Die Datev ist ein modernes Unternehmen. Zugleich verkörpert die Datenverarbeitungsorganisation der steuerberatenden Berufe als klassischer Dienstleister für den deutschen Mittelstand traditionelle Werte. Vor allem aber ist die Datev durch ihre Rechtsform als Genossenschaft dazu aufgerufen, Kunden zu dienen, die zugleich ihre Mitglieder sind. Das macht die Datev zum einen recht krisenresistent, zum anderen zu einem Unternehmen, das nicht permanent seine Strategien ändern kann. Beides kommt der Datev derzeit zugute. Umsatz- und Ergebniszahlen entwickeln sich besser als der Durchschnitt der Branche. Zugleich ist das Unternehmen seinen Rechenzentren und Großcomputern (Mainframes) treu geblieben – und musste die sensiblen Kundendaten stets mit größter Sorgfalt und Sicherheit schützen. Die Daten wurden also immer in einer großen Datenwolke verarbeitet, für die die angelsächsische IT-Welt inzwischen den modischen Begriff „Cloud” geprägt hat. Ob Google, Amazon, Microsoft: Sie haben die Cloud als das Wachstumsthema schlechthin erkannt. Die gute Nachricht ist, dass die Datev die Wolke längst kennt. Und amerikanische Polizeibehörden haben auf die Computer in Nürnberg auch keinen Zugriff.
Hier die zugehörige Meldung:
Selbst die Rechenzentren mit ihren traditionellen Großcomputern (Mainframes), die das Unternehmen mit Stammsitz in Nürnberg seit jeher betreibt, liegen wieder voll im Trend: Denn schon immer haben die Steuerberater ihre Kundendaten zur Weiterverarbeitung an die Zentralrechner der Datev geschickt, neudeutsch in die „Cloud”, also in die Datev-Datenwolke. Und die „Cloud” gilt derzeit als das Zukunftsthema der Informationstechnologie (IT) schlechthin.
Das hat die Datev als Chance erkannt. Die Genossenschaft will deshalb ihre Rechenzentrumskapazitäten weiter ausbauen. Sie tut das auf einer soliden Grundlage: Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent auf 672,4 Millionen Euro gestiegen. Damit steht die Datev, das viertgrößte Softwarehaus in Deutschland, erheblich besser da als die gesamte IT-Branche in Deutschland, die nach den Angaben ihres Verbands Bitkom 2009 durchschnittlich einen Umsatzrückgang von 5,2 Prozent verkraften musste. „Die Datev hat sich von dem negativen gesamtwirtschaftlichen Trend im vergangenen Jahr deutlicher absetzen können, als ich es noch vor Jahresfrist vermutet habe”, sagte der Vorstandsvorsitzende Dieter Kempf der FAZ.
Leitstand im Datev-Rechenzentrum Foto: Datev eG
Auch das operative Ergebnis, das in der Rechtsform einer Genossenschaft für den wirtschaftlichen Erfolg relevant ist, erhöhte sich auf 43,4 (Vorjahr: 42,32) Millionen Euro. Davon fließen rund 38,6 Millionen Euro als genossenschaftliche Rückvergütung an die Mitglieder zurück. Die gute Entwicklung soll sich fortsetzen: 2010 erwartet Kempf abermals ein Umsatzplus und ein „befriedigendes” Ergebnis, das allerdings durch die Umstellung auf eine neue Softwaregeneration belastet wird.
„Mehrumsätze vor allem in den Produktgruppen Personalwirtschaft, Rechnungswesen und Organisationssoftware haben uns dazu veranlasst, unsere Umsatzprognose auf 696 Millionen Euro zu erhöhen”, sagt Kempf. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres wurden schon 353,2 Millionen Euro umgesetzt, was einem Zuwachs von 3,7 Prozent entspricht. Die Mitgliederzahl beträgt derzeit 39 577 (Vorjahr: 39 365); das Personal wuchs auf 5791 (5646) Mitarbeiter. Für das laufende Jahr sind etwa 260 Neueinstellungen geplant.
Das Jahr 2010 steht nach den Worten von Kempf einerseits im Zeichen der Markteinführung der ersten Programme der neuen Software-Generation mit dem Namen „Datev pro”. Die Software verursacht bei den Kunden eine erhebliche Umstellungsarbeit, lässt danach aber alle Datev-Programme auf einen einheitlichen Datenbestand zugreifen. Das soll den Kunden nach den Worten von Kempf zahlreiche Effizienzvorteile bringen, zugleich aber die Datev auch noch näher an moderne „Cloud”-Dienstleistungen heranführen. Fast 15 000 Kanzleien hätten inzwischen mitgeteilt, wann sie das Softwarepaket installieren möchten. Das wertet Kempf als Erfolg. Um die Umstellung zu bewältigen, seien nicht nur die Kapazitäten in der Entwicklung, sondern auch im Service und im Außendienst deutlich ausgebaut worden.
Andererseits beschäftigt sich die Datev mit dem Thema Digitalisierung der Arbeitswelt: „Hier stehen die steuerberatenden Berufe und deren mittelständischen Mandanten vor Herausforderungen, die sie zum eigenen Vorteil nutzen können”, ist Kempf überzeugt. So biete die Datev Dienstleistungen rund um die elektronische Rechnungsverwaltung und die Datenübermittlung an Banken, Behörden und Institutionen an – und ist damit in einem Wachstumsmarkt tätig, der abermals mit der „Cloud” zu tun hat.
Rechenzentrum wird erweitert
Auch deshalb kündigt Kempf eine Kapazitätserweiterung des Rechenzentrums an: „Bis Ende 2011 planen wir die Inbetriebnahme eines rund 6000 Quadratmeter umfassenden Rechenzentrumsneubaus im Nürnberger Umland. Das Gebäude befindet sich derzeit im Bau und wird von einem Dienstleister angemietet”, sagt Kempf, der sich im Zusammenhang mit der „Cloud” aber auf Konzepte konzentrieren will, bei denen Anbieter und Nutzer stets bekannt und Datenschutz und Sicherheit gewährleistet seien.
Bekanntes Grün: Datev-Logo am Frankfurter Hauptbahnhof. Foto: Datev eG
Im vergangenen Jahr hat die Datev rund 24,4 Millionen Euro allein in das bestehende Rechenzentrum investiert. Die laufenden Kosten für das Rechenzentrum beliefen sich auf 63,6 Millionen Euro. Für das Jahr 2009 ergibt sich ein Forschungs- und Entwicklungsaufwand von 123,6 Millionen Euro; der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen am Umsatz beträgt somit 18,4 Prozent, was ein vergleichsweise hoher Wert ist. Vertreten ist die Datev seit einiger Zeit auch im Ausland. Nach den Worten von Kempf entwickeln sich die dortigen Engagements „erfreulich”. Neben den italienischen Entwicklungsunternehmen erwirtschafteten nun auch die Beteiligungsgesellschaften in Italien, Österreich, Tschechien und Spanien Gewinn.
Steuersystem muss einfacher werden
Mit Blick auf die Politik pocht Kempf weiterhin auf eine Vereinfachung des Steuersystems. Das gelte auch aus der Sicht eines Unternehmens, das Steuerdeklarationssoftware herstelle und dem steuerberatenden Beruf in besonderer Weise verbunden sei. Unternehmerisches Handeln biete immer noch hinreichend Komplexität zur betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Optimierung, auch ohne Steuerdschungel. „Auf eine künstliche Komplexitätserhöhung durch unberechenbare Rechtsentwicklung und damit fehlende Planbarkeit könnten und würden alle Akteure gerne verzichten”, sagt Kempf.
Unter Mitarbeit von Stephan Finsterbusch.