Die Frage, wer die Warenhauskette Karstadt aus der Insolvenz führen wird, steht unmittelbar vor der Entscheidung – und das Pendel scheint sich immer mehr dem Privatinvestor Nicolas Berggruen zuzuneigen. Auch die beteiligten Banken, die das Rennen über das Vermieterkonsortium Highstreet lange offengehalten haben, vermitteln diesen Eindruck zunehmend glaubwürdig. Es geht um 25 000 Arbeitsplätze.
Die Deutsche Bank, die von Berggruen in einem Gespräch mit der F.A.Z. ob ihres Verhaltens in der vergangenen Woche noch scharf angegangen worden war, pocht jedenfalls darauf, ausschließlich Berggruen zu unterstützen. Es gelte das, was der Vorstand in Frankfurt sage, in diesem Fall der zuständige Jürgen Fitschen. Andere Wahrnehmungen hätten nie der offiziellen Linie entsprochen. Nur Berggruen habe einen gültigen Kaufvertrag mit dem Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg, der folglich mit niemand anderem verhandeln könne. Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs, die ebenso wie die Deutsche Bank für einen Teil der Highstreet-Geldgeber steht, hatte schon vor Wochen deutlich gemacht, an ihr werde ein Lösung mit Berggruen nicht scheitern. Auch das wurde zuletzt auf Nachfrage wiederholt und bekräftigt – obwohl es immer wieder Streitigkeiten im Konsortium gab und gibt.
Verdi und Görg für Berggruen
Hinzu kommt, dass sowohl die Gewerkschaft Verdi als auch Görg sehr deutlich Stellung für Berggruen beziehen. Görg hat das Angebot des italienischen Unternehmers Maurizio Borletti für Karstadt am Dienstag in einem Brief an dessen Unternehmensgruppe sogar als „substanzlos” verworfen. Borlettis Erklärung, er habe unterschriftsreife Verträge für eine Karstadt-Übernahme vorgelegt, treffe nicht zu. Darüber habe er auch den Gläubigerausschuss informiert, der über das Schicksal von Karstadt entscheidet.
Ein angeblich bereits unterschriebener Mietvertrag zwischen Borletti und Highstreet liege ihm nicht vor, schreibt Görg. Der Insolvenzverwalter bezweifelt zudem, ob Borletti Karstadt, wie von seinen Anwälten angekündigt, tatsächlich ohne eine kartellrechtliche Prüfung übernehmen könne. Hier gebe es Widersprüche. Müssten die Kartellbehörden einer Übernahme zustimmen, würde sich eine Entscheidung über die Zukunft von Karstadt weiter verschieben. Borletti habe sich zudem nicht zu Kreditkonditionen seines Partners Gordon Brothers geäußert. Offen sei etwa, zu welchen Bedingungen und gegen welche Sicherheiten der Finanzinvestor Geld zur Verfügung stellen wolle: „Jeder der Beteiligten – Senior- wie Mezzanine-Kapitalgeber – kann, soll und muss wissen, dass Borlettis Papiere nicht unterschriftsreif sind”, schreibt Görg mit Blick auf die Kapitalgeber des Vermieterkonsortiums Highstreet weiter. Offiziell bis um 24 Uhr am Donnerstag muss Berggruen eine Einigung mit Highstreet erzielt haben, damit der von ihm Anfang Juni unterzeichnete Kaufvertrag auch gültig werden kann. Die Verhandlungen könnten sich wohl aber auch bis in die Morgenstunden hinziehen.
Die Entscheidung
Am Donnerstagvormittag treffen sich in London zunächst die Highstreet-Gläubiger, die als sogenannte Senior-Kapitalgeber über Anleihen direkt an der Finanzierung der Karstadt-Immobilien beteiligt sind (Bondholder). Bei dieser über die Immobilien abgesicherten Gläubigergruppe gilt eine Zustimmung als wahrscheinlich. Schwieriger ist die Lage bei den Mezzanine-Gläubigern. Diese Kapitalgeber sind direkt an Highstreet beteiligt. Darlehen von Mezzanine-Gläubigern sind in der Regel nicht über Vermögenswerte wie Immobilien abgesichert – und die Finanzierungskonstruktionen, um die es geht, sind sehr kompliziert. Allein hier gibt es nochmals drei verschiedene Gläubigergruppen A, B und C mit unterschiedlichen Interessen. Wie zu hören ist, gibt es aber durchaus einen Plan, wie alle Mezzanine-Gläubiger unter einen Hut zu bringen wären.
In zwei getrennten Abstimmungen müssen diese Geldgeber, die in den beiden Lagern um die Deutsche Bank und Goldman Sachs gebündelt sind, die von Berggruen geforderten Mietsenkungen billigen – oder ablehnen. Bei den Mezzanine-Gläubigern ist eine Zustimmungsquote von 100 Prozent erforderlich.
Ringen bis zu letzten Sekunde
Freitag früh um 10 Uhr muss ein Ergebnis vorliegen: Dann will das Essener Gericht über die Annahme des Insolvenzplans entscheiden. Im Lager Borlettis hingegen hält man auch hier noch eine Verschiebung für möglich – und arbeitet offenbar bis zuletzt daran, in den Abstimmungen der Gläubiger zu punkten.