Ad hoc

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Unternehmen bestimmen unser tägliches Leben. Aber was bewegt die Unternehmer? Über Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen.

Lehren aus der IT: Für Innovationen braucht man Entwickler und Akquisitionen

Die beiden Chefs des zweitgrößten deutschen Softwarekonzerns Software AG, Karl-Heinz Streibich und Arnd Zinnhardt, im Gespräch über die Konsolidierung der Branche, Dividenden und die Frage, wie Deutschland Weltmeister werden kann.

Die beiden Chefs des zweitgrößten deutschen Softwarekonzerns Software AG, Karl-Heinz Streibich und Arnd Zinnhardt, im Gespräch über die Konsolidierung der Branche, Dividenden und die Frage, wie Deutschland Weltmeister werden kann.

Herr Streibich, im Jahr 2007 haben Sie Webmethods und 2009 IDS Scheer gekauft. Ist die Software AG nun bis auf weiteres mit der Integration dieser Zukäufe beschäftigt – oder haben Sie schon wieder Feuerkraft?

Die Integration von Webmethods ist vollständig abgeschlossen, und wir sehen, dass sich die Umsätze dort in den ersten sechs Monaten 2010 auf Rekordniveau bewegen. Das gilt auch für die Profitabilität des Geschäftsbereiches.

Und bei IDS Scheer?

Dort sind wir mit der Integration sehr gut unterwegs, und wir glauben, die Arbeiten im Laufe des nächsten Jahres abgeschlossen zu haben. Sehr erfreulich ist, dass wir die dem Kapitalmarkt avisierten Kostensynergien erreichen werden und wir auch schon in den ersten Quartalen sehr erfreuliche Geschäftsabschlüsse mit einer Produktkombination aus Webmethods und dem IDS-Scheer-Kernprodukt Aris abschließen konnten.

Aber generell gilt, dass Akquisitionen dieser Größenordnung Management-Ressourcen binden …

… dementsprechend sind wir davon überzeugt, dass größere Akquisitionen zeitlich so zu takten sind, dass die jeweils letzte Akquisition zunächst integriert sein muss, bevor wir uns einem neuen Zielunternehmen zuwenden sollten.

Die Vorstandsumbildung hat zuletzt für einige Irritationen gesorgt?

Die aktuelle Führungsstruktur, die wir uns in der Software AG gegeben haben, setzt sich aus zwei Gremien zusammen: dem Vorstand und dem Group Executive Board. Für eine Gesellschaft unserer Größenordnung halten wir es für zielgerichtet, den Vorstand, der die aktienrechtliche Verantwortung trägt, überschaubar zu halten. Im Group Executive Board vereinen wir die operative Verantwortung der einzelnen Geschäftsbereiche. Damit erreichen wir zwei Ziele. Zum einen trägt diese Struktur dem Umstand Rechnung, dass unsere Strategie auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet ist. Zum anderen können wir so ein attraktives Paket für erfahrene Manager schnüren, die wir für die Software AG gewinnen wollen.

Warum sind Zukäufe überhaupt wichtig?

Diese Frage beinhaltet mehrere Aspekte. Erstens: Innovation. Wir sind der Überzeugung, dass Innovation durch zwei Komponenten betrieben wird. Zum einen durch die eigenen Entwickler, zum anderen durch Akquisitionen. Kein Unternehmen kann für sich in Anspruch nehmen, alle sich am Horizont abzeichnenden Markttrends stets korrekt vorhersehen zu können. Daraus folgt unmittelbar, dass bestimmte Marktentwicklungen zunächst besser abgewartet werden, um zu verstehen, ob sich diese Themen am Markt durchsetzen. Und zweitens: Größe und Skaleneffekte.

In welcher Hinsicht bringen sie die Software AG voran?

Die IT-Industrie befindet sich auf der Welt in einer Konsolidierungsphase. Wir sehen, dass gerade in der Software-Branche in erheblichem Umfang Skalenvorteile realisiert werden können. Diese Skalenvorteile haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Profitabilität der IT-Unternehmen und damit auf Aktienkurse und Marktwerte. Dies steht in unmittelbarem Zusammenhang damit, dass den Kunden mit der bestehenden Vertriebsmannschaft zusätzliche Produkte angeboten werden können und die Software AG sich als strategischer Partner bei den Kunden positionieren kann.

Sie haben seit Ihrem Amtsantritt eindeutig eine Erfolgsgeschichte hinter sich. Aber hat die interessierte Öffentlichkeit schon gut genug verstanden, wohin sich die Software AG in den kommenden Jahren entwickeln soll und was das Unternehmen überhaupt macht, nämlich Programme zur Steuerung der IT-Infrastruktur und zur Analyse und Verwaltung von Geschäftsprozessen?

Sie haben recht. Die Software AG hat sich in den letzten sechs bis sieben Jahren sehr erfreulich entwickelt. Wir haben den Umsatz verdoppelt und die Gewinne sowie den Cashflow vervielfacht. Alle diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich der Aktienkurs in diesem Zeitraum nahezu verzehnfacht hat. Die Antwort auf die Frage, ob die Öffentlichkeit verstanden hat, was wir machen, muss separat für die jeweilige Zielgruppe innerhalb der Öffentlichkeit erfolgen. Die Produkte, die die Software AG produziert und vermarktet, sind hochperformante, hochinnovative Produkte, die dem IT-Fachpublikum sehr wohl bekannt sind. Für die Öffentlichkeit ohne speziellen IT-Zugang ist es zugegebenermaßen schwer zu verstehen, was unsere Produkte bewirken.

Mit einem Blick auf den Aktienkurs gelingt Ihnen die Vermittlung dieser Inhalte gegenüber den Analysten offenbar besser …

…zum einen haben wir – trotz der Finanzkrise in den letzten zwei Jahren – die letzten fünf, sechs Jahre jeweils mit Rekordergebnissen abgeschlossen. Darüber hinaus haben wir unsere Erwartung an die Geschäftsentwicklung, die wir an die Finanzmärkte kommuniziert haben, stets erreicht oder sogar übertroffen. Wir glauben, dass dieses Maß an Verlässlichkeit und Transparenz die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Analysten und Investoren ist. Das Thema der Verlässlichkeit hat aber, und das ist der dritte wesentliche Aspekt, noch eine weitere Komponente – nämlich die der kontinuierlichen Kommunikation und Information von unternehmensrelevanten Tatsachen und zukünftigen Marktentwicklungen. Und das übrigens nicht nur, wenn die Sonne scheint, sondern auch dann, wenn einem einmal eine kräftige Brise ins Gesicht bläst. Auch das ist eine Frage der Verlässlichkeit.

Herr Zinnhardt, wäre es nicht dennoch sinnvoller, das Geld sehr viel stärker für eigene Innovationen einzusetzen?

Wir investieren schon heute 14 bis 15 Prozent unseres Produktumsatzes in unsere hausinterne Forschung und Entwicklung. Im Geschäftsbereich Business Process Excellence, der der Wachstumstreiber auch in den nächsten Jahren sein wird, liegt die Quote sogar über 20 Prozent. Diese Werte enthalten dabei noch nicht einmal die annualisierten Abschreibungen für die in den vergangenen Jahren erworbenen Produkte. Ich glaube, dass diese Werte zeigen, dass wir nachhaltig in unsere Innovationskraft investieren. Gleichwohl möchte ich – aus den eingangs genannten Gründen – nicht auf die Komponente der zugekauften Innovationen verzichten. Hier sollten wir ebenfalls nicht außer Acht lassen, dass wir bei der Akquisition größerer Unternehmen nicht nur Produkte, sondern auch Kundenzugang, Kundenbasis und Vertriebskanäle erwerben.

Das heißt, Sie wollen den Erfolg eines Unternehmens nicht nur auf seine Produkte reduziert sehen?

Richtig, denn das trägt nicht dem Umstand Rechnung, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg aus dem Zusammenspiel von marktführenden Produkten, hervorragendem Kundenzugang und fachlich auf dem höchsten Niveau arbeitenden Beratern generiert wird.

Man könnte, statt Unternehmen zu kaufen, ja auch die Dividende weiter erhöhen…

In den vergangenen Jahren haben wir die Dividende je Aktie in jedem Jahr gesteigert. Wir hatten im vergangenen Jahr eine Dividendenausschüttungsquote von 25 Prozent. Diese Quote ist für ein innovatives Wachstumsunternehmen, wie es die Software AG ist, ein hoher Wert. Es ist den Aktionären sehr viel mehr damit gedient, durch ein erfolgreiches wirtschaftliches Arbeiten den Aktienkurs nachhaltig zu steigern. Eine notwendige Voraussetzung dafür sind Investitionen in das eigene Geschäftsmodell. Eine Komponente dieser Investitionen sind die bereits angesprochenen Akquisitionen. Es ist unser Bestreben, diese Akquisition nicht mittels Kapitalerhöhung, sondern aus dem generierten Cashflow zu finanzieren und damit eine Verwässerung des Kapitals unserer Aktionäre zu vermeiden.

Herr Streibich, warum sind echte Innovationen so schwierig?

Die Software AG erwirtschaftet heute mehr Umsatz mit solchen Produkten, die in den letzten Jahren ins Portfolio aufgenommen wurden, als mit jenen, die zu den traditionellen Produkten unseres Hauses zählen. Das zeigt, wie ich finde, deutlich, dass wir unsere Hausaufgaben hinsichtlich Innovation in der jüngsten Vergangenheit gemacht haben. Ich gebe Ihnen aber, wenn wir den gesamten IT-Markt anschauen, recht, dass sich die etablierten Spieler sehr viel Innovationskraft aus externen Quellen in das jeweils eigene Unternehmen gebracht haben. Erfolgreiche Innovation bedeutet, einen gewissen Weitblick über die Marktverhältnisse in den nächsten Jahren zu haben.

Das kollidiert zum Teil mit den eher kurzfristigen, quartalsgetriebenen Sichtweisen des Kapitalmarkts…

Ich glaube, es ist das Geheimnis eines erfolgreichen Managementteams, eine gesunde Balance zwischen langfristig ausgerichteter geschäftlicher Orientierung und der Berücksichtigung von Kapitalmarktinteressen zu finden.

Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, dass die Software AG gut zum zweiten großen deutschen Softwarekonzern SAP passen würde …

SAP und die Software AG sind zwei erfolgreich operierende Unternehmen. Zwischen der SAP und der Software AG bestehen partnerschaftliche Verbindungen. So vertreibt SAP Aris über ihre Vertriebskanäle. In der jüngeren Vergangenheit haben wir zudem verstärkt mit den Kollegen aus Walldorf zusammengearbeitet und im Rahmen dieser Projekte erfolgreich unser Produktportfolio Webmethods bei gemeinsamen Kunden implementiert. Außerdem hat die Software AG seit der Akquisition von IDS Scheer SAP-Beratungskompetenz.

Eine noch engere Verbindung steht nicht auf der Tagesordnung?

Die Beantwortung einer solchen Frage stellt einen insiderrelevanten Tatbestand dar.

Und eine Übernahme der Software AG durch Dritte? Gerade in Ihrem Marktsegment hat es in der jüngeren Vergangenheit eine gewisse Konzentration gegeben …

Ja, das stimmt. Die gesamte IT-Industrie tritt oder ist in der jüngeren Vergangenheit schon in eine Phase der Marktkonsolidierung getreten. Die Software AG ist mit ihrem Produktportfolio und ihrer finanziellen Stärke bestens für die nächsten Jahre gerüstet. Wir glauben, dass die Software AG deshalb den Wettbewerb beherzt annehmen kann und sich auch in der Zukunft erfolgreich am Markt positionieren wird. Neben diesen ökonomischen Aspekten dürfen Sie auch nicht vergessen, dass wir mit der Software AG Stiftung einen Ankerinvestor haben, der über knapp 30 Prozent des gezeichneten Kapitals verfügt.

Ist das Stiftungsmodell für Unternehmen sogar eine Art Königsweg für Erfolgsgeschichten in Deutschland?

Der Aufbau eines globalen Spielers nimmt einige Zeit in Anspruch. Diese Zeit ist notwendig, um Vertriebsstrukturen in den relevanten Märkten aufzubauen. Dies wird durch eine stabile Eigentümerstruktur, die einen gewissen Schutz vor feindlichen Übernahmen bietet, erleichtert. Insofern ist die Kombination aus Stiftung einerseits und Zugang zum Kapitalmarkt andererseits für viele Unternehmen möglicherweise der Königsweg: Sichert er doch sowohl Stabilität als auch Kapitalmarktzugang, und damit Zugang zu finanziellen Ressourcen, die die Gründungsaktionäre allein nicht aufbringen könnten.

Herr Streibich, Sie sind Mitglied im Vorstand des Branchenverbands Bitkom: Hat die Branche nicht nach wie vor zu wenig politisches Gewicht?

Der Bitkom ist eine exzellente Plattform, um die Interessen der Branche zu vertreten. Insbesondere der IT-Gipfel der Bundeskanzlerin und viele andere Events in Berlin und Brüssel zeigen das Gewicht des Bitkom. Wir sind da in Deutschland sehr gut aufgestellt.

Aber reicht es, wenn die Bundeskanzlerin einmal im Jahr zum IT-Gipfel kommt?

Es ist sehr gut, dass sie kommt. Dazwischen gibt es nicht nur sehr viele Treffen zwischen unserer Branche und der Politik durch die Arbeit in den Arbeitskreisen, sondern natürlich auch viele Kontakte der Firmen in die Politik und Verwaltung, als Lieferanten, aber auch als gefragte Fachleute zu allen Themen des Einsatzes der Informations- und Kommunikationstechnologie

Was ließe sich noch verbessern? Diese aufstrebende Industrie braucht doch nicht etwa staatliche Förderung?

Verbessern kann man natürlich einiges. Zum Beispiel ist Deutschland im europäischen Vergleich nur an 13. Stelle beim Thema „E-Government”, also der Abwicklung von staatlichen Verwaltungsakten und Dienstleistungen mit elektronischen Mitteln. Dieses schwache Abschneiden hat nichts mit unserem industriellen Anspruch eines Exportweltmeisters zu tun. Da müssen wir besser werden.

In welcher Hinsicht?

Die Forschungsförderung durch Abschreibungsmöglichkeiten, die in vielen westlichen Ländern üblich ist, sollte unbedingt wieder auf die Tagesordnung kommen. Darüber hinaus müssen wir die Technikfreundlichkeit der deutschen Bevölkerung weiter unterstützen. Man wird nun mal nur dann wieder Weltmeister, wenn ein Thema auf breite Akzeptanz und Begeisterung in der gesamten Bevölkerung trifft, siehe Fußball.

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