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Die Kernübel der Schuldensituation: Brauchen wir einen Geschäftsbericht für Staaten?

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Zum Jahreswechsel „schlummerte" noch ein Text in meinem Computer, der von einiger Zeit in etwas anderer Form auch in der Rubrik „Standpunkte" der F.A.Z. veröffentlicht worden ist. Weil er zahlreiche Gedanken enthält, die in der (sicher auch 2012 nicht ausgestandenen) Diskussion über die Euro- und Staatsschuldenkrise beachtenswert und zugleich noch nicht tausendfach diskutiert worden sind, nutze ich die Gelegenheit des Blogs, noch einmal Aufmerksamkeit auf das von Philipp Weckherlin, dem Mitbegründer der Schweizer CE Asset Management AG, verfasste Papier zu lenken.

Zum Jahreswechsel „schlummerte” noch ein Text in meinem Computer, der von einiger Zeit in etwas anderer Form auch in der Rubrik „Standpunkte” der F.A.Z. veröffentlicht worden ist. Weil er zahlreiche Gedanken enthält, die in der (sicher auch 2012 nicht ausgestandenen) Diskussion über die Euro- und Staatsschuldenkrise beachtenswert und zugleich noch nicht tausendfach diskutiert worden sind, nutze ich die Gelegenheit des Blogs, noch einmal Aufmerksamkeit auf das von Philipp Weckherlin, dem Mitbegründer der Schweizer CE Asset Management AG, verfasste Papier zu lenken.

Worum geht es Weckherlin? Er empfiehlt, von jedem Staat und staatsähnlichem Gebilde das den Kapitalmarkt beansprucht, einen aussagekräftigen, nachvollziehbaren Geschäftsbericht zu verlangen, der über Bilanz- und Erfolgs­rechnung ähnlich wie bei jedem börsennotierten Unternehmen detailliert Auskunft zu geben vermag. Nicht betriebsnotwendige Vermögen sollen abgebaut und zur Reduktion der Schulden verwendet werden. Hier nun seine Argumentation in Auszügen:

Die Kernübel der heutigen Schuldensituation

Die Schuldensituation ist nicht nur entstanden, weil Staaten im laufenden Betrieb Defizite schreiben, welche gegen das Eigenkapital abgeschrieben werden müssen. Der Schuldenberg ist auch deshalb aufgebaut worden, weil Politiker ohne den bilanziellen Überblick haben zu können, weit mehr versprechen, als dass das System je liefern könnte, zum Beispiel bei sozialen Absicherungsinstru­menten sowie, weil sie für die Erbringung staatlicher Leistungen unkontrolliert und übrigens meist auch unnötig Kapital binden.

Investoren befinden sich einzig und alleine auf der Passivseite der Bilanz. Deshalb ist es auch zwingend notwendig, dass sie sich ein Bild über die finanziellen Verhältnisse des Gläubigers machen und vor allem prüfen, wofür das passivseitig zur Verfügung gestellte Kapital aktivseitig verwendet wird. So logisch und sinnvoll dies in der Theorie klingt, desto schwieriger ist dies bei der Prüfung von staatlichen Bilanzen umzusetzen.

Die Art, wie staatliche Bilanzen heute geführt werden, erlauben es weder dem Investor noch dem Politiker noch den Beamten den Überblick zu bekommen. Die bilanzielle Transparenz, wie sie der Investor und das Management, mit Ausnahme von Finanzkonzernen, bei börsenkotierten Unternehmen gewohnt ist, ist bei staatlichen Rechnungen nicht möglich.

Staatliche Rechnungen sind in der Regel nach nationalen Grundsätzen geführt. Eine Konsolidierung ist nicht üblich, ebenso wenig eine unabhängige Revision der Rechnung. Aussagefähige Geschäftsberichte für den Ka­pital­markt werden in aller Regel nicht verfasst. Oft wird nur die Erfolgs­rech­nung „ab­ge­seg­net”, nicht aber die Bilanz. Offene, aber noch nicht eingetroffene Ver­bindlichkeiten (z.B. Garantien, Leistungs­versprechen, Bürg­schaften) werden in der Regel nicht ausgewiesen, die Ver­bindungen und gegenseitigen finan­ziellen Abhängig­keiten zwischen den einzelnen staatlichen Insti­tu­tionen, föderativen Einheiten und Regie­be­trieben ist oft nicht nachvollziehbar. Die Assets werden im Allgemeinen nicht nach dem Grundsatz „True und Fair” be­wer­tet. Die meisten Ak­tiven werden kom­plett abge­schrieben. Oft wird nur ein kleiner Vermögensteil als Finanz­vermögen, zu Markt­­werten bilan­ziert, in den Büchern festgehalten. Es bestehen kaum Mechanismen, die Be­triebs­not­wendigkeit des ge­bundenen Kapitals zu überprüfen und es bestehen keine Anreize, um sich syste­matisch von nicht betriebs­not­wen­digen Anlagen zu trennen. Bei Neuinvestitionen sind kaum Prozes­se bekannt, zum Bei­spiel bei Investitionen in neue Schulgebäude, die systematisch alternative Eigen­tümer prü­fen. Bei vielen Politi­kern und Beamten ist immer noch der Glaube verankert, dass man nur eine Leis­tung erbringen kann, wenn man die „Produktionsanlagen” auch besitzt. Es ist nicht üb­lich, Asset objekt­spezifisch, wie in jedem Industrie­konzern der Fall, in einem „Anlagespiegel” zu erfas­sen und zu bewerten. Die Kosten der Kapital­bin­dung werden nicht aus­gewiesen und in den meisten Fällen auch nicht er­mit­telt. Anreize, das Kapital effizient einzu­setzen, sind nicht üblich, entspre­chen­de Rechen­schafts­berichte sind nicht bekannt. Die Aus­dehnung des Kapital­stocks (Capital Expendi­tures) erfolgt deshalb auch kaum nach wirtschaftlichen plausibilisier­baren Kri­te­rien. Wenn ein Staat oder eine staatliche Subeinheit finanziell Schlagseite bekommt, erfolgt in der Regel eine Hilfe von an­de­ren staatlichen Einheiten ohne einen entsprechenden Rückgriff auf das Finanzvermögen der angeschlagenen Einheit, obschon es bei dieser als nicht betriebsnotwendig deklariert wurde.

Die staatliche Bilanzführung ist also sowohl für einen Outsider wie auch für einen Insider nicht so ausgelegt, um einen guten Einblick zu erhalten und darauf abgeleitet qualitativ hochwertige Ent­scheidungen fällen zu können. Sie ist nach unserem Dafürhalten qualitativ etwa dort, wo sich die Bilanzführung der Industrie in den 1970er Jahren befunden hat. Erst im Zuge des Share holder Value Managements hat die Betriebswirtschaft einen ver­mehrten Blick auf die Bilanz der Unternehmen gefordert und die Führungskräfte zu einem sorgsameren Um­gang mit dem Kapital motiviert. Inves­toren könnten heute jedenfalls alleinig auf der Basis nur einer Bilanz­analyse, kaum einem Staat ihr Geld anvertrauen. Ob dieser Zustand in einem aufgeklärten Wirtschafts­system nachhaltig so beibehalten und akzeptiert werden kann, ist allerdings äusserst fraglich. 

Qualitativ minderwertige Erfolgsrechnung – ein zusätzliches Übel

Streng genommen ist aus kaufmännischer Sicht eine Erfolgsrechnung dann schon qualitativ minder­wertig, losgelöst davon ob es sich um ein Unternehmen oder einen Staat handelt, wenn eine Organisation wieder­kehrend Verluste schreibt und keine positiven Mittelzuflüsse (Cash-flows) generiert werden.

Ein Staat müsste nach unserem Dafürhalten beabsichtigen, so wie auch jedes Unternehmen es zum Ziel hat, nachhaltig keine Verluste zu schreiben und einen positiven Mittelzufluss (Cash-flow) zu erzielen, denn jeder Verlust geht zu Lasten des Eigenkapitals und damit zu Lasten der Substanz – auch beim Staat. Es kann mehrere Gründe geben, weshalb eine Organisation Verluste schreibt. Letztlich stimmen aber Umsatz und Kosten nicht überein, das heisst, die Kosten sind relativ zum erzielten Umsatz zu hoch. Da die meisten Staaten immer wieder regelmässig Verluste schreiben, ist es für einen potenziellen Investor zwingend Notwendig, wenn er blanko Kredit geben sollte erst recht, die Ursachen der Verluste zu ergründen. Nach unserer Meinung sollten aber auch Staaten mehr und mehr dazu übergehen, „Geschäftsberichte” für den Investor zu verfassen und dabei die operativen Fortschritte und Misserfolge bei Umsatzsteigerungen und Kosteneinsparungen zu kommentieren.

Bei vielen Staaten –  vor allem solchen des Südens und des Ostens –  beginnen die Probleme schon bei ein­fachen Dingen wie dem Top-Line Management, dem Umsatzmanagement also. Zugegeben, oft können Kauf­kraft, Potenzial, Leistungskraft der lokalen Wirtschaft nicht mit denjenigen der grossen Industrienationen des Nor­dens mithalten. Umso mehr schiene es aber zweckmässig, dem Top-Line Management weit mehr Augen­merk zu geben. Bei jedem Investor müssten jedenfalls die Alarmlampen angehen, wenn nur ein Bruchteil der Bürger Steuern bezahlt, viele Unternehmen die Mehrwert­steuer nicht einkas­sieren und schon gar nicht ab­liefern, Gebühren nicht ein­ge­trieben und Leistungen subven­tioniert oder gratis abge­ge­ben werden, die aber einen Preis ha­ben könnten oder ein Debitoren- und Delkrede­re­ma­nagement inexistent sind. Organisa­tionen, die ihren Umsatz nicht im Griff haben, sollten auf Blankobasis kein Kapital erhalten, weder als Staaten noch als Unter­nehmen, gestern nicht, heute nicht und morgen ebenfalls nicht.

Viele Staaten haben zwar ihre Top-Line mehr oder weniger im Griff, zeichnen sich aber nicht durch Budget- sprich Erfolgsrechnungsdisziplin aus,  „das Ausgeben fällt einfacher als das Einnehmen”. Es ist eine Tatsache, dass viele staatliche Einheiten ineffizient arbeiten, mit zu viel Personal und einer zu teuren Infrastruktur, oft sind die bezahlten Saläre höher als in der Privat­wirt­schaft, vor allem bei weniger qualifizierten Jobs. Zudem werden Subventionen und Unterstützungs­zahlungen geleistet, die man sich gar nicht mehr leisten dürfte. Das sollte aber nicht dazu verleiten, die bereits gesprochenen Kosten immer wieder zu hinterfragen und auf revolvierender Basis Einsparungen vorzunehmen.

Be­sonders problematisch wird es kostenseitig allerdings dann, wenn die staatliche Erfolgsrechnung zum Selbstbe­dienungsladen wird. Das ist dann der Fall, wenn Einkaufsprozesse auf dem Papier definiert und ge­setz­lich verankert sind, sie aber nicht umgesetzt und von korrupten Politikern oder Beamten umgan­gen werden. Das Selbe gilt für Unterstützungszahlungen, wenn die Auszahlungsprozesse missbraucht werden und Renten z.B. für schon längst tote Kühe (wenn sie wirklich einmal gelebt haben sollten) oder für verstor­bene Menschen ausbezahlt werden.  Einer solchen Organisation sollte man sein Geld nicht einmal auf gedeckter Basis überlassen, man kann in einem solchen Fall ja auch der Besicherung nicht vertrauen.

Ein externer Investor sollte deshalb regelmässig die Fähigkeit des Staates Kosten einzusparen überprüfen.  Staaten sollten deshalb regelmässig über ihre operativen Fortschritte Rechenschaft ablegen müssen. Staaten müssten eigentlich alles daran setzen, so viel eigene Kapitalmarkttransparenz zu schaffen, damit es keine Ratingagenturen mehr braucht.

Es ist auch wenig erfolgsversprechend, statt die Probleme beim Schopf zu packen, die entstandenen Schulden über Steuererhöhungen abzubauen und durch eine Weginflationierung der Sparguthaben zu reduzieren.

Alle haben davon gewusst, dass gewisse Staaten nicht nur ein Budgetproblem, sondern ein fundamentales Problem bei der Umsetzung von Recht und Ordnung haben – dennoch aber haben sie ihnen zur mehr oder weniger Risk Free Rate Geld blanko geliehen. Alle haben von der fehlenden Transparenz der staatlichen Bilanzen gewusst und obschon wir in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, lieber auf ein „bequemes” Urteil von Ratingagenturen abgestützt, als mehr Inhalt und Struktur bei der staatlichen Rechnung zu fordern.

Deshalb Weckherlins Fazit:

Ein unmittelbarer nächster Schritt wäre es deshalb, von jedem Staat und staatsähnlichem Gebilde welches den Kapitalmarkt beansprucht, einen aussagekräftigen, nachvollziehbaren Geschäftsbericht zu verlangen, der über Bilanz- und Erfolgs­rechnung ähnlich wie bei jedem börsennotierten Unternehmen detailliert Auskunft zu geben vermag. Nicht betriebsnotwendige Vermögen sollen abgebaut und zur Reduktion der Schulden verwendet werden.

Es wird zwar auch bei mehr Transparenz noch qualitativ minderwertige Staaten geben, die das Geld von Investo­ren nicht erhalten sollten. Aber sie werden transparent gemacht und sind für jedermann einsehbar- und vergleichbar – auch ohne Ratingagenturen.

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2 Lesermeinungen

  1. tricky1 sagt:

    Die Idee, für Staaten...
    Die Idee, für Staaten sinngemässe internationale Buchhaltungsstandards einzuführen hätte einen hervorragenden mehrfachen Nutzen:
    .
    a) Es erlaubt Bürgern und Politikern Vergleiche von Jahr zu Jahr und mit anderen (vergleichbaren) Ländern.
    .
    b) Es hilft bei Entscheiden über Kreditaufnahme und Vergabe.$

  2. ThorHa sagt:

    <p> </p>
    <p>Die Idee von...

    Die Idee von Weckherlin wäre in einer halbwegs rationalen Umgebung sinnvoll. Nur sind Demokratien mit ihren Wählern und Politikern eben genau keine auch nur halbwegs rationalen Umgebungen. Und solange die Anreize so liegen, dass sich für die Politiker Schuldenfreiheit niemals, für die Wähler auch nur für Zeiträume ausserhalb ihres Ereignishorizontes rechnen: Solange ist zunehmende Verschuldung auch durch Geschäftsberichte nicht einzudämmen. Sondern nur durch existentielle, periodisch wiederkehrende Krisen wie die jetzig. Die sich einfach einmal pro Generation wiederholen müsste. Menschen lernen grosso modo nur durch selbst erfahrenen Druck. Leider.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

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