Der Verkaufsprozess von Galeria Kaufhof wird nochmal richtig spannend. Metro wartet weiter ab, Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen hat eine reelle Chance. Der scheidende Metro-Chef Eckhard Cordes über den Stand der Verhandlungen, die Diskussionen der vergangenen Monate und seine Zukunftsplanung.
Herr Cordes, der Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen hat ein neues Angebot für Kaufhof vorgelegt. Ist die Offerte nun so gut, dass jetzt doch so bald keine Entscheidung pro René Benko fällt?
Es ist richtig, dass das Konsortium von Herrn Berggruen und dem Finanzinvestor Blackstone ein nachgebessertes Gebot vorgelegt hat. Wir sind inzwischen intensiv dabei, das Angebot zu prüfen. Wie immer in solchen M&A-Prozessen gibt es jedoch eine Fülle von Details und zusätzlichen Bedingungen neben dem nominalen Kaufpreis, die zu klären sind. Aber um es klarzustellen: Ob mit oder ohne Herrn Berggruen, der Aufsichtsrat hätte am Freitag nicht über den Verkauf des Kaufhofs entschieden. Wir haben dem Gremium aber sehr wohl einen umfangreichen Zwischenbericht gegeben.
Gibt es also keine Entscheidung mehr in diesem Jahr?
Nein, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Wir haben zwar gesagt, dass wir einen raschen Fortgang des Prozesses wollen. Aber es war und ist kaum realistisch, den Verkauf noch 2011 in trockene Tücher zu bekommen.
Welcher Zeitplan ist denn realistisch?
Nächstes Jahr bin ich persönlich ja nicht mehr dabei und demnach auch nicht mehr in den Prozess eingebunden. Aber ich gehe davon aus, dass der Verkauf voraussichtlich noch einige Zeit dauern wird. Eine Unternehmensveräußerung dieser Größenordnung ist nun mal eine sehr komplexe Transaktion. Es geht um viel mehr als nur um den Vergleich von Kaufpreisen. Wir wollen die gesamten Konzepte der Bieter richtig verstehen. Auch mit dem Aufsichtsrat sind wir uns einig, dass wir zügig, aber nicht hektisch agieren wollen. Qualität geht hier vor Schnelligkeit.
Was ist denn zu prüfen? Nennen Sie Beispiele.
Da geht es beispielsweise um komplizierte Fragen der Immobilienbewertung. Nehmen wir einmal an, eines der Kaufhof-Grundstücke ist zu 20 Prozent mit einem Erbbaurecht belegt. Da ist zu klären, ob damit gegebenenfalls der Wert der Immobilie beeinträchtigt wird. Auch die Planungen für die Arbeitsplätze bei Kaufhof sind ein wesentliches Thema. Und und und . . . Solche Transaktionen dauern. Nur Kaufpreis, zack, that’s it – so einfach läuft das nicht.
Herr Benko hielt es anfangs für realistisch, den Kauf möglichst noch in diesem Jahr über die Bühne bringen. Nun muss er juristische Probleme aus dem Raum schaffen. Sind Sie enttäuscht?
Sie meinen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Geldwäsche. Nein, wir sind nicht enttäuscht. Aber wir haben alle die Absicht, den Verkauf zügig zum Abschluss zu bringen. Und, um es gebetsmühlenartig zu wiederholen: Wir verkaufen nicht um jeden Preis, sondern nur zu angemessenen Bedingungen. Wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand. Diese Aussage galt vor vier Jahren, und sie gilt immer noch.
Über welche Preise reden wir denn? Früher war von einer Spanne zwischen 2 und 3 Milliarden Euro die Rede.
Dazu darf ich nichts sagen, und ich kann es derzeit auch noch gar nicht.
Gibt es inzwischen neue Erkenntnisse zu den Ermittlungen der Wiener Staatsanwaltschaft?
Herr Benko hat großes Interesse daran, den Fall zügig aufzuklären und uns zeitnah zu informieren. Es gibt Indikationen, dass das nicht mehr lange dauern wird.
Wann lassen Sie Herrn Berggruen beziehungsweise sein Team in den Datenraum? Sein Konsortium hat sich darüber beklagt, dass es bisher nicht einmal durchs Schlüsselloch schauen durfte.
Wann wir unseren immer noch direkten Wettbewerber in die Daten schauen lassen, muss mit dem Aufsichtsrat abgestimmt werden. Aber um eines anzumerken: Blackstone ist schon seit ein paar Jahren stark am Kaufhof interessiert und hat schon früher Einblick in die wichtigsten Daten bekommen. Damals stand noch Hans-Joachim Körber an der Metro-Spitze. Der Finanzinvestor hat also bereits ein tiefes Verständnis für das Unternehmen. Es ist also längst nicht so, dass eine der beiden interessierten Parteien völlig uninformiert ist.
Es ist doch bemerkenswert, wie gut das Timing der beiden Parteien ist, was das Lancieren von Interviews unmittelbar vor der Metro-Aufsichtsratssitzung anbelangt. Warum ist das so?
Da fragen Sie den Falschen. Wir halten jedenfalls niemanden außen vor. Und wir werden am Ende dem besten Angebot zustimmen. Wir sind auf niemanden festgelegt.
Man konnte in den vergangenen Wochen einen anderen Eindruck gewinnen. Öffnen Sie jetzt ein Hintertürchen für Herrn Berggruen, falls Benko es nicht schafft, die Bedenken zu zerstreuen?
Wir machen den Deal, der für die Metro und die Kaufhof-Mitarbeiter der beste ist. Bisher war es einfach Tatsache, dass die Berggruen-Blackstone-Offerte Nachbesserungsbedarf hatte.
Es gab das Gerücht, Sie seien persönlich bei Signa, also der Investmentgesellschaft Benkos, engagiert.
Das ist geradezu infam, die Steigerung von übler Nachrede. Für dieses Gerücht eignen sich eigentlich nur Vokabeln, die nicht in ein Interview gehören.
Halten Sie es für sinnvoll, dass Kaufhof mit Karstadt zusammengeht? Das erscheint doch eine logische Verbindung zu sein.
Dazu kann ich heute nichts mehr sagen. Im Jahr 2009, als Karstadt insolvent war, konnte ich mir eine Kombination sehr gut vorstellen. Aber wir sind damals nicht zum Zuge gekommen, weil der Insolvenzverwalter Karstadt nur als Ganzes verkaufen wollte. Jetzt sind wir zweieinhalb Jahre weiter. Ich kenne nicht mehr die aktuellen Zahlen, kann also nicht beurteilen, ob ein Zusammengehen noch sinnvoll ist. Aber eine Einschätzung bleibt: Kaufhof braucht Karstadt nicht, um weiter erfolgreich zu sein.
Sie hatten jetzt ein Abendessen mit dem Aufsichtsrat, sozusagen zum Abschied. Sind die Wogen nach den Querelen um Ihre Person wieder geglättet?
Nach alldem, was in den vergangenen Monaten vorgefallen ist, hatten wir einen sehr harmonischen Abend.
Spricht auch der Vorstand wieder mit einer Stimme?
Ich denke, dass hier Konflikte aus den vergangenen Monaten ausgeräumt worden sind. Der Aufsichtsrat hat einer veränderten Ressortverteilung im Vorstand zugestimmt, die nun eine nach vorne gerichtete Arbeit sicherstellt.
Ihr Nachfolger Olaf Koch wird einige Baustellen übernehmen. Kann er sich wenigstens darauf verlassen, dass nicht mehr permanent Störfeuer aus dem Aktionärskreis kommen?
Für den Aktionärskreis kann ich nicht sprechen. Aber mit Franz Markus Haniel hat Metro jetzt wieder einen Aufsichtsratsvorsitzenden, mit dem der Vorstand von November 2007 bis Frühjahr 2010 sehr gut und vertraulich zusammengearbeitet hat.
Wird Koch im Streit mit dem Media-Saturn-Gründer Erich Kellerhals schlichten können?
Die Gesellschafterversammlung von Media-Saturn in der vergangenen Woche war jedenfalls sehr friedlich. Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass es im nächsten Jahr eine Entscheidung des Schiedsrichters gibt und der Streit beigelegt werden kann.
Einige kirchliche Gruppen haben sich über die aktuelle Werbung von Media Markt beklagt. „Weihnachten wird unterm Baum entschieden”, heißt es dort frei nach Sepp Herberger . . .
Das Ganze ist mit einem großen Augenzwinkern gemeint, das haben wir auch den Kritikern vermitteln können.
Die klassische Frage an einen scheidenden Vorstandsvorsitzenden: Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?
Es ist nicht meine Aufgabe, Olaf Koch etwas mit auf den Weg zu geben. Aber er wird nach vorne schauen und mit Unterstützung des Aufsichtsrates die 2008 beschlossene und 2009 auf den Weg gebrachte Strategie fortführen, nämlich die Transformation des Metro-Konzerns von einem nicht ganz so innovativen, einkaufsgetriebenen zu einem stark innovativen, kundengetriebenen Handelskonzern. Das ist eine Herkulesaufgabe, die alles andere als erledigt ist und noch einiger Jahre bedarf. Und wenn der Aufsichtsrat nicht voll dahinterstünde, hätte er nicht Koch zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt.
Was würden Sie heute anders machen?
Hinsichtlich der strategischen Ausrichtung der Metro bin ich voll mit mir im Reinen. Aber wenn ich die erste Finanzkrise 2009 hätte vorhersagen können und wenn ich gewusst hätte, wie holprig die Straße werden würde, hätte ich niemals so früh öffentlich den geplanten Verkauf des Kaufhofs angekündigt. Und ich hätte rückblickend mehr Nachdruck entwickeln müssen, was die Besetzung von Schlüsselpositionen im Management angeht. Hier habe ich – was den Konzernumbau angeht – die Überzeugungskraft der Argumente überschätzt und die Beharrungstendenz einiger Führungskräfte unterschätzt. Das war mein Hauptfehler. Wir hätten hier schneller vorankommen können.
War es ein Fehler, dass Sie als damaliger Haniel-Vorstandsvorsitzender die Metro-Beteiligung aufgestockt haben?
Nein, außerdem wurde diese Entscheidung damals im großen Konsens getroffen. Mit dem Aktienkurs können wir allerdings nicht zufrieden sein. Aber das Potential der Metro ist sehr groß. Das sehe ich immer noch so.
Wie geht es bei Ihnen weiter? Unsere Kollegen aus Baden-Württemberg fragen, ob wir mit dem künftigen ENBW-Chef sprechen.
Entschuldigung, nein. Ich beginne jetzt den Karriereabschnitt drei. Ich bleibe weiterhin Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft und werde dort auch weiter die Metro vertreten. Ich bleibe dem Unternehmen also verbunden. Aber ich möchte auch bedeutend mehr Flexibilität haben als in den 16 Jahren als Dax-Vorstand. Ich werde mir mit großer Ruhe ein Beschäftigungsportfolio zusammenstellen, damit ich genügend Arbeit habe, um meiner Frau nicht allzu sehr auf die Nerven zu gehen.
Wie fühlen Sie sich wenige Tage vor dem Abschied aus Düsseldorf?
Die Monate September bis November waren nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig und bestimmt nicht die schönsten meiner Karriere. Aber jetzt bin ich froh, dass mit der Berufung von Olaf Koch eine gute Lösung gefunden wurde und die eingeleitete Strategie fortgesetzt wird. Also, meine gegenwärtige Gemütsverfassung ist heitere Gelassenheit, denn ich freue mich auf die vor mir liegenden Jahre.
Das Gespräch habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Brigitte Koch geführt.