Für die Hersteller von Flachbildschirmen ist das Leben schwer geworden. Die Preise für die Fernseher in den Geschäften fallen Jahr für Jahr um 30 Prozent. Ein Ende ist nicht in Sicht; jetzt werden Produktionskapazitäten stillgelegt. Sony, lange das auf diesem Markt führende Unternehmen, ist hinter seine südkoreanischen Konkurrenten Samsung und LG Electronics zurückgefallen. Die Erschütterungen spürt auch der Elektronikkonzern Philips in den Niederlanden: Die Holländer haben ihr Fernsehgeschäft soeben in ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) mit einem chinesischen Hersteller eingebracht.
Grundsätzlich gilt: Um beim Kunden wieder höhere Preise verlangen zu können, müssen die Fernseher technisch aufgerüstet werden. Deshalb stellt sich die Branche nun die Frage, ob womöglich das kalifornische Unternehmen Apple der Anbieter sein wird, der als Nächstes mit modernen Fernsehern wieder Geld verdient. Aber noch ist offen, ob Apple in diesen Markt überhaupt einsteigen will.
Abschied von Wachstumszielen
Sony jedenfalls hatte mit einem weiteren schnellen Wachstum des Marktes für Flachbildschirm-Fernseher gerechnet und das selbstbewusste Ziel ausgegeben, bis März 2013 ein Fünftel des Weltmarktes mit einem jährlichen Absatz von 40 Millionen Geräten zu erobern. Jetzt aber will der Konzern nur noch um die 20 Millionen Fernseher im Jahr verkaufen. Diese strategische Wende wird allein im laufenden Finanzjahr Belastungen von 50 Milliarden Yen (rund 463 Millionen Euro) bringen. Erst bis Ende März des kommenden Jahres könne man das Fernsehgeschäft wieder profitabel machen, räumte Sony zur Vorlage seiner jüngsten Quartalszahlen ein.
Auch Sharp hatte die Entwicklung der flachen Fernseher vorangetrieben. Noch im Oktober 2009 weihte der Konzern ein großes neues Werk für Flachbildschirme im westjapanischen Sakai ein. Er zog die Einweihung damals sogar vor, um der Nachfrage nach Bildschirmen nachzukommen. Gerade einmal zwei Jahre später ist auch Sharp gezwungen, seine Wachstumsstrategie zu stoppen: „Die Verkaufspreise für Flachbildschirme hören nicht auf zu fallen, was einen enormen Druck auf die Hersteller ausübt”, klagte Sharp-Chef Mikio Katayama schon im Sommer.
Panasonic stellt Großteil seiner Flachbildproduktion in Japan ein
Panasonic, ein weiterer großer japanischer Elektronikkonzern, stellt gar einen Großteil seiner Flachbildschirm-Produktion in Japan ein. Ein Panasonic-Werk muss ganz schließen, ein zweites die Produktion deutlich zurückfahren. Die Ratingagentur Moody’s drohte Panasonic in dieser Woche wegen der geringen Rentabilität der Fernsehersparte die bislang gute Bewertung der Kreditwürdigkeit zu senken. Und Philips hat sein Geschäft mit Fernsehern an das chinesische Unternehmen TPV Technology verkauft. An dem Gemeinschaftsunternehmen wird Philips mit 30 Prozent beteiligt sein. Philips hatte diesen Schritt länger angestrebt. Nun entstehen dem Konzern zusätzliche Kosten für den Ausstieg von 270 Millionen Euro vor Steuern. Dieser Aufwand fällt zusätzlich zu den 100 Millionen Euro an, die Philips auf diese Sparte schon abgeschrieben hat. Auch die Zulieferer von Flüssigkristallen spüren die Schwierigkeiten. Hierzu gehört die deutsche Merck KGaA, die zuletzt von einem Lagerabbau bei den Kunden und sinkenden Margen berichtete.
Die Hersteller, die im Flachbildschirm-Geschäft weiter vertreten bleiben wollen, müssen sich somit neu orientieren. Es geht dabei längst nicht mehr nur um immer größere Bildschirmdiagonalen, sondern auch um ganz kleine Bildschirme, zum Beispiel für internetfähige Mobiltelefone (Smartphones) und Tabletcomputer. Die normalen Fernseher werden unterdessen internetfähig und mit neuen Bedienkonzepten hochgerüstet, auch auf eine höhere Akzeptanz der dreidimensionalen Wiedergabetechnik hofft die Branche.
Spannung um Apple
Die größte Spannung baut sich rund um Apple auf: Angeblich will Apple ein Fernsehgerät mit Sprachsteuerung auf den Markt bringen. Der Apple-Fernseher könnte Ende 2012 vorgestellt werden und im Jahr darauf in den Handel kommen. Statt Tasten einer Fernbedienung zu drücken, würde man dann einfach mit dem eigenen Fernseher reden. Grundlage für die Sprachsteuerung wäre der „persönliche Assistent” mit dem Namen Siri, den Apple in das neue iPhone 4S integriert hat. Über einen Fernseher von Apple wird seit Monaten spekuliert. Die Gerüchte bekamen durch die Biographie von Steve Jobs neuen Auftrieb. Darin erzählt der verstorbene Apple-Gründer von seiner Suche nach dem richtigen Bedienkonzept für den Fernseher. „Er wird die einfachste Bedienung haben, die man sich vorstellen kann. Ich habe es schließlich geknackt”, wird er in dem Buch zitiert.
Apple kommt dabei sogar entgegen, dass der Preis für die Flüssigkristallbildschirme derzeit so stark fällt, denn ein mit Elektronik vollgestopfter Apple-Fernseher darf auch nicht zu teuer werden. Sicher ist die Markteinführung allerdings trotz der Erwähnung in der Jobs-Biographie nicht: Denn Apple verkauft schon seit 2007 eine kleine Box mit dem Namen Apple TV, die an den Fernseher angeschlossen wird. Über sie kann man Filme kaufen und leihen sowie Videos aus dem Internet laden oder seine Musik hören. Dieses Gerät jedoch war bisher kein großer Erfolg. Und Apple wird gewiss auch die aktuellen Schwierigkeiten der bisherigen Marktführer auf dem schnelllebigen Fernsehmarkt genau studieren, denn nach der Markteinführung der Fernseher wäre ein weiterer Preisverfall im bisherigen Tempo misslich.
Sony macht Verlust
Eine solche Analyse gelingt in dieser Woche anhand der Zahlen von Sony besonders gut. Das Unternehmen hat im abgelaufenen Quartal einen Verlust in Höhe von 27 Milliarden Yen (knapp 252 Millionen Euro) gemacht. Als Hauptgrund für die Entwicklung nannte das Unternehmen zwar den starken Yen, der die im Ausland erzielten Gewinne schmälert, sogleich danach aber das schlechte Geschäft mit Flachbildschirmen. Deshalb korrigierte Sony auch seine Erwartungen für das Fiskaljahr 2011/12 (31. März) deutlich nach unten: Das Unternehmen rechnet jetzt mit einem Verlust von rund 90 Milliarden Yen. Noch im Juli hatte Sony einen Gewinn von 60 Milliarden Yen in Aussicht gestellt. Der Umsatz soll im Vergleich zum Vorjahr um 9,1 Prozent auf 1,575 Billionen Yen sinken. Allein die Euro-Schwäche belaste das Ergebnis von Sony mit rund 65 Milliarden Yen, hieß es. „Wenn sich die Wechselkurse derart schnell bewegen, dann ist es schwer, darauf zu reagieren”, sagte Finanzchef Masaru Kato. „Zudem hat sich der Fernsehmarkt vor allem in Europa und in den Vereinigten Staaten abgeschwächt.”
Für Sony ist es das achte Jahr in Folge, in dem die Fernsehsparte mit Verlust abschließt. Das wird gewiss auch Apple aufgefallen sein.
Unter Mitarbeit von Carsten Germis, Tokio.