Die Spannungen zwischen Eigentümern und Vorstand der Dekabank entladen sich oft in gegenseitiger Blockade. Der Streit um die Strategie und um die neue Eigentümerstruktur der Deka wird in diesem Jahr kaum entschieden werden, die Frage, ob und für wie lange die Verträge von fünf Vorstandsmitgliedern verlängert werden, hingegen schon – und zwar am 24. Juni, während der letzten Verwaltungsratssitzung in diesem Halbjahr. Die Verträge des Vorstandsvorsitzenden Franz Waas, des Finanzvorstands Fritz Oelrich sowie des Wertpapierfondsvorstands Oliver Behrens laufen zum Jahresende aus und müssen mindestens sechs Monate davor verlängert werden. Im zweiten Halbjahr stehen zudem die Verträge der Vorstände Walter Groll und Matthias Danne zur Verlängerung an. Dass alle diese Vorstände die Deka im Streit verlassen werden, ist trotz aller Spannungen unwahrscheinlich. Indes könnte es für einige von ihnen möglicherweise eine Vertragsverlängerung für nur zwei Jahre geben.
Das würde für diejenigen, die es als solches erkennen wollen, dosiertes Missfallen gegenüber dem Vorstand ausdrücken – und den Eigentümern, den Sparkassen und Landesbanken, etwas Zeit geben: Denn der Umbau der Dekabank, den Waas angestoßen hat, ist unter den Eigentümern nach wie vor heiß umstritten. Der Verwaltungsrat hat deshalb vor mehr als einem Jahr einen eigenen Unterausschuss für Strategiefragen eingesetzt; der Vorstand wiederum lässt sich in Kommunikationsfragen gegenüber den Eigentümern von McKinsey beraten. Dass es in dieser Sache in diesem Jahr wohl keine Entscheidungen geben wird, hat seinen Grund aber letztlich darin, dass sich die Eigentümerstruktur der Deka neu ordnen muss: Bisher gehört die Deka den Sparkassen und Landesbanken je zur Hälfte. Seitdem aber die Landesbank Baden-Württemberg ihren Anteil von 15 Prozent zum Verkauf gestellt hat und sich abzeichnet, dass weitere Landesbanken wie West LB und HSH Nordbank ihren Deka-Anteil verkaufen müssen, läuft alles auf eine Übernahme der Deka durch die Sparkassen zum Unternehmenswert von 4,5 Milliarden Euro hinaus.
Sorgen vor zu hohem Risiko
Viele Sparkassen treibt aber die Sorge um, dass sich nach den Landesbanken nun die Deka zu einem riskanten und schwer kontrollierbaren Beteiligungsunternehmen entwickeln könnte. Der Vorstand hingegen kämpft für das von Waas entwickelte Geschäftsmodell: Waas setzt die mit einer Kernkapitalquote von 12,7 Prozent und einer für Jahre reichenden Liquidität ausgestatteten Dekabank dafür ein, Vorleistungen für die Wertpapierfonds zu entwickeln. So werden inzwischen im Kapitalmarktgeschäft der Bank 85 Prozent aller Transaktionen für Fonds von Deka Investment abgewickelt. Die Wachstumschance aus Sicht von Waas: Bisher laufen nur 25 bis 40 Prozent aller Handelsgeschäfte der Deka-Fonds auch über die Dekabank. Hier gibt es Luft nach oben. Ziel ist es zudem, das derzeit in den Fonds verwaltete Vermögen von gut 100 Milliarden Euro weiter zu steigern, um damit quasi automatisch der Bank zusätzliche Erträge zuzuführen.
Den Landesbanken hingegen ist die Expansion der Deka im Kapitalmarktgeschäft insgesamt ein Dorn im Auge, weil sie selbst dort und im Spezialfondsgeschäft für Sparkassen aktiv sind. Auch neiden sie der Deka ihre hohen Bestände an Liquidität, die der Vorstand in den Jahren 2006 und 2007 freigesetzt hat.
Im Gespräch: Friedrich Oelrich, der Finanzvorstand der Dekabank | |
„Wir sprechen nicht immer die Sprache der Sparkassen” | |
Ihr Geschäftsmodell will die Dekabank den Sparkassen künftig besser erklären. Die Risiken, die man eingehe, seien keinesfalls zu hoch. | |
![]() |
|
![]() |
|
Herr Oelrich, wir hören immer wieder, dass Sparkassen Angst vor den Risiken in der Deka haben. Wie erklären Sie sich das? Nun, der Großteil der Sparkassen vertraut der Deka. Von uns haben Sparkassen sogar auf dem Höhepunkt der Finanzkrise kurz vor Tagesende Liquidität erhalten. Das war ihnen an anderer Stelle nur schwer oder gar nicht möglich. Wir haben auch deshalb an Vertrauen gewonnen, weil im Jahre 2009 vier Fünftel unserer Aktien- und Rentenfonds in ihrer jeweiligen Vergleichsgruppe zu den Besten gehörten. Und die Deka selbst ist ja auch erfolgreich: Wir haben im ersten Quartal 2010 ein wirtschaftliches Ergebnis von 198 Millionen Euro verdient. Im Jahr 2009 haben wir mit 662 Millionen Euro ein Rekordjahresergebnis erzielt . . . . . . gut, aber zu diesem Ergebnis hat eben das dritte Geschäftsfeld „Firmen und Märkte”, das die Wertpapier- und Immobilienfonds lediglich unterstützen soll, allein 527 Millionen Euro beigetragen. Gehen Sie nicht gerade dort gewaltige Risiken ein? Nein. Aber ich gebe zu: Ängste gibt es. Und warum? Vielleicht muss sich unsere Bank hier an die eigene Nase fassen. Wir sprechen nicht immer die Sprache der Sparkassen, und manche reden etwa von „Negative Basis Trades”. Stattdessen sollten wir von der sicheren Anlage unserer Liquidität sprechen – ohne Ausfall- und Zinsrisiko. Genau das machen wir nämlich. Ist die Dekabank damit nun eine Fondsgesellschaft oder eine Bank? Unter unserem Konzerndach steht die Fondsgesellschaft zusammen mit dem Kapitalmarktgeschäft einer Bank. Und die enge Verzahnung dieser beiden Säulen ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir haben seit 2006 die klassischen Bankrisiken, also Kredite, kontinuierlich abgebaut und dadurch Liquidität gewonnen. Im Gegenzug haben wir das Kapitalmarktgeschäft ausgebaut. Das ist sinnvoll, weil wir für unsere Fonds auch Derivate brauchen. Derivate – das ist in der Finanzkrise ein Unwort geworden. Mag sein. Trotzdem sind Derivate sinnvoll und hilfreich, wenn man sagt, wofür man sie braucht. Wir setzen sie schwerpunktmäßig im Kundengeschäft ein, zum Beispiel bei Garantiefonds. Die sind ohne Absicherung durch Derivate heute nicht mehr denkbar. Denn ein Zinsversprechen kann ein Fondsmanager dann einlösen, wenn er sich mit Zins-Swaps absichert. Die kann er bei uns im eigenen Haus dank der Kapitalmarktexpertise der Bank kaufen und sorgt damit für Umsatz und Ertrag der Bank. Und damit steigt dann doch auch Ihr Risiko? Nein. Trotz des von der Nachfrage durch unsere Fonds getriebenen Ausbaus des Derivategeschäftes halte ich fest: Unser Konzernrisiko beträgt 2,7 Milliarden Euro und ist damit im Vergleich zu 2004 unverändert. Und dies, obwohl wir alle Risiken zusammenzählen. Dabei überschätzen wir sogar das Gesamtrisiko, weil sich mehrere Risiken tatsächlich zum Teil gegenseitig aufwiegen. Dennoch ist, gemessen an der Kennziffer, „Value at Risk” die Risikotragfähigkeit des Dekabank-Konzerns nur zur Hälfte ausgeschöpft. Die seinerzeit, also beim Abbau der klassischen Bankrisiken, frei gesetzten liquiden Mittel von zeitweise 20 Milliarden Euro aber wurden so risikoreich wieder angelegt, dass die Deka 2008 einen zweistelligen Millionenbetrag als Verlust vor Steuern ausweisen musste . . . Nein, keine Sorge, wir haben die Liquidität fast risikolos angelegt. Die in der GuV aufgeführten zwischenzeitlichen Kursverluste waren der Bilanzierung geschuldet: Wir bilanzieren, anders als die meisten Sparkassen, nicht nach HGB, sondern nach IFRS. Diese Regeln schreiben vor, dass wir Wertpapiere zu den aktuellen Börsenkursen bewerten müssen, auch wenn diese Marktpreise wie in der Finanzkrise extrem verzerrt sind. Bei uns gibt es keine stillen Lasten. Wir haben uns zudem aus Transparenzgründen entschlossen, Abschreibungen auf Einkaufskurse nicht mit dem Eigenkapital zu verrechnen, sondern die Verluste offen auf den Gewinn anzurechnen. Geschäfte, bei denen doch zumindest vorübergehende Verluste möglich sind, bezeichnen Sie als fast risikolos? Lassen Sie mich den „Negative Basis Trade” noch genauer erklären: Wir haben nach dem Kauf einer Anleihe sowohl das Zinsänderungsrisiko als auch das Adressenausfallrisiko verkauft. Wir wollen die Anleihe bis zur Endfälligkeit halten. Zwischenzeitliche Kursverluste stören uns deshalb nicht. Wir wollen lediglich die Prämie für die Bereitstellung der Liquidität verdienen. Vor der Finanzkrise lag diese Liquiditätsmarge im Promillebereich, während der Finanzkrise kletterte sie dann in den Prozentbereich. Da haben wir uns für mehrere Jahre stabile zusätzliche Zinserträge gesichert. Und die zum Teil eingetretenen Kursverluste werden zum großen Teil wieder aufgeholt. Da bin ich ganz sicher. Insgesamt erwarten wir aus den Zuschreibungen und den gesicherten Liquiditätsmargen einen zukünftigen Mehrertrag, der deutlich über den negativen Bewertungseffekten der Finanzkrise liegen wird. Im ersten Quartal waren es rund 50 Millionen Euro. Und was muss passieren, damit die Deka nicht doch einmal dauerhaft Geld bei der risikolosen Anlage der Liquidität verliert? Lassen Sie uns die Risiken durchgehen: Zinsänderungsrisiken haben wir keine, weil wir unsere Anlage fristengleich refinanzieren. Das Risiko, dass der Renditeabstand zwischen kurzen und langen Anlagen kleiner wird oder die Zinsen insgesamt steigen, beläuft sich für den Deka-Konzern auf weniger als 1,5 Millionen Euro. Die Deutsche Bank gibt für ihren Handelsbereich dieses Risiko mit 111 Millionen Euro an. Ja, das 74-Fache im Vergleich zu uns. Gibt es weitere Risiken? Ein weiteres Risiko ist nach dem Kauf einer Unternehmensanleihe, dass der Schuldner zahlungsunfähig wird. Dagegen haben wir uns aber abgesichert, indem wir das Ausfallrisiko weiter verkauft haben. Und selbst gegen die unwahrscheinliche Situation, dass dieser Sicherungsgeber im Schadensfall auch nicht zahlen kann, haben wir uns ebenfalls abgesichert. Wir haben also doppelt vorgesorgt. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Schuldner und Ausfallversicherer insolvent werden, ist eher gering. Das sagen Sie. In Island hat die Deka mit Repo-Geschäften einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag verloren . . . Wir haben in dieser Höhe Rückstellungen gebildet. Aber es ist richtig, wir haben damals nicht damit gerechnet, wie übrigens die ganze Bankenbranche weltweit, dass ein westeuropäischer Staat insolvent gehen könnte und wir auf unsere Besicherung nicht zugreifen können. Das ist ein Beispiel für den denkbar schlechtesten Ausgang eines Geschäftes. Daraus haben wir gelernt und die notwendigen Schlüsse gezogen. Es gibt noch ein anderes Thema, mit dem die Deka manchmal für Verwirrung sorgt. Banken geben in der Regel das Vorsteuerergebnis an, die Deka dagegen hält das „wirtschaftliche Ergebnis” für maßgeblich. Warum? Ich komme ursprünglich aus dem Controlling und bin überzeugt: Eine Bank muss nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gesteuert werden. Die Gewinn-und- Verlust-Rechnung bildet manche Verluste nicht ab. Wir haben eben davon gesprochen, dass nach IFRS Wertpapiere zu Marktpreisen bewertet werden müssen. Unterschiede zwischen Einkaufskurs und aktuellem Kurs finden aber nur dann in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung Niederschlag, wenn die Wertpapiere in der Kategorie „held for trading” gebucht sind. Stecken sie in einer anderen Kategorie, können Verluste auch eher still und leise in der Neubewertungsrücklage gebucht und gegen das Eigenkapital verrechnet werden oder bleiben unverändert im Anlagebestand. Im wirtschaftlichen Ergebnis dagegen finden sich alle Marktwertveränderungen von Wertpapieren wieder, gleichgültig, in welcher Kategorie diese gebucht sind. Steht die Deka-Bank mit ihrer Fokussierung auf das „wirtschaftliche Ergebnis” nicht allein da? Nein, im Gegenteil. Das „wirtschaftliche Ergebnis” ist Teil des testierten Jahresabschlusses der Deka-Bank. Es findet sich bei allen Banken im Lagebericht. Die Schweizer Bank Credit Suisse weist, wie ich finde, vorbildlich, offen und fair das wirtschaftliche Ergebnis an zentraler Stelle aus, und im Prinzip wird auch die Deutsche Bank nach dem „wirtschaftlichen Ergebnis” gesteuert. Auch die Ratingagenturen schauen nicht auf das Vorsteuerergebnis in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung, sondern auf das wirtschaftliche Ergebnis. Denn es ist transparent und vollständig. Und Ihr Bonus wird nach dem wirtschaftlichen Ergebnis festgelegt? Meinen Bonus legt der Verwaltungsrat frei fest. Um es klar zu sagen: Ich bin, auch einschließlich Bonus und Dienstwagen, kein Einkommensmillionär. Aber natürlich ist das wirtschaftliche Ergebnis als Maßstab für eine Bonuszahlung besser geeignet als das Ergebnis vor Steuern, in dem wesentliche Ergebnisbestandteile fehlen. |
Unter Mitarbeit von Hanno Mußler.