Dieter Kempf wird der neue Präsident des Informationstechnologie-Branchenverbandes Bitkom. Wenn der Chef des als Genossenschaft organisierten IT-Dienstleisters Datev aus Nürnberg seinen Namen ganz oben auf der Vorschlagsliste für das neue Präsidium des Bitkom finden wird – was nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Fall ist -, hat er die besten Aussichten, im Juni auch tatsächlich zum Präsidenten gewählt zu werden. Denn er hat alles, was ein neuer Präsident braucht. Zudem gibt es bislang keinen Gegenkandidaten für den heutigen Schatzmeister des Verbands. Darüber hinaus ist Kempf der Wunschkandidat des noch amtierenden Präsidenten August-Wilhelm Scheer, der den Prozess der Auswahl seines Nachfolgers in den vergangenen Wochen im engsten Kreis vorbereitet hat. Weder Kempf noch Scheer wollen die Personalie bestätigen, doch sie gilt als eine ausgemachte Sache.
Ein Fachmann
Damit würde sich der deutsche IT-Spitzenverband einen Fachmann für nahezu alle Themen an die Spitze holen, die diese Branche und die Politik in Deutschland bewegen – ganz besonders aber einen Experten für jene Entwicklung, von der sich Fachleute besonders viel versprechen: das Cloudcomputing, das Auslagern von unternehmensinternen Daten in externe Rechenzentren. Kempf steht seit anderthalb Jahrzehnten einer Unternehmung vor, das für seinen Kundenkreis der Steuer-, Rechts- und Wirtschaftsberater schon Cloudcomputing betrieb, als der Vorgang, um den es dabei geht, noch nicht die etwas nebulöse englische Bezeichnung trug, sondern den deutschen Begriff “Zentrale elektronische Datenverarbeitung”.
Datev-Werbung am Frankfurter Hauptbahnhof. Foto: Datev
Die Datev hat sich als Datenverarbeitungsorganisation der steuerberatenden Berufe schon seit Ende der sechziger Jahre unter ihrem Gründer Heinz Sebiger auf dieses Geschäftsfeld und einen überaus anspruchsvollen Kundenkreis konzentriert. Sie hat sich damals ihren eigenen Markt geschaffen und sich auf ihm vier Jahrzehnte lang mehr als nur behauptet. Die Datev zählt heute 40 000 Mitglieder, beschäftigt knapp 6000 Mitarbeiter und erlöst nahezu 700 Millionen Euro im Jahr. Kempf würde das nüchterner kommentieren: “Wir glauben schon, dass Cloudcomputing in den kommenden Jahren einer der Wachstumsmotoren der Branche sein wird”, hatte er im Gespräch mit dieser Zeitung im März gesagt. Der für die Branche so typische “Hype”, das Überhöhen langfristiger Entwicklungen, ist seine Sache nicht. Mit der Übernahme der Präsidentenamtes des Branchenverbandes Bitkom, der mehr als 1300 IT-Unternehmen in Deutschland vertritt, wird er mit dieser nüchternen Art noch an Profil gewinnen müssen.
Denn er tritt ein Amt an, das sein Vorgänger Scheer neu ausgerichtet, wieder mit stärkeren Konturen versehen und in der Berliner Politik bestens verdrahtet hat, vom Wirtschaftsministerium bis hinauf zum Bundeskanzleramt. Kempf wird den Spuren des charismatisch, entscheidungsstark und manchmal durchaus forsch auftretenden Scheer folgen und die politischen Drähte oft und intensiv einsetzen müssen. Denn es geht darum, für die Informationstechnologie- und Telekommunikations-Unternehmen hierzulande Rahmenbedingungen zu schaffen, die es zulassen, den seit Jahren mit viel Geld und Marktmacht vorpreschenden amerikanischen IT-Konzernen Paroli zu bieten – und das nicht nur auf dem Gebiet der Cloud.
Erfahrung und Vielseitigkeit
Da wird der Golfspieler und Motorradfahrer Kempf seine ganze Erfahrung und Vielseitigkeit in die Waagschaale werfen müssen. Die aber hat er, genauso wie Sprachgefühl und einen Wortwitz, über den gerade in dieser Branche nur wenige verfügen. Bewiesen hat er das in den vergangenen Jahren immer wieder, vor allem dann, wenn er sich in die steuerpolitische Diskussion eingemischt hat und dabei nicht selten deutlicher zu vernehmen war als zum Beispiel die Bundessteuerberaterkammer oder der Steuerberaterverband.
Für die Datev in Nürnberg ist Kempf schon seit dem Jahr 1996 als Vorstandsvorsitzender tätig. Unter seiner Führung brachte die Datev ihre Computer auf den neuesten Stand der Technik. Kempf organisierte die alles andere als triviale Umstellung der Datev-Systeme von den alten DOS-Programmen auf das 32-Bit-PC-Betriebssystem Windows, er erweiterte das Angebotsportfolio und kaufte Tochtergesellschaften im europäischen Ausland hinzu.
Geboren in München
Kempf wurde 1953 in München geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er an der dortigen Ludwig-Maximillian-Universität Betriebswirtschaft. Tagsüber saß er im Hörsaal, abends arbeitete er für die Schnellrestaurantkette McDonald’s, um sich sein Studium zu verdienen. Mit dem Titel des Diplomkaufmanns in der Tasche war damit Schluss: Kempf begann seine Karriere in der großen amerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, aus der später Ernst & Young werden sollte. Mit 30 Jahren wurde er zum Steuerberater bestellt, mit 32 Jahren durfte sich Kempf auch Wirtschaftsprüfer nennen. Er war Revisionsassistent, schon damals mit Spezialisierung als EDV-Prüfer, qualifizierte sich in Frankreich und Amerika, wurde Prokurist und als Geschäftsführer und Mitgesellschafter Ende der neunziger Jahre auch Partner. Im Juni 1991 wechselte Kempf schließlich zur Datev. Kempf ist verheiratet und hat eine Tochter. Der Liebhaber von Oldtimern ist seit fünf Jahren Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Vereins “Deutschland sicher im Netz”.
Unter Mitarbeit von Stephan Finsterbusch.