Entdecken die Franzosen eine bisher unbekannte Liebe zu Großbritannien? Ihre Energieversorger jedenfalls, die sich im eigenen Land eine Scheinkonkurrenz liefern, bringen sich auf dem britischen Markt durch Zukäufe ins Gespräch. EDF ist schon da, jetzt kommt GDF Suez und übernimmt den Wettbewerber International Power. Nun ist es nicht so, dass die Franzosen mit diesen Schachzügen Vorreiter wären. RWE und Eon sind schon längst in Großbritannien aktiv – und haben an ihren Engagements recht wenig Freude, jedenfalls was das laufende Geschäft betrifft: Jenseits des Ärmelkanals herrscht ein harter Wettbewerb, die Preise stehen unter Druck. Andererseits ist Großbritannien ein Land, in dem es möglich ist, nicht nur große Wind-, sondern auch neue Atomkraftprojekte anzustoßen – und deshalb für die Energieversorger strategisch wichtig. Ähnliche Überlegungen werden auch die Franzosen anstellen. Die Deutschen müssen sich deshalb nicht grämen, selbst wenn GDF nun größer werden sollte als Eon. Manchmal ist es ganz gut, nicht überall der Größte zu sein. Bemerkenswert ist hingegen, wie gut koordiniert EDF und GDF voranschreiten. Mit den freien Kräften des Marktes indes hat das wenig zu tun.
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Der französische Energiekonzern GDF Suez will mit einer Übernahme zum umsatzstärksten Versorger und, gemessen an der Erzeugungskapazität, zum größten Stromproduzenten der Welt aufsteigen. Nach langen Verhandlungen kommen die Franzosen beim britischen Konkurrenten International Power (IP) zum Zuge. Das fusionierte Unternehmen wird über eine Kraftwerkskapazität von mehr als 66 Gigawatt verfügen. Zudem sind neue Anlagen mit einer Leistung von 22 Gigawatt geplant. In Europa ist GDF Suez ohnehin schon der größte Gasversorger. Der Konzern war vor rund zwei Jahren aus der Fusion des Gasversorgers Gaz de France und des Mischkonzerns Suez entstanden. Briten und Franzosen wollen nun eine neue Gesellschaft gründen, in der International Power aufgeht und in die GDF Suez vor allem seine außereuropäischen Aktivitäten einbringt. Zusätzlich zahlen die Franzosen knapp 1,7 Milliarden Euro in bar an die IP-Aktionäre.
Präsenz im Ausland verbessert sich
GDF Suez baut damit auch seine Präsenz in den Vereinigten Staaten, im Nahen Osten sowie in Asien aus und erhält Zutritt zu den Märkten in Großbritannien und Australien. Damit klappt der Zusammenschluss im zweiten Anlauf. Beide Unternehmen hatten im Januar ihre Gespräche zunächst für gescheitert erklärt. Im Juli wurde dann bekannt, dass sie die Verhandlungen abermals aufgenommen hatten. Die Übernahme vollzieht sich technisch gesehen durch eine Verschmelzung der GDF-Tochtergesellschaft GDF Suez Energy International mit dem kleineren Rivalen IP. Zudem wird den Aktionären des britischen Versorgers eine Sonderdividende von 92 Pence je Aktie angeboten, wie die Unternehmen am Dienstag mitteilten. GDF halte an der neuen Gesellschaft, deren Aktien an der Börse in London notiert sein werden, dann einen Anteil von 70 Prozent.
84 Milliarden Euro Jahresumsatz
Die fusionierte Gesellschaft kommt auf einen Jahresumsatz von rund 84 Milliarden Euro. Der Düsseldorfer Konkurrent Eon, der am Mittwoch Zahlen vorlegt, hat 2009 einen Umsatz von 81,8 Milliarden Euro gemacht. GDF ist nicht der erste französische Konzern, der auf den britischen Strommarkt strebt: Vor zwei Jahren stieg Konkurrent EDF bei British Energy ein. Nur zwei der sechs großen britischen Versorger sind noch in einheimischer Hand.
International Power ist allein an mehr als 50 Kraftwerken beteiligt. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen bei einem Umsatz von 3,9 Milliarden Pfund (umgerechnet 4,7 Milliarden Euro) einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 1,4 Milliarden Pfund (1,68 Milliarden Euro). GDF Suez rechnet durch die Fusion mit Synergieeffekten von bis knapp 200 Millionen Euro. Der Zusammenschluss werde sich schon im ersten Jahr positiv auf die Erträge auswirken, hieß es. Von Vermögenswerten im Volumen von 4 bis 5 Milliarden Euro will man sich nach dem Zusammenschluss trennen, doch sei noch nicht darüber entschieden, in welchen Ländern dies geschehen solle.
Größter Aktionär stimmt zu
Dank der Erholung der Wirtschaft hat GDF Suez seinen Gewinn im ersten Halbjahr um 9,3 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gesteigert. Der Umsatz legte leicht um 0,3 Prozent auf 42,3 Milliarden Euro zu. Erste Reaktionen unter den Anteilseignern der mit 4,4 Milliarden Euro verschuldeten International Power waren positiv. „Die Kombination der beiden Unternehmen wird eine größere, stärkere Einheit mit mehr Wachstumsmöglichkeiten bilden”, ließ sich Neil Woodford, der Investmentchef der Investmentgesellschaft Invesco zitieren, die mit 11,2 Prozent führender Anteilseigner der Briten ist. Invesco stimme dem Abkommen daher zu.