Bill Gates ist ein Nomade mit einer Mission. Jahrelang zog er um die Welt, um den Menschen die Vorzüge von Computerprogrammen seines Unternehmens nahezubringen. Damit hatte er bei Microsoft einigen Erfolg. Diese Arbeit erledigen inzwischen andere an seiner Stelle. Heute ist Gates mit anderen Anliegen unterwegs, dem Kampf gegen die Kinderlähmung zum Beispiel – und er tut dies mit noch größerer Leidenschaft als früher, als es im Zweifel nur um die nächste Version des Betriebssystems Windows ging und auf der Bühne nicht selten etwas schief lief.
Diese Zeiten sind vorbei. Wenn Gates heute auftritt, klappt alles. Dann kommt zum Beispiel der britische Premierminister David Cameron nach Davos, und stellt Spenden für den Kampf gegen die Kinderlähmung in Aussicht. Und am selben Abend fällt es dem Ehepaar Gates nicht schwer, eine illustre Runde von Gästen zusammenzustellen, von denen sich die unscheinbareren mit so überraschenden Worten vorstellen wie: „Ich bin ein Investor, der größte Einzelaktionär von Time Warner.”
Kampf gegen Polio
Dort bedankt sich Gates nur ganz knapp dafür, dass er die Anwesenden in den vergangenen Monaten einmal mehr mit diversen Bitten um Spenden und Unterstützung habe nerven dürfen. Er wisse, wie schwer es Regierungen häufig falle, in Zeiten von Krisen und knappen Finanzmitteln eben gerade nicht die Entwicklungshilfe zu kürzen. Dann bittet er die Bonos, Nicolas Berggruens und Christine Lagardes dieser Welt zum Käsefondue und denkt vermutlich schon an seinen nächsten Auftritt am gestrigen Montag in der Nähe von New York: im geschichtsträchtigen Roosevelt-Haus, dem ehemaligen Wohnsitz von Franklin Delano Roosevelt, in dem sich der zukünftige Präsident einst im Alter von 39 Jahren von einer Polio-Erkrankung erholte. Wenige Stunden zuvor hat Gates seinen Jahresbrief veröffentlicht, den dritten dieser Art, den er seit seinem Rückzug von der Spitze von Microsoft geschrieben hat. „Die Ärmsten der Welt werden im Gegensatz zu anderen Interessengruppen keine Regierungsspitzen besuchen, um sie von ihrem Anliegen zu überzeugen. Daher möchte ich mich für sie einsetzen, indem ich über Fortschritte berichte… vielleicht ist es paradox, dass jemand, der so viel Glück hatte, über die Notlage derjenigen berichtet, denen es nicht so geht”, heißt es dort.
Dann macht Gates eine Rechnung auf, die Menschen, die so logisch und betriebswirtschaftlich denken wie er selbst, helfen soll, ihre Taschen zu öffnen. Gates möchte helfen, die Kinderlähmung endgültig auszurotten. Er will dafür in den kommenden beiden Jahren die noch fehlenden 720 Millionen Dollar einsammeln. Die Belohnung, die Gates dafür in Aussicht stellt, lässt das Herz eines jeden Betriebswirts höher schlagen: „Durch die eingesparten Behandlungskosten und die wirtschaftliche Produktionskraft, eines jeden Erwachsenen, der als Kind nicht an Polio erkrankt ist, würde man in den nächsten Jahren bis zu 50 Milliarden Dollar einsparen”.
Keinen Streit um Nutzen und Nutznießer
720 Millionen bringen 50 Milliarden Dollar; das erinnert tatsächlich an die Margen im Softwaregeschäft, mit dem Unterschied, dass es dieses Mal keinen Streit um Nutzen und Nutznießer geben kann. Und Gates führt in seinem Brief noch andere Rechenbeispiele an: Ein Impfung koste lediglich 13 Cent je Dosis. An vielen neuen Impfstoffen gegen Malaria, Aids und Tuberkulose werde gearbeitet. Für jede Sparmaßnahme von 2000 Dollar in der Entwicklungshilfe sterbe ein Kind. Gates kann man nicht vorwerfen, dass es sein Geld wäre, an dem die Rettung eines Kindes scheiterte: Seine Stiftung ist von ihm und seinem Freund, dem Investor Warren Buffett, mit einem Stiftungskapital von 36,4 Milliarden Dollar ausgestattet worden. Und 58 Milliardäre haben schon die Verpflichtung unterschrieben, den größten Teil ihres Vermögens zu spenden. Auch dieser „giving pledge” ist eine Initiative von Gates.