Ad hoc

Steve Ballmer von Microsoft: Vater der Evolution

Natürlich ist Steve Ballmer begeistert. Ballmer ist in der Öffentlichkeit stets begeistert. Ganz gleich, ob er – wie vor vielen Jahren am Microsoft-Stammsitz in der Nähe von Seattle – eine neue Softwareumgebung für professionelle Programmierer vorstellt; oder wie vor nicht allzu langer Zeit in München das aktuelle Betriebssystem Windows 7 präsentiert; oder ob er wie gestern Nacht den jüngsten Angriff auf das iPad von Apple startet. Wenn der Vorstandsvorsitzende von Microsoft redet, dröhnt es in den Ohren. Er zieht den Saal nicht mit Charisma in seinen Bann, wohl aber mit Kraft.

In einigen Situationen sieht man nun zwar auch dem Kraftpaket Ballmer an, dass er älter wird und einer fordernden Arbeit nachgeht. Aber Energie hat er deshalb nicht eingebüßt, obwohl das nachvollziehbar wäre. Denn Ballmer ist inzwischen auch schon 56 Jahre alt und gehört Microsoft seit 1980 an. Man ahnt, wie häufig seine Stimmbänder seither auf das Äußerste angespannt waren. Zu seinem Eintritt in das Unternehmen war er der einzige Nichttechniker. Ballmer brachte vielmehr Managementerfahrungen vom Konsumgüterhersteller Procter & Gamble mit, wo er in frühen Jahren mit Jeffrey Immelt, dem heutigen Chef von General Electric, Schreibtisch an Schreibtisch saß. Die Microsoft-Vertriebsmannschaft, für die er viele Jahre lang zuständig war, wurde zur schlagkräftigsten der Branche. Doch das ist Vergangenheit.

Seit dem Jahr 2000 allein an der Spitze

Nun steht Ballmer – auch schon seit dem Jahr 2000 – allein an der Spitze von Microsoft. Und sein Problem ist, dass er seine Kraft seither auf die mehr oder weniger selben Projekte konzentrieren muss. Noch immer will er die Welt verändern, im Zentrum technologischer Revolutionen stehen. Das aber hat in den vergangenen Jahren nicht so recht geklappt. Und auch das neueste Produkt aus seinem Hause mag solide sein, aber eine Revolution ist es nicht.

Tatsächlich ist Microsoft zu einem Haus der Evolution der Informationstechnologie (IT) geworden. Revolutionen haben zuletzt andere auf den Markt gebracht: Apple zum Beispiel mit dem Tabletcomputer iPad. Dabei war es doch Microsoft-Mitgründer Bill Gates, der im November 2000 in Las Vegas den ersten Tabletcomputer vorgestellt hat. Aber das Produkt war unausgereift, es kam zu früh. Ein Trend wurde erkannt, aber nicht bedient. Das tat dann Apple, aber erst im Januar 2010 mit der Vorstellung des iPad. Seither sind weitere zwei Jahre verstrichen, was in der IT eine lange Zeit ist. Nun kommt Microsofts Antwort.

Der Hoffnungsträger heißt Surface, in der Nacht auf Dienstag hat Ballmer ihn ausgepackt. „Der Surface ist ein PC. Der Surface ist ein Tablet. Und der Surface ist etwas ganz Neues”, sagte Ballmer in Los Angeles. In jedem Fall ist das Gerät ein Wendepunkt in der Strategie des Unternehmens. Bisher bauen Unternehmen wie Hewlett-Packard, Dell oder Lenovo die Computer, und von Microsoft kommt die Software. Nun aber kommen Soft- und Hardware – wie bei Apple – aus einer Hand. Das so etwas gerade im Geschäft mit Privatkunden Vorteile haben kann, war die Botschaft des verstorbenen Apple-Mitgründers Steve Jobs schon seit seiner Rückkehr in das Unternehmen 1997. Eine steile Lernkurve kann man Microsoft und Ballmer also nicht unterstellen.

Ein Mann mit Durchhaltevermögen

Sicher ist damit aber auch, dass Ballmer Durchhaltevermögen hat. Mit breitem Kreuz hat er schon eine Attacke eines großen institutionellen Aktionärs ausgehalten, der sich über die Kursentwicklung der Aktie beklagte. Ballmer hat nie aufgegeben – er versucht, die für Microsoft richtigen Schlüsse zu ziehen. Bisher gibt man ihm dafür die Zeit. Der neue Tabletcomputer wird so vor allem zur Werbung für das neue Windows 8, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommt. Natürlich wird es nach den Worten von Ballmer die „tiefste, breiteste und wegweisendste” Windows-Software, die das Unternehmen je hergestellt hat, was immer er damit meint. Es sei die „Morgendämmerung der Wiedergeburt von Windows”, das „wichtigste Stück Arbeit, das wir je gemacht haben”.

Man hört daran, wie sehr es Ballmer liebt, die Dinge zu überzeichnen. Aber er glaubt, was er sagt. Er schöpft aus der Überzeugung seine Kraft. Der Vater von drei Kindern hat seine Durchsetzungsfähigkeit geerbt. Ballmers Vater ist ein Schweizer, der in die Vereinigten Staaten ausgewandert war und sich beim Autohersteller Ford vom Arbeiter bis in die mittlere Leitungsebene hocharbeitete: keine geringe Leistung, aber auch keine Revolution. 

Vom selben Autor als Buch und E-Book: Big Apple
– Das Vermächtnis des Steve Jobs 

 

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