Ad hoc

Auch in Sachen Japan: Hotline nach Amerika

Vor ein paar Tagen erinnerte ein Anruf bei einer Hotline an die Korrespondentenzeit in Amerika. Denn mit der Post war eine neue Kreditkarte gekommen. Auf ihr war ein roter Aufkleber angebracht. Man solle doch bitte den Empfang der Karte bestätigen, stand da. Solche Aufkleber kannten wir aus Deutschland bisher nicht, aber sicher ist sicher, die Aktion schien nachvollziehbar. Der erste Anruf, die Computerstimme: „Herzlich willkommen!! Dieser Anruf ist für Sie kostenlos! Bitte tippen Sie Ihre Kartennummer ein. Sie werden umgehend mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. Ratter. Tut, tut, tut.”

Warteschleifen, die ins Nirgendwo führen, hatten wir zwar auch zuerst in Amerika kennengelernt. Aber darum soll es hier nicht gehen. Noch ein Anruf. Tut. Noch einer: Tut, tut. Dann endlich: „Mein Name ist Verstehmichnicht Nichtversteh, was kann ich für Sie tun?” Es folgt der Dialog zur Kartenfreischaltung. So weit, so gut. Dann eine erstaunte Frage am anderen Ende der Leitung: „Ich sehe gerade, Sie haben das Sicherheitsfeature ja gar nicht freigeschaltet!?” Ach so, nein, nie gehört, warum denn nicht? „Ja, so etwas, das hat doch Vorteile, Vorteile, Vorteile.” Ja, bei so vielen Vorteilen ist das doch bestimmt nicht kostenlos? „Nein, aber Sie können a) monatlich oder b) in einem Jahresbetrag bezahlen. Was darf ich für Sie abbuchen?”

Abtropfen lassen

Solche Dialoge kann man nur dann gelassen mit einem „gar nichts” abtropfen lassen, wenn man eine solche Verkaufspenetranz vor Jahren in Amerika kennengelernt hat. Offensichtlich haben die deutschen Unternehmen dazugelernt.

Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Denn manchmal hat es gar keinen Sinn, sich überall zu verkämpfen. Zu dieser Erkenntnis ist in dieser Woche kein Geringerer als René Obermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, gelangt. Und dann zog er sich mit seiner Mobilfunk-Tochtergesellschaft T-Mobile USA aus Amerika zurück. Man kann es auch anders formulieren: Mal wieder hat sich ein deutsches Unternehmen in Amerika verzockt, hat unterschätzt, wie teuer über die Jahre der Anruf bei der Hotline werden kann, die deutsche Unternehmensführer am anderen Ende dazu verleitet, ein amerikanisches Unternehmen zu kaufen. Die Telekom, die Post, Daimler und andere haben gemerkt: Es kann passieren, dass man dort nicht nur a) den Kaufpreis, sondern b) auch noch Folgelasten, Folgelasten, Folgelasten begleichen muss.

Viel Geld versenkt

Um nicht immer auf der Telekom herumzuhacken: Für die Deutsche Post stand am Ende ein Desaster in Höhe von mehr als 7 Milliarden Euro in den Büchern. Und Daimler dürfte die „Hochzeit im Himmel” mit Chrysler insgesamt rund 40 Milliarden Dollar gekostet haben. Leider haben diese hohen Summen als Gradmesser des Versagens letztlich immer das Problem, abstrakt und nicht greifbar zu sein. Aber sie helfen in diesen Tagen in einem völlig anderen Zusammenhang, mit Blick auf die Katastrophen in Japan, etwas optimistischer zu werden.

Warum das so ist? Dort geht das verheerende Erdbeben gerade als teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten in die Geschichte ein: Auf bis zu 220 Milliarden Euro hat die Regierung in Tokio die Schäden geschätzt. Verbunden sind damit unendliches menschliches Leid und ein gewiss jahrelanger Wiederaufbau, der lediglich die materiellen Schäden heilen helfen wird. Aber die hohe Schadenssumme wird eben durch den Vergleich mit den deutschen Niederlagen in Amerika etwas greifbarer: Man vergleiche die Beträge, die allein die drei genannten Unternehmen in Amerika versenkt haben dürften – und schon spürt man, dass zumindest finanziell die Welt durch die Katastrophe in Japan nicht untergehen muss.

Viel Geld benötigt

Zudem erwarten die Fachleute mit Blick auf Japan, dass die enormen Investitionen in den Wiederaufbau die Wirtschaft dort langfristig wieder kräftig beleben werden. Gleichwohl ist erschreckend, wie wenig die Deutschen im Vergleich zu anderen Naturkatastrophen bisher zur Hilfe der Menschen in Japan gespendet haben. Hier könnte sich ein Anruf bei einer entsprechenden Hotline lohnen. Da kann man dann überweisen a) in Monatsraten oder b) in einem Betrag.

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