Im Gespräch: Dieter Kempf, der Präsident des IT- und Telekommunikationsverbandes Bitkom und Vorstandsvorsitzende der Datev
Vom nationalen IT-Gipfel in München soll ein klares Signal ausgehen: Die Branche nimmt den Datenschutz ernst. Dazu wird eine Stiftung gegründet, die einen neuen Zertifizierungsrahmen schaffen soll. Zudem würde der Verband gerne Milliarden in den Netzausbau investiert sehen.
Herr Kempf, vor einiger Zeit haben Sie den amerikanischen Internetkonzern Facebook in Ihren Verband aufgenommen. Wie passt denn das zu Ihrem Bestreben, den Datenschutz in der IT voranzubringen?
Das passt sehr gut zusammen. Denn nur, wenn man miteinander redet, findet man auch zueinander. Facebook hat vor ein paar Tagen in den Vereinigten Staaten ja schon zugesagt, das Thema sehr viel ernster nehmen zu wollen. Vor Veränderungen von Privatsphäre-Einstellungen auf deren Website werden dort nun die Einwilligungen der Nutzer eingeholt. Es ist doch ganz klar: Wer auf diesem Gebiet die Bedürfnisse und Wünsche seiner Kunden nicht respektiert, wird sich ohnehin einer Abstimmung mit den Füßen stellen müssen.
Nun, Facebook hat mehr als 800 Millionen Nutzer, bisher fällt die Abstimmung mit den Füßen ja doch recht eindrucksvoll positiv aus …
… Ja, und das gilt für viele andere Angebote im Internet ebenso. Da haben wir als Branche deshalb die Aufgabe, sachlich über kritische Punkte aufzuklären und Lösungen aufzuzeigen.
Wird der Datenschutz auch deshalb ein Thema auf dem nächsten nationalen IT-Gipfel in München sein?
Ja. Eine wichtige Nachricht in diesem Zusammenhang: Die Stiftung Datenschutz steht unmittelbar vor ihrer Gründung. Wir werden spätestens im ersten Halbjahr des kommenden Jahres auch juristisch soweit sein. Zur Gründung stehen 10 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bereit. Damit ist klar, dass die Stiftung finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen kann, aber das ist auch gar nicht nötig.
Sicher angelegt, sorgt das Kapital für ein Budget von gerade mal 200 000 Euro im Jahr …
… Das stimmt. Die Stiftung wird aber auch eigene Erlöse erzielen und kann mit Zuwendungen rechnen. Das passt schon. Stiftungszweck ist es ja, einen neutralen, verlässlichen Prüfungsrahmen für die Zertifizierung von Datenschutzbemühungen und -vorkehrungen in Unternehmen zu schaffen. Da werden wir auf Erfahrungen aufbauen, die es in der Branche schon gibt. Und die eigentliche Zertifizierung können eingeführte Institutionen wie zum Beispiel TÜV oder Dekra übernehmen.
Und dann bekommen Wirtschaft und Verbraucher für den Datenschutz ein verlässliches Qualitätssiegel wie zum Beispiel eine ISO-Norm?
So ist es. Das wird das Vertrauen deutlich stärken und eine Eigendynamik hin zu mehr Datenschutz erzeugen.
Zudem liest man vom Bitkom immer wieder, dass es gelte, viele Milliarden Euro, zuletzt war von 130 Milliarden Euro die Rede, in den Ausbau unserer IT-Infrastruktur zu investieren. Hoffen Sie auch da auf den Staat?
Nein! Es geht doch vor allem um verlässliche Rahmenbedingungen. So etwas wie das Chaos rund um das Elena-System, also den elektronischen Entgeltnachweis, der nun gar nicht kommt, aber die Wirtschaft schon viel Geld gekostet hat, oder auch die Verzögerungen und Verwirrungen rund um die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte dürfen uns nicht noch einmal passieren. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird auch investiert. Da brauchen wir einfach eine andere Diskussionskultur. Das gilt auch für den neuen elektronischen Personalausweis. Statt immer nur zu fragen, wie er künftig missbraucht werden könnte, sollte man sich zuerst einmal darauf konzentrieren, wie er heute schon sinnvoll eingesetzt werden kann.
Das mag sein, aber am Ende geht es doch ums Geld – und vielleicht auch um Investitionsschutz für große Infrastrukturinvestitionen, zum Beispiel in Breitbandnetze. Ist dazu letztlich nicht doch nur ein großer Anbieter wie die Deutsche Telekom in der Lage? Und braucht die dafür im Gegenzug möglicherweise Investitionsschutz?
Investivionsanreize sind das Nonplusultra. Ohne geht nichts. In meiner Heimatgemeinde zum Beispiel hat ein kleineres Unternehmen für eine hochmoderne Netzinfrastruktur gesorgt. Es findet sich immer ein Investor, wenn man in tragbarer Zeit seinen Einsatz und mehr zurückverdienen kann. Wenn es dabei gilt, den Netzausbau auch in entlegeneren Gegenden voranzutreiben, wird man an großen, besonders leistungsfähigen Unternehmen nicht vorbeikommen.
Sie sind erst seit diesem Sommer Bitkom-Präsident, wohin soll sich der Verband entwickeln? Welche Themen möchten Sie besetzen?
Da geht es um Themen wie den Breitbandausbau, den Aufbau intelligenter Netzstrukturen zum Beispiel für Strom, Verkehr, Bildung, Gesundheit und Behörden. Es geht um Datensicherheit und Datenschutz, den Fachkräftemangel und – damit zusammenhängend – um die eindeutige Ansage, dass mehr Frauen in die IT müssen, allerdings ohne Quote, sondern über marktwirtschaftliche Anreize. Grundsätzlich gilt: Der Bitkom hat in der kurzen Zeit seines Bestehens und vor allem in den vergangenen vier Jahren erheblich an Gewicht gewonnen. Darauf können wir aufbauen.
IT-Themen haben in den vergangenen Jahren natürlich auch ganz ohne Zutun des Verbandes an Gewicht gewonnen – und es gibt eine Wählergeneration, die wegen solcher Interessen mit den Piraten eine neue Partei bevorzugt, die hier in Berlin sogar den Sprung in den Landtag geschafft hat. Setzen sich der Bitkom und sie persönlich mit diesem Phänomen auseinander?
Ja, selbstverständlich, das ist doch gar keine Frage. Hier haben die etablierten Parteien ein wichtiges Feld zu wenig beackert, und die Piratenpartei gibt da starke Impulse. Schon mehrfach haben Vertreter der Partei auf unseren Podien mitdiskutiert.
Könnte es sein, dass auch die deutsche IT-Leitmesse Cebit neue Impulse braucht? Jetzt ist die wichtige Mobilfunkmesse Mobile World Congress in Barcelona terminlich ganz eng an die Cebit herangerückt. Damit dürfte es noch schwerer werden, das Interesse der Öffentlichkeit auf Hannover zu lenken, oder?
Ach, wissen Sie, in Barcelona sind doch in diesem Jahr wirklich nicht viele bewegende Neuigkeiten verkündet worden …
Auf der Cebit aber auch nicht.
Ich gebe Ihnen nur insofern recht, als dass die Produktlebenszyklen in unserer Branche so kurz geworden sind, dass man bestimmte Neuheiten einfach nicht mehr bis zu einem Messetermin zurückhalten kann. Daran wird sich auch nichts mehr ändern. Wenn man etwas Neues sehen will, geht man heute ins Internet. Aber in der deutschen IT sind gleichwohl noch immer viele Entwicklungsarbeiten auf die Cebit abgestimmt. So oder so: Aus der Cebit muss eine Kongressmesse werden, die innovative Lösungen für Herausforderungen der IT anbietet. Das war im vergangenen Jahr mit den Themen rund um die Cloud ein großer Erfolg.
Das Thema der kommenden Cebit klingt mit „Managing Trust” nicht so ansprechend …
Ganz im Gegenteil, genau darum geht es doch in der Zukunft der IT – um Sicherheit und Vertrauen. Ohne Vertrauen in unsere Dienstleistungen werden wir unsere Wachstumschancen nicht nutzen können – und dem Verbraucher bleiben viele Innovationen versperrt.
Stimmt, Vertrauen ist wichtig. Aber setzt nicht auch der Staat das Vertrauen in Ihre Branche aufs Spiel, wenn man zum Beispiel an den Staatstrojaner denkt?
Ja, das tut er. Bei allen Überwachungsmaßnahmen muss die Verhältnismäßigkeit genauestens bedacht werden.
Im Augenblick stürzen sich die Deutschen im Weihnachtsgeschäft gerade wieder auf Smartphones und Tabletcomputer – wie läuft eigentlich die Konjunktur in Ihrer Branche?
Trotz Schuldenkrise und Turbulenzen an den Finanzmärkten entwickelt sich die Hightechbranche sehr robust. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Das Cloud Computing und der Boom mobiler Endgeräte sorgen für eine sehr dynamische Entwicklung. Im laufenden Jahr kommt die Branche voraussichtlich auf ein Marktvolumen von gut 148 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr erwarten wir ein Plus von 2 Prozent auf dann 151 Milliarden Euro.