Seine Ausstrahlung wirkt lässig und zugleich hochkonzentriert. Der Vorstandsvorsitzende von Henkel ist über die jüngst vorgelegten exzellenten Quartalszahlen erleichtert und freut sich über die fulminante Börsenreaktion. Aber er verströmt auch das Gefühl der Anspannung eines Leistungssportlers vor dem nächsten Wettkampf. „Wir sind schon ein gutes Stück des Weges gegangen, aber wir haben auch noch einen weiten Weg vor uns”, kündigt Kasper Rorsted im Gespräch mit dieser Zeitung an. Damit meint er die ehrgeizigen Renditeziele, die der Vorstand des Waschmittel- und Klebstoffkonzerns im Jahr 2008, also unmittelbar vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise, für das Jahr 2012 vorgegeben hat. Eine bereinigte Marge (bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 14 Prozent wollen die Düsseldorfer bis dahin erreichen.
Für solche aus damaliger Sicht schier unerreichbar erscheinenden Vorgaben hat Rorsted viel Kritik auch von den Mitarbeitern einstecken müssen: „Viele von ihnen haben sich sehr schwer damit getan”, blickt er zurück. „Aber es war gut und richtig, eine klare Richtung vorzugeben.” Jetzt, wo im besten Quartal der Unternehmensgeschichte erstmals auf Konzernebene eine Ebit-Marge von 13 Prozent erwirtschaftet wurde, muss er die Begeisterung beinahe bremsen. „Aber”, so fügt der durchtrainierte Manager, der sein Tagespensum schon vor 6 Uhr mit Joggen beginnt, hinzu: „Es ist bei Henkel jetzt ein wenig wie im Sport: Wenn man anfängt zu gewinnen, hat man automatisch einen guten Lauf.”
Noch immer ein Renditeabstand zum Wettbewerb
Und den benötigt der Düsseldorfer Traditionskonzern. Denn der Renditeabstand zu großen Wettbewerbern wie Procter & Gamble oder Reckitt Benckiser ist noch immer sehr groß. Zwar ist Henkel mit seinem größten Geschäftbereich, dem Klebstoffgeschäft für Konsumenten und Industrie, mit großem Abstand Weltmarktführer. Im Waschmittel- und Reinigungsgeschäft sowie im Kosmetik- und Köperpflegegeschäft besetzt das Unternehmen trotz berühmter Traditionsmarken wie Persil, Dixan, Pril, Ata, Schwarzkopf, Fa oder Aok nur in Teilmärkten führende Positionen. Schneller als der Wettbewerb will Rorsted vor allem bei Innovationen sein. „Wir müssen immer neue Nischen finden, in denen wir spielen können.” Procter habe den Preiskrieg bei Waschmitteln angezettelt, und dennoch habe Henkel die Marktanteile gewonnen, berichtet er zufrieden.
„Ohne ständige Innovationen sind wir auch nicht in der Lage, im Handel höhere Preise zu erzielen”, ergänzt er. Besonders stolz ist er auf den unerwartet großen Erfolg der mitten in der Wirtschaftskrise in 25 Ländern nahezu gleichzeitig eingeführten Marke Syoss. Diese Marke, die den Kundinnen professionelle Haarpflege zu einem günstigen Preis verspricht, konnte vom Start weg signifikante Marktanteile gewinnen. Natürlich wünscht sich der Henkel-Chef mehr solcher Renner. „Es ist aber wichtig, Kreativität und Disziplin in der Umsetzung zu verbinden”, schränkt er ein. In der Kosmetik-Sparte funktioniere das besonders gut. Jedoch auch dort, wo Henkel als die Nummer eins auf der Welt den Ton angibt, ist Innovation die größte Herausforderung. Denn vor allem das industrielle Kleben, also das Setzen von Klebepunkten oder Klebenähten bei der Produktion von Autos, Flugzeugen oder Mobiltelefonen, steht nach seiner Ansicht noch ziemlich am Anfang. Er nennt ein Beispiel für Fortschritt durch Innovation und verbesserte Technik: Kann die Temperatur des Klebers bei der Windelproduktion um 30 auf 130 Grad heruntergekühlt werden, ist eine deutlich erhöhte Laufgeschwindigkeit der Anlagen möglich.
Mit weniger Marken
Nicht mit mehr, sondern mit deutlich weniger Marken will Henkel künftig im Wettbewerb antreten. Denn schon heute macht Henkel in der Kosmetik 90 Prozent des Umsatzes mit zehn Top-Marken, unter den Wasch- und Reinigungsmitteln tragen die zehn wichtigsten Marken 82 Prozent des Umsatzes. Viele Dutzend Marken wurden in den vergangenen beiden Jahren aus dem breiten Portfolio verbannt. Im nächsten Jahr soll nochmals ein kräftiger Aufräumschub folgen, kündigt Rorsted an.
Einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg sind für Rorsted aber gute Mitarbeiter, denn nur mit der besten Mannschaft ist der Lauf letztlich zu schaffen. Das Stichwort „Diversitiy”, Vielfältigkeit, hat sich der gebürtige Däne zu seinem Antritt als Henkel-Chef vor bald drei Jahren auf die Fahnen geschrieben. „Wir sind in der Führung schon deutlich internationaler geworden”, sagt er und verweist dabei nicht zuletzt auf das Vorstandsgremium, in dem neben ihm außer zwei Deutschen ein Belgier, ein Österreicher und (demnächst) ein Franzose sitzen. „Früher war die Führungsmannschaft mehr auf Düsseldorf konzentriert. Heute sind die Leute da, wo das Geschäft ist, das verschafft uns eine globalere Sicht”. Auch dank der Übernahme des Klebstoffgeschäftes von National Starch liegt das Geschäft heute zu 85 Prozent im Ausland. Allein die Wachstumsmärkte in Osteuropa, Asien/Pazifik und Lateinamerika machen inzwischen mehr als 40 Prozent aus, wie er stolz hervorhebt.
Bereit sein, ins Ausland zu gehen
Deshalb müssen angehende Führungskräfte auch bereit sein, ins Ausland zu gehen, sonst werden sie heute bei Henkel keine Karriere machen. „Auslandserfahrungen können nicht aus Mallorca-Urlauben gewonnen werden.” Es klingt humorvoll, wenn er so etwas sagt. Aber es ist ihm sehr ernst. Als im vergangenen Jahr bei den jährlich stattfindenden Mitarbeiterbewertungen, den sogenannten „Development Round Tables”, mehr als 9000 Führungskräfte in einem einheitlichen transparenten Prozess unter die Lupe genommen wurden, sollten eigentlich rund 200 Top-Mitarbeiter herausgefischt werden. „Wir wollten wissen, wie viele Spitzenleute wir an Bord haben.” Wie Rorsted bedauert, waren es wegen der äußerst strengen Beurteilungskriterien am Ende nur 60 sogenannte High-Potentials, aus denen zum Beispiel möglicher Vorstandsnachwuchs rekrutiert werden kann.
Rorsted räumt auch ein, dass der Düsseldorfer Konzern mehr an seiner Außendarstellung feilen und die Dachmarke Henkel international noch sehr viel stärker kommunizieren muss, um global die besten Mitarbeiter rekrutieren zu können. „Das ist eine unserer größten Herausforderungen.” Der Ruf von Henkel sei noch immer ein bisschen zu deutsch, ein bisschen zu bieder und zu wenig dynamisch, stellt er fest. „Allein mit 5 Prozent mehr Geld können Sie die den qualifizierten Führungsnachwuchs nicht mehr locken.”
Kleiner als Unilever oder Procter & Gamble
Henkel ist sehr viel kleiner als internationale Markenartikler wie Unilever oder Procter & Gamble. Als ein wichtiges Argument dient daher das Versprechen, viel schneller Führungsverantwortung übernehmen zu können, beschreibt der Manager, der viele Jahre leitende Positionen in der IT-Branche besetzt hat. Ein anderer Anreiz ist die Chance, auf Kosten des Unternehmens Weiterbildungsangebote bis hin zu zwei Monate währenden Aufenthalten an der Harvard-Universität absolvieren zu können. „Wir betonen unseren hohen Anspruch an Nachhaltigkeit und die Tatsache, dass wir als Familienunternehmen für junge Führungskräfte attraktiv sind.”
„Diversity” heißt aber auch mehr Frauen in Führungspositionen. Wie steht Rorsted zur Einführung einer Frauenquote? „Wir wollen keine Quoten, allein die Leistung soll zählen. Darin sind Frau Bagel-Trah und ich uns einig.” Simone Bagel-Trah ist die Ururenkelin des Firmengründers Fritz Henkel und heutige Aufsichtsratsvorsitzende des familiengeprägten Konzerns. Auch die promovierte Biologin und selbständige Unternehmerin musste ein strenges Auswahlverfahren durchlaufen, um auf diese Position zu kommen. Bei Henkel gebe es nicht erst seit seinem Einstieg vor fünf Jahren eine „Frauenbewegung”, betont der Henkel-Chef. Es seien schon 28 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt, und dieser Prozentsatz steige jährlich um einen Prozentpunkt. Der Vater von vier Kindern verweist auf die reibungslose Zusammenarbeit mit einer seiner Assistentinnen, einer jungen Mutter. „Mir ist doch völlig gleich, wo sie an ihrem Computer sitzt. Dass es funktioniert, zählt.” In Geschäftsfeldern wie beispielsweise der Kosmetik- und Köperpflegesparte müsse Henkel fast schon über die Einführung einer Männerquote nachdenken, sagt er. „Aber bestimmt sind wir dort nur deshalb so erfolgreich, weil so viele Frauen dabei sind.” Zwar hat Henkel als erster Dax-Konzern eine Chefin des Aufsichtsrats. Doch der Vorstand ist trotz der vielen überwiegend von Frauen gekauften Henkel-Produkte ausschließlich männlich besetzt. „Liebend gern hätten wir eine Frau in dem Gremium. Doch wir wollen grundsätzlich jeweils den oder die Besten für die jeweilige Aufgabe. Ziel ist, gute Ergebnisse zu erzielen.” Dabei will der Manager einen respektvollen Umgang miteinander.
Winning Culture
Eine „Winning Culture” will er im Unternehmen schaffen. Um die ehrgeizigen Finanzziele zu erreichen und um die Aufmerksamkeit von Nachwuchstalenten auf Henkel zu richten. Rorsted spricht viel von Unternehmenskultur und gemeinsam gelebten Werten, die nach innen und außen abstrahlen sollen. Als es Ende Juni auf einer internationalen Führungskräftetagung um die künftige strategische Ausrichtung ging, wurden in verschiedenen Arbeitskreisen fünf Werte herausgefiltert, die künftig im Vordergrund jeglichen Handelns stehen sollen. Diese Werte seien mit der Familie diskutiert und gemeinsam verabschiedet worden, betont Rorsted. Kunden in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen, Mitarbeiter zu fordern und zu fördern und einen herausragenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg anzustreben, sind drei der Werte, die man wohl in jedem Unternehmen erwarten würde. Henkel will zudem die führende Rolle im Bereich Nachhaltigkeit ausbauen und explizit die Zukunft auf dem Fundament des erfolgreichen Familienunternehmens aufbauen. Vor allem Letzteres mache die Düsseldorfer im Wettbewerb einzigartig, ist Rorsted überzeugt.
Ist es für einen international geprägten Manager ein Spagat, ein Unternehmen zu führen, das zum einen am Kapitalmarkt gelistet ist, zum anderen aber das Flair eines Familienunternehmens ausstrahlt? Der 48 Jahre alte Rorsted verneint das: „Ich bin da völlig rational. Ich betrachte die Familie genauso als Investoren wie die übrigen Aktionäre.” Das Vermögen aller gelte es gleichermaßen zu verwalten. Und doch gehört Henkel eher zu den Besonderheiten im Dax: Es ist ein Konglomerat, das den Automobilbauer in Amerika genauso bedient wie den Friseur in Deutschland. „Und die Familie schätzt diese Struktur.”, sagt Rorsted.
Das Gespräch führten Brigitte Koch und Carsten Knop.