Google hat uns zum Jahreswechsel einen Brief geschrieben, der Augen öffnet. Darin kann man lesen, was Deutschland 2011 bewegt hat. Damit ist im Sinne des Internetkonzerns vor allem gemeint, wonach die Deutschen in den vergangenen zwölf Monaten über Google sehr viel häufiger gesucht haben als im Durchschnitt. Nach Monaten sortiert lautet die von der Google-Presseabteilung vermutlich subjektiv ausgewählte Reihenfolge: Stuttgart 21 (Januar), Guttenberg (Februar), Geigerzähler (März), William und Kate (April), Pippa (Mai), Google Plus (Juni), Sommerloch (Juli), Die Nudel (August), Piratenpartei (September), Steve Jobs (Oktober), Berlusconi (November) und Gans (Dezember).
Da fallen mehrere Dinge auf. Erstens: Die Zukunft des Euro spielt keine oder eine in der breiten Masse bisher nur untergeordnete Rolle. Ähnliches gilt für Themen wie Schuldenkrise oder Rettungsschirme. Auch im Vergleich der vergangenen acht Jahre, den man über die Website „google.de/insights/search” aufrufen kann, ergibt sich für 2011 kein bemerkenswerter Ausschlag beim Thema Euro.
Wer ist Pippa?
Zweitens: Wer ist Pippa? Die Frage mag mancher als weltfremd bezeichnen. Andere würden sagen, da kann man einmal sehen, was passiert, wenn man sich das ganze Jahr über nur mit dem Euro oder Steve Jobs beschäftigt. Wem es ähnlich geht: Pippa ist die Schwester von Prinz Williams neuer Frau Kate. Man möge bei Google die Bildersuche bemühen, um zu verstehen, warum die Schwester nach der königlichen Hochzeit so viele Blicke auf sich gezogen hat. Drittens: Was sagen uns die anderen Ausschläge? Google Plus (Eigenwerbung), Sommerloch (gibt es eigentlich gar nicht mehr) und „Die Nudel” (Loriot) erklären sich von selbst. Beim Namen Berlusconi kommt dann endlich das Gefühl auf, dass sich die Menschen in größerer Zahl doch auch einmal für ernsthaftere Themen interessieren könnten. Aber Google liefert die aus dieser Sicht ernüchternde Begründung für das Suchverhalten gleich mit: „Nach 17 Jahren Skandale, Affären, und ordentlich Bunga Bunga ist es so weit: Der Cavaliere tritt ab. Ciao, . . . !”
In jedem Fall verleitet der Brief zum Jahresabschluss dazu, sich auf der „Insights”-Website zum Suchverhalten der Google-Nutzer noch etwas länger umzuschauen. Wenig erstaunlich ist, dass die Anfragen zu den Themen iPhone 4s und Ehec so stark zugenommen haben, dass Google das prozentual gar nicht mehr auszudrücken vermag. Dass das Flugpreis-Vergleichsportal Swoodoo.de den größten Suchabfragen-Zuwachs in der Kategorie Reisen hat, ist hingegen eine Überraschung. Denn der gefühlte Bekanntheitsgrad dieses Anbieters ist bisher nicht groß. Und im Vergleich zur Steigerungsrate für das jüngste iPhone sind die 1050 Prozent plus für die Wettbewerbsgeräte von Samsung unter dem Namen Galaxy dann schon fast bescheiden. Darauf, dass die Suchanfragen nach dem Privatkunden-Webportal der Commerzbank unter „commerzbanking.de” überemotional zugenommen haben, sollte sich wiederum das deutsche Kreditinstitut nichts einbilden. Das kann allenfalls an der Verzweiflung liegen, die die ehemaligen Kunden der Dresdner Bank verspürt haben, als ihr gewohnter Onlinezugang zur Bank gesperrt wurde und mit einem gewöhnungsbedürftigen neuen Angebot zur vielgesuchten Adresse umzog.
Google öffnet die Augen
So öffnet Google in jeder Hinsicht die Augen. Es erinnert daran, dass unsere Anfragen registriert werden – und was sich daraus erkennen lässt. Allerdings bemüht sich das Unternehmen in dieser Hinsicht schon seit längerem um Transparenz. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Adresse „google.com/transparencyreport”. Dort sind die Daten zwar nicht ganz so aktuell, aber hier kann man zum Beispiel sehen, wie häufig deutsche Behörden in den ersten sechs Monaten des Jahres Nutzerdaten von Google angefordert haben: Es handelt sich um eine Steigerung von 38 Prozent auf 1060 Anfragen. Besonderes Interesse zogen dabei Nutzerprofile von Googles Videoportal Youtube auf sich.
Was lernen wir daraus? Es gab dieses Mal durchaus interessante Weihnachts- und Neujahrspost. Und: Das Internet ist ein offenes Buch, selbst dann, wenn man nicht in einem sozialen Netzwerk wie Facebook aktiv ist. Es gilt, die Vorteile des Netzes zu nutzen, sich dabei aber der Gefahren bewusst zu sein. Das ist keine triviale Erkenntnis. Wenn sie etwas mehr Menschen im neuen Jahr berücksichtigten, wäre schon viel gewonnen, auch um zu vielen staatlichen Beschränkungen der Freiheit im Netz vorzubeugen.