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Haber, Bosch und die BASF – eine spannende Wiederentdeckung

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Vor ein paar Wochen habe ich ein Buch geschenkt bekommen. Es heißt „The Alchemy of Air". Geschrieben hat es ein auf wissenschaftliche und medizinische Themen spezialisierter, amerikanischer Autor mit dem Namen Thomas Hager. Das Buch war eine Entdeckung, gerade in einem Jahr, in dem alle Welt (zu Recht) über die Leistungen des verstorbenen amerikanischen Computerpioniers Steve Jobs erinnert, der jedenfalls die Welt der Informationstechnologie nachhaltig verändert hat. In Hagers Buch wiederum kann der Leser zwei Deutsche kennenlernen, die ebenfalls die Welt veränderten. Sie haben mit ihren Innovationen für nicht weniger gesorgt, als dass die Menschen genug zu Essen haben - dabei aber auch eine Entdeckung gemacht haben, die in der Kriegsführung viel Leid über die Menschheit gebracht hat. Und dieser Spannungsbogen trägt das ganze Buch.

Vor ein paar Wochen habe ich ein Buch geschenkt bekommen. Es heißt „The Alchemy of Air”. Geschrieben hat es ein auf wissenschaftliche und medizinische Themen spezialisierter, amerikanischer Autor mit dem Namen Thomas Hager. Das Buch war eine Entdeckung, gerade in einem Jahr, in dem alle Welt (zu Recht) über die Leistungen des verstorbenen amerikanischen Computerpioniers Steve Jobs erinnert, der jedenfalls die Welt der Informationstechnologie nachhaltig verändert hat. In Hagers Buch wiederum kann der Leser zwei Deutsche kennenlernen, die ebenfalls die Welt veränderten. Sie haben mit ihren Innovationen für nicht weniger gesorgt, als dass die Menschen genug zu Essen haben – dabei aber auch eine Entdeckung gemacht haben, die in der Kriegsführung viel Leid über die Menschheit gebracht hat. Und dieser Spannungsbogen trägt das ganze Buch.

Um die Überraschung zu teilen, ist es von Vorteil, wenn man den Begriff „Haber-Bosch-Verfahren” zum letzten Mal im Chemieunterricht in der Schule gehört und sich in den vielen Jahren danach mit völlig anderen Themen befasst hat. Aber auch, wer seither weiterhin mit Fragen der (Agro-)Chemie zu tun hatte, wird dieses Buch mit Gewinn lesen können. Es ist eine (vor-)weihnachtliche Entdeckung.

Akribisch recherchiert

Thomas Hager schreibt, akribisch recherchiert, über das Leben von Fritz Haber und Carl Bosch. Und gerade die Forschungsergebnisse Habers zeigen die Janusköpfigkeit seiner naturwissenschaftlichen Tätigkeit: Einerseits ist durch Entwicklung der Ammoniaksynthese (zur Sprengstoffherstellung) und technischer Verfahren zur Herstellung und Einsatz von Giftgas die Kriegsführung auf industrieller Basis möglich geworden. Andererseits legte das von ihm mitentwickelte Haber-Bosch-Verfahren die Grundlage der Weltjahresproduktion von synthetisiertem Stickstoffdünger von derzeit mehr als 100 Millionen Tonnen, der bei der Produktion der Ernährungsbasis für eine Hälfte der derzeitigen Weltbevölkerung bedeutsam geworden ist.

Haber bekam den Nobelpreis für Chemie „für die Synthese von Ammoniak aus dessen Elementen”.Er war in seiner Zeit eine Institution. Doch nach em die Nationalsozialisten 1933 an den Kaiser-Wilhelm-Instituten den Arierparagrafen durchsetzten und die jüdischen Mitarbeiter entließen, was auch er nicht verhindern konnte, ließ sich Haber im Mai 1933 in den Ruhestand versetzen. Er emigrierte im Spätherbst 1933 nach Cambridge, wohin er noch einen Ruf an die Universität erhalten hatte und starb kurz danach 1934 auf der Durchreise in Basel.

Auch Carl Bosch war ein deutscher Chemiker und zugleich Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns I.G. Farben. In der Zeit des Nationalsozialismus war er Wehrwirtschaftsführer. Bosch erhielt 1931 zusammen mit Friedrich Bergius den Nobelpreis für Chemie für seine „Verdienste um die Entdeckung und Entwicklung der chemischen Hochdruckverfahren”. Aber – und das arbeitet Hager in seinem Buch schön heraus – Bosch war kein glühender Freund der Nazis. Bekannt sind Carl Boschs zahlreiche vergebliche Versuche, der nationalsozialistischen Judenpolitik entgegenzutreten und sich für einzelne jüdische Bürger einzusetzen. Dazu zählten insbesondere Kollegen Boschs, Chemiker und Mitarbeiter der I.G. Farben, und eben auch Fritz Haber. Im März 1933 kam es sogar zu einem persönlichen Treffen Boschs mit Adolf Hitler, in dem Bosch Hitler vor der Vertreibung der jüdischen Wissenschaftler warnte. Diese werfe, so Bosch, die deutsche Chemie und Physik um 100 Jahre zurück. Damit sollte er recht behalten. Doch Hitler duldete keinen Widerspruch und ließ Bosch hinauskomplementieren.

Was ist noch mal Ammoniak?

An dieser Stelle wird es für den Laien Zeit, sich mit der Frage zu befassen, was Ammoniak überhaupt ist. Und – wie schon bei den Herren Haber und Bosch – leistet hier das Online-Lexikon Wikipedia gute Dienste. Ammoniak ist eine chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff. Es ist ein stark stechend riechendes, farbloses, wasserlösliches und giftiges Gas, das zu Tränen reizt und erstickend wirkt.

 Ammoniak ist eine der meistproduzierten Chemikalien und Grundstoff für die Produktion aller weiteren Stickstoffverbindungen. Der größte Teil des Ammoniaks wird zu Düngemitteln, insbesondere Harnstoff und Ammoniumsalzen, weiterverarbeitet. Die Herstellung erfolgt fast ausschließlich über das Haber-Bosch-Verfahren , das zur industriellen Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff dient – und, man ahnt es längst, nach seinen Entwicklern Fritz Haber und Carl Bosch benannt ist. Nach diesem Verfahren wird mit 100 Millionen Tonnen der Großteil des jährlich produzierten Ammoniaks erzeugt. Aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Herstellung des benötigten reinen Wasserstoffs entfallen etwa 1,4 Prozent des Weltenergieverbrauchs auf das Haber-Bosch-Verfahren.

Das Haber-Bosch-Verfahren wurde durch die BASF im Jahr 1910 zum Patent angemeldet. Großanlagen wurden unter anderem in Ludwigshafen-Oppau, Leuna und Bitterfeld durch die BASF und nach Fusion im deutschen Großkonzern der I.G. Farben betrieben. Und wer nicht nur Bücher lesen mag, kann in diesem Fall Industriegeschichte zum Anfassen erleben: Der erste zur Produktion eingesetzte Hochdruck-Reaktor ist heute noch im Original erhalten und kann im öffentlichen Park vor dem BASF-Kasino in Ludwigshafen besichtigt werden.

Leider auch von militärischer Bedeutung

Von militärischer Bedeutung ist Ammoniumnitrat (Salpeter), ein Produkt aus Ammoniak und Salpetersäure, zur Herstellung von Sprengstoff, daher wurde die Weiterentwicklung des Verfahrens bis zur großindustriellen Anwendbarkeit 1914 auf Druck des deutschen Generalstabschefs Erich von Falkenhayn forciert. Als das Deutsche Reich während des Ersten Weltkriegs durch die alliierte Seeblockade von natürlichen Stickstoffquellen (Chilesalpeter) abgeschnitten war, gelang es nur mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens den schon Ende 1914 drohenden Zusammenbruch der deutschen Munitionsproduktion abzuwenden und auch die Düngemittelproduktion aufrechtzuerhalten. (Das haber sich auch sehr in der Giftgasproduktion engagierte bleibt im Buch nicht unerwähnt. Der Mann hatte eine wirklich dunkle Seite.)

Die andere Seite der Medaille: In größerer Menge wird Ammoniak ab 1840 benötigt, nachdem Justus von Liebig (schon wieder ein deutscher Forscher) die Stickstoffdüngung zur Verbesserung der Erträge in der Landwirtschaft entwickelt hatte.

Ab etwa 1900 begann Fritz Haber mit der Erforschung der direkten Reaktion von Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak. Sie erkannten bald, dass diese Reaktion bei Normalbedingungen nur in sehr geringem Umfang stattfindet und dass für hohe Ausbeuten hohe Temperaturen, ein hoher Druck sowie ein geeigneter Katalysator nötig sind. 1909 gelang es Haber erstmals – und diese Szene wird im Buch eindrucksvoll beschrieben -, mit Hilfe eines Osmiumkatalysators Ammoniak im Labormaßstab durch Direktsynthese herzustellen. Daraufhin versuchte er mit Hilfe von Bosch dieses Verfahren, das spätere Haber-Bosch-Verfahren auch im industriellen Maß anzuwenden. Dies gelang nach Überwindung der durch das Arbeiten unter hohem Druck verursachten technischen Probleme 1910 im Versuchsbetrieb. 1913 wurde bei der BASF in Ludwigshafen die erste kommerzielle Fabrik zur Ammoniaksynthese in Betrieb genommen. Dabei wurde ein inzwischen von Alwin Mittasch entwickelter Eisen-Mischkatalysator anstatt des teuren Osmiums genutzt. Dieses Verfahren wurde schon nach kurzer Zeit in großem Maßstab angewendet und wird bis heute zur Ammoniakproduktion genutzt.

Verschenkt hat das Buch übrigens Kurt Bock, der heutige Vorstandsvorsitzende der BASF. Wie gesagt, auch Leute vom Fach werden „The Alchemy of Air” mit Gewinn lesen.

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1 Lesermeinung

  1. perfekt57 sagt:

    Sehr gut, danke für den...
    Sehr gut, danke für den Hinweis. Evtl. ein Weihnachtsgeschenktip auch. Und immer wieder den Borkin dazu gegengelesen nicht zu vergessen. https://www.amazon.de/unheilige-Allianz-Farben-Interessengemeinschaft-Dritten/dp/3593336499/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1322786072&sr=1-2

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