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Klaus Franz geht: Wie wir alle Opel wurden

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Klaus Franz, der Betriebsratsvorsitzende von Opel, verlässt zum Jahresende das Unternehmen. Für Opel ist das eine Zeitenwende, für die deutsche Öffentlichkeit auch. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, an einen Text zu erinnern, der vor fast exakt zwei Jahren entstanden ist. Er handelt davon, wie Klaus Franz die Deutschen zu Opelanern gemacht hat. Sein eigentliches Ziel, die Abspaltung Opels von General Motors, hat Franz nicht erreicht. Aber sein Auftreten damals ist bis heute ein Lehrstück der perfekten Kommunikation - ohne große Kommunikationsabteilung.

Klaus Franz, der Betriebsratsvorsitzende von Opel, verlässt zum Jahresende das Unternehmen. Für Opel ist das eine Zeitenwende, für die deutsche Öffentlichkeit auch. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, an einen Text zu erinnern, der vor fast exakt zwei Jahren entstanden ist. Er handelt davon, wie Klaus Franz 2009 die Deutschen zu Opelanern gemacht hat. Sein eigentliches Ziel, die Abspaltung Opels von General Motors, hat Franz nicht erreicht. Aber sein Auftreten damals ist bis heute ein Lehrstück der perfekten Kommunikation – ohne große Kommunikationsabteilung.

Hier der Text:

„Irgendwann ist in der deutschen Öffentlichkeit das Bild von der wirklichen Situation des Autoherstellers Opel durcheinandergeraten. Es schien so, als habe man es mit einem deutschen Unternehmen zu tun, das höchst wettbewerbsfähige Produkte produziert und mit überschaubar großen Anstrengungen zu einer gewinnbringenden Industrieperle werden kann. Von der alten Muttergesellschaft in Amerika, den Pleitiers von General Motors (GM), hatte man sich abgenabelt. Dieses Bild hatte in monatelanger akribischer Öffentlichkeitsarbeit der auf den ersten Blick bieder daherkommende, aber rhetorisch höchst versierte Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz gezeichnet: stets ansprechbar war er, stets präsent, im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen und auf Diskussionsforen. Franz ist in den Bemühungen, Opel von GM zu trennen, zum einzigen in der Öffentlichkeit wahrgenommen Sprecher des Unternehmens geworden. Und seine Kommunikationsleistung wird lange unübertroffen bleiben:Franz hat alle Deutschen zu Opelanern gemacht.

Dieser Strategie blieb er bis zuletzt treu – und verkündete Dinge als unumstößliche Wahrheit, von denen er in Wirklichkeit keine Ahnung hatte: „Der Verkauf wackelt nicht”, sagte er wieder und wieder. GM, so nahm er an, könne Opel nicht aus eigener Kraft sanieren, weil dem Konzern auch nach dem Ende des Insolvenzverfahrens das Geld fehle: „Der GM-Verwaltungsrat hat sich im September für den Verkauf entschieden und bleibt dabei.” Das haben ihm die deutschen Politiker, sei es Bundeskanzlerin Angela Merkel, seien es die Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Standorten, auch immer gern geglaubt. Denn die schöne neue Opel-Welt des Klaus Franz war die Welt, die sie über die Stromschnelle der Bundestagswahl gerettet hat. Selbst der neue Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hätte das Opel-Problem wohl nur zu gerne durch die Bereitstellung von insgesamt 4,5 Milliarden Euro zu Lasten des Steuerzahlers und den Zuschlag für den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna vom Tisch gehabt.

Doch sie alle haben ihre Rechnung ohne „Big Ed” gemacht. So nennen sie den großgewachsenen Edward Whitarcre, den ehemaligen Chef des Telekommunikationskonzerns AT&T und neuen (im Herbst 2009, Anmerkung des Autors) Verwaltungsratsvorsitzenden der „neuen” GM in seiner Heimat. Der Rancher und Schlangentöter Whitacre aus Texas ist nämlich nicht bereit, GM auch nur noch einen weiteren Millimeter seiner Position auf dem Weltmarkt preisgeben zu lassen. Er weiß, dass der Konzern die modernen Technologien von Opel zum Überleben braucht. Der  Südstaatler hat nach dem schnellen Ende der Insolvenz von GM auf Angriff umgeschaltet. Die Befindlichkeiten anderer, zumal der deutschen Politiker, sind im weitgehend gleichgültig. Es geht schließlich um das beinahe höchste Gut der Amerikaner: das Geschäft. Und es geht um die Zukunft einer amerikanischen Industrie-Ikone: General Motors.

Oha: Opel ist amerikanisch

Jetzt reift plötzlich bei allen die Erkenntnis, dass Opel trotz der Verpfändung eines Anteils von 65 Prozent am Unternehmen an die deutsche Opel-Treuhand eben noch lange kein deutscher Autohersteller war. Opel war noch immer im Kern amerikanisch. Mit der Rückzahlung des derzeit an Opel ausgereichten Staatskredits würde GM wieder den vollständigen Zugriff auf Opel erlangen. Fred Irwin, dem Chef der Opel-Treuhand war das immer klar. Und vielleicht hätten die Politiker stärker auf die moderierenden Töne von Irwin achten sollen als auf die polternden von Klaus Franz, dann stünden sie heute nicht so im Regen. Die deutsche Politik habe sich viel zu früh auf einen Investor festgelegt, hatte Irwin schon vor ein paar Wochen gesagt und darüber geklagt, dass die Telefonate deutscher Politiker mit ihren amerikanischen Amtskollegen wenig hilfreich gewesen seien. Die deutsche Politik möge sich doch, bitte, viel stärker aus allem heraushalten. Das waren kluge Worte, wenn man weiß, dass gerade diese Einmischung dem erhofften Verkauf an Magna den Garaus gemacht hat. Denn es war die Europäische Kommission, die GM so die Möglichkeit zum eigenen Handeln geebnet hat. Sollte GM doch bestätigen, die Politik habe sich nicht eingemischt.”

So weit der Text von damals. Und bis heute zeigt sich: Die Tatsache, dass Opel zuallererst ein amerikanisches Unternehmen ist, wird in allen – gerne weiterhin öffentlich ausgetragenen – Diskussionen über die Strategie des Unternehmens aus deutscher Sicht gerne vernachlässigt.

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1 Lesermeinung

  1. hummelw sagt:

    "Genau so war es" ist die...
    “Genau so war es” ist die innere zustimmende Reaktion des Lesern. Alle Fernsehbilder werden wieder wach. Das Gedächtnis wird wieder aufgefrischt. Eine brilliante Beschreibung, sehr geehrter Herr Knop, die Sie uns da gegeben haben.
    Anstelle einer Kommentierung lautet mein Vorschlag für einen neuen Beitrag:
    Wie wir alle Sonnenanhänger wurden. Sie handelt von einem Mann mit dem Namen Günther Cramer. Er zeigte uns allen, dass man auch in Deutschland vom Ingenieur zum Millionär werden kann. Auch wenn die Sonne in Deutschland weniger scheint als in Anchorage in Alaska, machte er es uns vergessen.
    Um Wählergunst ringenden Politiker zeigte er den Weg zum wundersamen Aufbau Industriearbeitsplätzen. Selbst in der deindustrialisierten Zone der neuen Bundesländern gelang dies in atemberaubender Weise nach den Vorschlägen seines BSW-Verbandes.
    Dabei schaffte er es, dass wir kaum Gedanken an die Milliardensubventionen verschwendeten.
    Selbst die Fertigung von Massenware war in Deutschland wieder möglich und dies noch verbunden mit dem behaglichen Gefühl gleichzeitig etwas für ein gutes Weltklima tun zu können.
    Er schaffte selbst die alte Frontstellung von Lobbyistenverbänden und einer Sparmaßnahmen durchsetzenden Bundesregierung ab. Noch nie zuvor, gratulierte ein Verbandspräsident so zufrieden einem Bundesumweltminister für die Förderkürzungen in seiner Branche.
    Das Ende der Geschichte muß wenig verändert werden: Dass die Chinesen in der Herstellung von Standardmassenware, wie Solarmodulen, besonders gut und dazu kostengünstig sind, wird aus deutscher Sicht gern vernachlässigt.
    Wolfgang Hummel, Berlin

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