Die Welt der Online-Adressen wird bald größer: Unternehmen, Städte und Regionen bekommen im Internet ab sofort die Möglichkeit, eigene Adress-Endungen auf ihren Namen zu buchen, sogenannte Top-Level-Domains. Denkbar wären damit Adressen für Internetseiten, die zum Beispiel auf „.frankfurt”, „.bahn” oder „.taunus” enden. In den Vereinigten Staaten wird eine starke Nachfrage nach Adressen wie „.car”, „.love”, „.movie”, „.web” und „.gay” erwartet. Tatsächlich beworben haben sich in Deutschland nach bisherigen Informationen Unternehmen wie SAP, Linde und RWE. Die zuständige Internet-Verwaltung, die amerikanische Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), nimmt die Bewerbungen um die neuen Endungen seit Donnerstag dieser Woche entgegen. Das Bewerbungsfenster schließt Mitte April.
Die Angelegenheit ist allerdings kostspielig: Allein die Bewerbung kostet rund 120 000 Euro, danach müssen zur „Bewirtschaftung” der Domain die kompletten Aufgaben eines Internet-Unternehmens übernommen werden. Dafür sind ein eigenes Geschäftskonzept und ein entsprechend hohes Startkapital nötig. Der Grund ist, dass Icann den wirtschaftlichen Betrieb der Adress-Endungen langfristig sichern will. Das ist nach Schätzungen mit Kosten von rund 200 000 Euro im Jahr verbunden. Zusätzlich sind nach Angaben des deutschen IT-Branchenverbandes Bitkom abhängig vom Aufwand bis zu einer halben Million Euro für Projektmanagement, Technik und Rechtsberatung nötig.
Nichts für Privatleute
Privaten Nutzern steht die Registrierung nicht offen. Allerdings dürften die entsprechenden Kosten für diese Zielgruppe auch viel zu hoch sein. Voraussichtlich Anfang 2013 sollen die neuen Endungen dann nach einer Prüfung durch die Icann freigeschaltet werden.
Jeder Name einer Domain im Internet besteht aus einer Folge von durch Punkte getrennten Zeichenfolgen. Die Bezeichnung Top-Level-Domain („Bereich oberster Ebene”) bezeichnet dabei den letzten Namen dieser Folge. Ist der vollständige Domain-Name einer Website „beispiel.com”, so entspricht das rechte Glied (.com) der Top-Level-Domain dieses Namens. Die Registrierungsstelle legt dafür einen Datenbank-Eintrag über den Inhaber an, der entsprechende Abfragen ähnlich einem Telefonbuch, ermöglicht.
„Alle interessierten Institutionen sollten jetzt aktiv werden, wenn sie die neuen Möglichkeiten schnell nutzen wollen”, sagte Dieter Kempf, der Präsident des Bitkom zum Beginn der Bewerbungsfrist. In Deutschland gibt es laut Bitkom unter anderem Initiativen für die Adressen „.berlin”, „.hamburg” und „.köln”. Branchen-Domains wie „.film”, „.hotel” oder „.shop” seien ebenfalls geplant. Für einprägsame Adressen mit den schon lange eingeführten Endungen wie „.com”, „.org”, „.net” oder Länderkürzeln wie „.de” sind die Namen schon knapp geworden. Wer nach Möglichkeiten sucht, eine neue Geschäftsidee oder Unternehmung mit dem entsprechenden Namen auch im Internet erreichbar zu machen, wird oft enttäuscht. Die Erweiterung der Domain-Endungen gilt in der Branche deshalb gar als „historischer Schritt”, der diese Möglichkeiten nun deutlich erweitern soll.
Die amerikanische Regierung allerdings hatte die Icann noch Anfang Januar aufgefordert, die Pläne noch einmal zu überdenken. Viele Unternehmen hätten in Beratungen mit dem Wirtschaftsministerium die Erweiterung der Adressräume kritisiert. Sie befürchteten, dass Unbefugte ihre Unternehmens- oder Markennamen als Top Level Domain registrieren könnten. Nach Angaben des Bitkom soll durch entsprechende Angebote für Markenrechtsinhaber aber verhindert werden, dass Websites zu Spekulationszwecken reserviert werden. Abgeschmettert wurde unter anderem ein amerikanischer Vorschlag, der Staaten ein Vetorecht eingeräumt hätte. Regierungen haben nun die Möglichkeit, die Icann bei der Vergabe unverbindlich zu beraten.
Potentielles Desaster?
Der Vorsitzende der amerikanischen Handelskommission FTC, Jon Leibowitz rechnet gleichwohl mit einem „potentiellen Desaster”, das mehr Online-Kriminalität zur Folge haben wird. Auch in der Internet-Gemeinde stoßen die neuen Domains inzwischen auf Kritik. Mit der Erweiterung der Endungen werde kein Vorteil, sondern nur Redundanz produziert, von der letztendlich nur Google profitiere, sagte die Internet-Pionierin Esther Dyson dem „Wall Street Journal”. Wenn ein Unternehmen wie die Hotel-Kette Marriott neben der Adresse „marriott.com” auch „marriott.hotel” registrieren könne, müsse es seine Marke mit einer Reservierung der Adresse dann auch geradezu schützen, selbst wenn das Unternehmen die neue Domain nie gebrauche. Für Marken-Anwälte könne daraus ein lukratives Geschäftsfeld entstehen.
Die mit diesen Vorwürfen konfrontierte Icann will das Bewerbungsverfahren entsprechend „transparent und fair” gestalten. Die Erweiterung sorge für mehr Wettbewerb und mehr Möglichkeiten für einprägsame Web-Auftritte. So will das Oberhaupt der afrikanischen Volksgruppe der Zulu nach Icann-Angaben „.zulu” für alle seine Stammesmitglieder registrieren lassen, die über viele afrikanische Länder verstreut sind. Auch die Katalanen in Spanien hätten Interesse an einer gemeinsamen Endung .cat bekundet.