Auf seiner Homepage zeigt Florian Rentsch ein Video, das einen Ausschnitt aus einer Landtagsdebatte mit ihm wiedergibt. Es läuft nur ein paar Minuten. Aber es zeigt, dass er reden kann, schnell auf den Punkt, streitlustig, unterhaltsam. In kurzer Zeit setzt Rentsch seine Botschaften: Die Schulen in Hessen sind spitze. Es gibt Lehrer im Übermaß, sehr viel mehr als im SPD-regierten Rheinland-Pfalz. Es gibt weniger als 170 000 Arbeitslose in Hessen, einem Land, in dem man sein Lebensglück noch selbst in die Hand nehmen kann. Abgang vom Podium.
Stichwort Lebensglück: Am 1. Juni wurde der erst 37 Jahre alte junge Familienvater Rentsch jetzt neuer Wirtschaftsminister des von ihm so wohlwollend beschriebenen Landes. Seit 1997 ist Rentsch Mitglied der FDP, sein Vater, ein „nordhessischer Sozialdemokrat”, habe heftig durchgeatmet, als er von der Wahl des Sohns erfuhr. Von 2000 bis 2004 hatte Rentsch die Jungen Liberalen in Hessen geführt. Vor neun Jahren zog er in den Landtag ein. Im Zuge der vorgezogenen Neuwahlen nach dem Ypsilanti-Debakel übernimmt er im Februar 2009 den Fraktionsvorsitz.
Das Tempo ist in (s)einer kleinen Partei freilich nicht ungewöhnlich: Parallelen finden sich im Aufstieg des liberalen Hoffnungsträgers Christian Lindner, Fraktions- und Landeschef in Düsseldorf, in der Karriere von Philipp Rösler, dem Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister oder von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr – alles Altersgenossen, mit Lindner ist Rentsch zudem seit langem befreundet.
Schon ordentlich aufgewärmt
In den Tagen vor der Übernahme des Amtes von Wirtschaftsminister Dieter Posch scherzte Rentsch, er werde „in der 70. Minute eingewechselt”. Da schickt man Spieler auf den Platz, die dem Geschehen noch die entscheidende Wendung geben sollen. In Hessen wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt. Fußballfan Rentsch erweckt den Eindruck, dass er sich am Spielfeldrand schon ordentlich aufgewärmt hat. Gleichgültig, welches Thema man mit ihm bespricht, Rentsch ist auf Ballhöhe.
Er weiß, auf was der Wirtschaftsminister achten muss, wenn der Gesundheitskonzern Fresenius den Wettbewerber Rhön Klinikum kauft und wie man gegenüber Betriebsräten von Neckermann oder Opel Empathie für den Erhalt der Arbeitsplätze zeigt, ohne dafür kostspielige staatliche Hilfsleistungen zu versprechen. Ihm ist klar, dass das Thema Fluglärm in Frankfurt auch nach dem jüngsten höchstrichterlichen Urteil nicht zu Ende diskutiert ist. Hier ist Rentsch voll auf der Linie seines Vorgängers Posch, der das Urteil aus Leipzig im Planfeststellungsverfahren mit einer „Klarstellung” festgeschrieben hat. Zudem gelte es, den Antilärmpakt mit Fakten zu unterlegen und in Deutschland für eine bessere Zusammenarbeit aller Flughäfen bei Nachtflügen zu sorgen. Im Umgang mit den Flughafenthemen hat Rentsch gemerkt, dass mit Druck manches möglich ist. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er diesen Druck aufrechterhalten will, um die für alle Beteiligten bestmögliche Lösung zu erzielen.
Spaß daran, Dinge zu gestalten
Politiker sei er geworden, weil er Spaß daran habe, Dinge zu gestalten, sagt Rentsch. Anders als oft behauptet, sei das Politikern auch weiterhin möglich. Er schreckt daher auch als FDP-Mann nicht davor zurück, das Wort „Industriepolitik” in den Mund zu nehmen, wenn es gilt, seine wirtschaftspolitische Agenda genauer zu beschreiben. „Ich will die Scheinwerfer auf die Stärken richten, die wir in unserem Land haben”, sagt Rentsch. Dazu zählt er die Pharma- und Chemieindustrie samt Biotechnologie, die Energiewirtschaft und die Finanzindustrie – sein klares Bekenntnis zum Finanzplatz Frankfurt versteht sich von selbst. Gegenüber einer stärkeren steuerlichen Förderung der Forschung und Entwicklung in der Pharmabranche zeigt er sich aufgeschlossen. Zugleich müsse man aufpassen, dass steigende Energiepreise die Produktion hierzulande nicht unattraktiv machten. Zu denken gibt ihm das hessische Unternehmen SGL Carbon, das jüngst in einen Produktionsbetrieb in den Vereinigten Staaten investiert hat. Das liege nicht zuletzt daran, dass in Seattle die Energiepreise 50 Prozent unter dem deutschen Niveau lägen, sagt Rentsch.
Der Wähler belohnt die Defensive nicht
Die Versäumnisse der Bundes-FDP sieht er kritisch. Der Berliner Koalitionsvertrag sei, anders als in Hessen, nicht optimal verhandelt worden, aber man habe auch im Bund noch viele Möglichkeiten, Akzente zu setzen. Als Stichworte nennt er Freihandel, die Energiewende, das Internet und das Urheberrecht. Die FDP werde vom Wähler nicht dafür belohnt, defensiv zu sein. „Wir haben doch auch nichts zu verlieren”, mahnt er. Im Hessischen Landtag wissen das inzwischen alle. Der Jurist, dessen Anwaltszulassung („mein Traumberuf”) ruht, spielt im Angriff, nicht in der Abwehr. Ab sofort muss er zeigen, ob er auch als Landesminister Tore schießen kann. Und dann? Im Regal des Abgeordneten findet sich ein Bildband mit Liebeserklärungen berühmter Künstler, Fotografen und Kreativer an die Hauptstadt. „Berlin now” lautet der programmatische Titel.
Unter Mitarbeit von Heike Göbel.
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