Muss ein Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank den Namen der Straße kennen, in der er mit seinem Wohnsitz angemeldet ist? Oder die Postleitzahl? Nein, muss er nicht, wie wir seit dem Auftritt von Clemens Börsig vor Gericht in München wissen. Dafür gibt es gewiss Fahrer und Sekretärinnen. Aber er sollte.
Denn eine Bank muss mitten in dem Leben stehen, das sie mit ihrem Schmierstoff Geld am Laufen hält. Schon früh nach Beginn der Finanzkrise hätte den Führungskräften auf der höchsten Ebene von Finanzinstituten klar sein können, dass sie genau diese Rolle der Banken wieder erklären müssen und dass sie in Auftritt und Geste wieder näher an normale Bürger und Steuerzahler heranrücken müssen. Gelungen ist das leider selten. Manchem fällt es sogar schwer, die Autorität von Richtern zu akzeptieren.
Trumpf macht es besser
Das sieht bei mittelständischen Industriebetrieben, die wahrlich nicht immer gut auf die Banken zu sprechen sind, sehr viel häufiger ganz anders aus. Das Beispiel der Woche liefert dafür der Maschinenbauer Trumpf, der ein hochflexibles Arbeitszeitmodell einführt. Alle zwei Jahre können die Mitarbeiter künftig entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit erhöhen oder absenken wollen. Außerdem können die Beschäftigten bis zu 1000 Stunden auf ein individuelles Konto „einzahlen” und das Guthaben später für längere Freizeitblöcke abrufen. Damit gehe das Unternehmen auf die veränderten Ansprüche der Mitarbeiter ein, sagte die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller: „Wer auf den Hausbau spart, hat andere zeitliche Wünsche als jemand, der Angehörige pflegen muss.” Wohl wahr. Die Frau hat zugehört und zugeschaut, mitten im Leben. Bravo.
Mitten im Leben haben die Griechen schon immer gestanden. Das Land und seine Bewohner haben erst über ihre Verhältnisse gelebt, jetzt ist jahrelange Katerstimmung angesagt. Um ihren Haushalt zu sanieren, sollen die Griechen bis 2015 Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro versilbern. Die Regierung hat das Vorhaben bislang nur halbherzig angepackt, sieht sich nun aber dazu gezwungen, Nägel mit Köpfen zu machen: Das Finanzministerium beauftragte unter anderem die Deutsche Bank damit, die Regierung beim Verkauf von Staatsbesitz zu beraten. Hier kann das größte deutsche Finanzinstitut durchaus etwas Sinnvolles tun. Wünschen wir den Beteiligten das nötige Fingerspitzengefühl: Der Eindruck eines Ausverkaufs sollte vermieden werden und auch der, dass Deutsche an dem Vorgang jetzt noch richtig gut verdienen.
Grandezza ist fehl am Platz
Grandezza jedenfalls ist meist fehl am Platz. Das hat vielleicht auch unser ehemaliger Bundesverteidigungsminister gemerkt, der seinem Nachfolger ja angeblich ein gut geordnetes Haus hinterlassen hat. Das wird jener, preußisch-nüchtern, inzwischen anders sehen. Die Bundesreform ist noch ein Haufen harter Arbeit und alles andere als gut vorbereitet. Ohne viel Tamtam und die Hilfe des Boulevards ist es Thomas de Maizière aber gelungen, die Kosten für den gewaltigen Personalabbau aus dem Verteidigungshaushalt auszulagern. So kommt das Projekt immerhin auf den Weg. Und Unternehmer wissen längst, dass derartige Reformen und Restrukturierungen nicht dazu angetan sind, die jeweils Handelnden glänzen zu lassen. Das gelingt allenfalls, wenn alles geräuschlos abgewickelt ist. Das wäre Maizières Vorgänger kaum gelungen, sein stillerer Nachfolger gibt dem Beobachter da mehr Hoffnung; er scheint mitten im Leben zu stehen.
Die Vernehmung Börsigs sollte dem Oberlandesgericht München übrigens helfen, herauszufinden, ob die Deutsche Bank tatsächlich Schuld an der Insolvenz des einstigen Medienimperiums von Leo Kirch trägt. Kirch wirft Josef Ackermanns Vorgänger an der Spitze der Bank, Rolf Breuer, vor, die Insolvenz gezielt herbeigeführt zu haben. Sollte auf die Bank eine Strafe zukommen, steht sie allerdings nicht so blank da wie die Bundeswehr oder Griechenland: Laut aktuellem Geschäftsbericht hat sie für operationelle Risiken, zu denen auch Rechtsrisiken zählen, 3,6 Milliarden Euro zurückgestellt. Und die laufenden Geschäfte gehen ja blendend, trotz allem.
Zum Thema Mittelstand und...
Zum Thema Mittelstand und Banken übrigens – ein Kollege von mir hat in den letzten Monaten ein paar Mittelstandsanleihen begleitet. Geht ab zehn Mio, kostet – wenn man die richtigen Leute kennt – ungefähr zwei Prozent des Nennbetrags (und zwar einschließlich sämtlicher Kosten inklusive Börsennotierung) und Sie haben nicht die Bank im Nacken, sondern ein paar hundert Kleinanleger.
Absolut feine Sache, weil sich damit auch durchschnittliche Bürger ohne das Risiko großer Kursschwankungen wie bei Aktien an einem Unternehmen beteiligen können, und die Unternehmen sich nicht mit Banken herumärgern müssen, die sich für Mittelständler zu fein sind.