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Der nächste Chefchemiker: Der VCI wird bald vom Merck-Chef geführt

Vom Herbst kommenden Jahres an wird Karl-Ludwig Kley, der Chef der Merck KGaA noch mehr Arbeit haben als bisher: Dann soll der Sechzigjährige nach Informationen der F.A.Z. als Nachfolger des fünf Jahre jüngeren Evonik-Vorstandsvorsitzenden Klaus Engel zum Präsidenten des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) gewählt werden.

Für manche Manager ist das Repräsentieren nur eine lästige Pflicht. Karl-Ludwig Kley dagegen, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung des Darmstädter Chemie- und Pharmakonzerns Merck KGaA, liegt der öffentliche Auftritt. Seine Interessen, zu denen Literatur und Kunst genauso gehören wie der Volkssport Fußball und exotischere Disziplinen wie das Sumoringen, eignen sich überdies bestens für den gepflegten Smalltalk, den der promovierte Jurist auch mit der nötigen Eloquenz zu würzen versteht. Nicht umsonst hat er sich zum Aufsichtsratsvorsitzenden des in der Fußballbundesliga spielenden 1. FC Köln und zum Vorstandsvorsitzenden des Trägervereins der Baden-Badener Unternehmergespräche wählen lassen.

Vom nächsten Herbst an mehr Arbeit

Vom Herbst kommenden Jahres an wird Kley für seine Eigenschaften noch mehr Verwendung finden als bisher: Dann soll der Sechzigjährige nach Informationen der F.A.Z. als Nachfolger des fünf Jahre jüngeren Evonik-Vorstandsvorsitzenden Klaus Engel zum Präsidenten des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) gewählt werden. Kley wird dann für voraussichtlich zwei Jahre gegenüber Politik und Gesellschaft die Belange dieser Branche vertreten, die mit einem Jahresumsatz von zuletzt gut 186 Milliarden Euro zu den wichtigsten Sparten der deutschen Wirtschaft gehört. An der Spitze des Verbands wird somit ein in München geborener, auf Auslandspositionen des Bayer-Konzerns in Japan und Italien gereifter, als Finanzvorstand der Lufthansa in den Kreis der deutschen Topmanager aufgestiegener Mann den gebürtigen Duisburger Klaus Engel ablösen, der fest im Ruhrgebiet verwurzelt ist und seine gesamte Karriere in der chemischen Industrie bestritten hat.

Schon der Doktortitel weist Engel – anders als Kley – als Naturwissenschaftler aus. In seinem Lebenslauf stehen Führungspositionen in den Chemischen Werken Hüls, im Beteiligungskonzern Veba, beim Chemiehändler Brenntag und bei der 2007 in den Mischkonzern Evonik eingegliederten Degussa. Darin liegt nicht der einzige Unterschied zwischen dem Amtsinhaber und seinem designierten Nachfolger. Der bodenständig wirkende Engel überzeugt vor allem mit seiner sehr offenen Art und der Bereitschaft, Zeichen zu setzen. Wenn es darum geht, scheut er in harter Herzlichkeit auch Konflikte mit anderen Verbandsmitgliedern nicht. Die von der Bundesregierung verordnete Energiewende etwa hat er in einem Gastbeitrag für die F.A.Z. begrüßt, bevor sie überhaupt beschlossene Sache war.

In der Sache gerne auch mal hart

Kley wird da vermutlich vorsichtiger auftreten. Ob er dadurch zugleich unpolitischer wird, muss sich indes erst noch zeigen. Geht es ihm um Herzensanliegen, kann auch Kley in der Sache sehr hart argumentieren. Sicher scheint, dass er für die Branche deutlich geringere Zuwachsraten als Engel zu verkünden haben wird. Denn die in den Nachkrisenjahren 2010 und 2011 kräftig angestiegene Chemienachfrage hat sich schon abzukühlen begonnen.

 Die Entscheidung für Kley folgt, von den persönlichen Qualifikationen des Kandidaten abgesehen, der institutionellen Logik des VCI. Denn die größten seiner rund 1600 Mitgliedsunternehmen besetzen das Spitzenamt traditionell, aber ohne festen Turnus abwechselnd mit Kandidaten aus ihren Reihen. So waren vor Engel und Evonik Ulrich Lehner und Henkel, Werner Wenning und Bayer sowie Jürgen Hambrecht und BASF an der Reihe. Merck indes stellte zuletzt in den achtziger Jahren den Verbandspräsidenten. Unter Engels drei amtierenden Stellvertretern ist Kley nun am längsten im Amt. Seine Kollegen Kurt Bock von der BASF und Marijn Dekkers von Bayer können sich daher frühestens zur nächsten Wahlperiode Hoffnungen auf das Präsidentenamt machen.

Zurückgewonnene Zuversicht

Dass Kley sich der zusätzlichen Aufgabe nicht zu entziehen versucht hat, spricht auch für seine Zuversicht mit Blick auf das eigene Unternehmen. Hatte er nach seinem Wechsel zu Merck im Jahr 2006 mit den milliardenschweren Übernahmen des Schweizer Biotechnologiespezialisten Serono und des amerikanischen Laborausrüsters Millipore – die ihm beide am Herzen lagen – für Aufsehen gesorgt, waren in den vergangenen Monaten seine Fähigkeiten als Krisenmanager gefragt. Denn die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Merck hat seit vielen Jahren kein neues Medikament mehr hervorgebracht. Nach der spektakulären Ablehnung des wichtigsten Hoffnungsträgers – einer Tablette zur Behandlung von Multipler Sklerose – durch die Zulassungsbehörden in Amerika und Europa musste Kley die Notbremse ziehen: Innerhalb weniger Monate wurden weite Teile der ersten und zweiten Führungsebene ausgewechselt, dann die Entwicklungsprojekte zusammengestrichen. Auch der Versuch, den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus bei Merck zu einem erfolgreichen Manager zu machen, musste abgebrochen werden. Darüber ist Kley zeitweise ungewohnt schmallippig geworden. Jetzt aber, ließ er vor kurzem durchblicken, sei das Gröbste erledigt. Der VCI kann kommen.      

Unter Mitarbeit von Sebastian Balzter.

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