienmarkt droht eine Blase, Überkapazitäten nehmen zu.”
Künstliche Nachfrage
Die künstliche Nachfrage verschärfe die ohnehin bedenklichen Überkapazitäten, schmälere Profitabilität und Produktivität und setze die Wettbewerbsfähigkeit herab. Ähnliches gelte für die staatlichen Kaufanreize für Haushaltsgeräte oder Personenwagen im nun größten Automarkt der Welt. Die Kraftfahrzeugindustrie erweitere fieberhaft die Produktion. Doch auch hier bestehe die Gefahr von Überkapazitäten, sobald die Sonderkonjunktur ausläuft.
Hinzu kommt, dass sich ein Land mit dieser Situation auseinandersetzen muss, dessen Einwohnern die individuelle Kreativität, die die einzig nachhaltige Voraussetzung für langfristiges Wachstum ist, weitgehend abgewöhnt wird. So gewinnt man den Eindruck, dass die Hypothekenkrise in Amerika und die Schwierigkeiten von Griechenland nicht die einzigen umfassenden wirtschaftlichen Probleme sind, die die Welt in naher Zukunft treffen werden. Nachdenklich stimmt dann allerdings schon wieder ein Kommentar in der Financial Times, der die Situation in einem viel helleren Licht erscheinen lässt. Dort wird der Zustand des heutigen China mit Japan in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verglichen. Das wäre dann wohl gleichbedeutend mit 20 weiteren Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs. Aber: Japan ist eine Demokratie.