Die Datev, die Datenverarbeitungsorganisation der steuerberatenden Berufe, ist ein interessantes deutsches Phänomen: Sie ist ein moderner und erfolgreicher Dienstleister derjenigen, die für ihre Mandanten im stetigen Kontakt mit den Finanzämtern stehen. Auf der Seite der deutschen Finanzämter aber ist von moderner Informationstechnologie nur wenig zu sehen. So ist die Zahl der elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärungen über das Elster-Verfahren im Jahr 2011 zwar auf mehr als 9,5 Millionen gestiegen. Doch gibt es immer wieder Probleme. Derzeit kämpfen vor allem große Beratungsgesellschaften mit der elektronischen Einreichung der Körperschaftsteuererklärung. Die ist zwar verpflichtend, doch längst nicht alle Module funktionieren schon elektronisch. So muss gleichzeitig auf Papier und im Computer gearbeitet werden. Dänemark zeigt, wie es besser geht: Dort finden die Bürger schon seit 1999 im Internet eine vor ausgefüllte Steuererklärung vor. Inzwischen gibt es dann auch einen vorläufigen Steuerbescheid auf Knopfdruck – und 80 Prozent aller privaten Nutzer sind mit diesem zufrieden. So gesehen, darf Deutschlands Finanzverwaltung gern einmal nach Norden blicken.
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Der Informationstechnologie-Dienstleister Datev hatte zwar einige Schwierigkeiten mit der Einführung einer neuen Softwaregeneration. Die Genossenschaft aus Nürnberg bleibt aber dennoch auf Erfolgskurs: Sie ist im ersten Halbjahr 2012 schneller als der Markt gewachsen. So stieg der Umsatz in den ersten sechs Monaten auf 382,6 Millionen Euro und damit um 3,1 Prozent.
Die wesentliche Herausforderung für die Datev war 2011 die Einführung der neuen Produktlinie „Datev pro”. Sie ist zwar ein Erfolg: So sind bis zum März 2012 in einer Zeitspanne von zwei Jahren knapp 32 000 Kanzleien und rund 92 000 Unternehmen auf die neue Software umgestiegen. Das hat aber zu einer erheblichen Belastung und einer stark verschlechterten Erreichbarkeit des Kundenservice geführt. Dieter Kempf, der Vorstandsvorsitzende der Datev, will aus diesen Erfahrungen lernen; viele der Schwierigkeiten vom Jahreswechsel seien inzwischen auch ausgestanden.
Wachstum schneller als die Branche
Grundsätzlich sei man in das Geschäftsjahr 2012 gut gestartet. „Wir wachsen weiter deutlich dynamischer, als die Branchenentwicklung es erwarten ließ”, sagte Kempf auf der Jahrespressekonferenz. Seine Prognose für den Rest des Jahres ist ebenfalls positiv: „Für das gesamte Geschäftsjahr gehen wir von einem Umsatzwachstum von nahezu 4 Prozent aus.” Damit wächst die Datev schneller als der Rest der deutschen Wirtschaft.
Weiteres Wachstumspotential könnten Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland freisetzen, wenn künftig Geschäftsprozesse und Verwaltungsabläufe schneller und effizienter digitalisiert würden, ist Kempf überzeugt. „E-Government muss ein entscheidender Treiber zum Bürokratieabbau werden”, sagte er und kritisierte zugleich die zeitlichen Verzögerungen bei diversen E-Government-Projekten.
Das gelte zum Beispiel für die elektronisch abrufbaren Lohnsteuerabzugsmerkmale, auf die Arbeitgeber für die korrekte Berechnung der Lohnsteuer zugreifen müssen. Sie werden erst mit zwölf Monaten Verspätung, voraussichtlich zum kommenden Jahreswechsel, zur Verfügung stehen. Ähnlich sehe es mit der E-Bilanz aus, die nun erst für die Geschäftsjahre ab 2013 vorgesehen ist. Neue Impulse fordert Kempf zudem für den Einsatz der sicheren elektronischen Identifizierung des neuen Personalausweises.
Gründe für diese Verzögerungen erkennt Kempf auf verschiedenen Ebenen: So führe die mangelnde Abstimmung zwischen Bund und Ländern immer wieder dazu, dass sinnvolle Projekte scheiterten oder sich so lange verzögerten, bis sie technisch überholt seien. „Bei solchen Projekten scheint es auch ratsam, vom deutschen Hang zum Perfektionismus Abstand zu nehmen und kleinere Module eines Gesamtkonzeptes in kürzerer Zeit sukzessive umzusetzen.”
Vorbild Dänemark
Kritisch bewertete Kempf zudem das Vorgehen rund um die vorab ausgefüllte Steuererklärung. Für die Steuerberater sei es dringend erforderlich, einen Zugriff auf die bei der Finanzverwaltung für seine Mandanten gespeicherten Pflichtmeldungen von Kreditinstituten, Sozialversicherern, Arbeitgebern und sonstigen Institutionen zu erhalten. Die Verwaltung der für den Zugriff auf die Daten jeweils notwendigen Vollmachten der Mandanten könnte eine vom Berufsstand geführte zentrale Vollmachtsdatenbank übernehmen, die in Bayern schon gemeinsam mit den Steuerberaterkammern München und Nürnberg sowie der bayerischen Finanzverwaltung erprobt wurde. Andere Länder sind nach den Worten von Kempf auf diesem Gebiet schon weiter. So werde in Dänemark seit 1999 eine vorab ausgefüllte Steuererklärung online bereitgestellt, die inzwischen in einen unmittelbar danach erstellten, vorläufigen Steuerbescheid münde.
Das Geschäftsjahr 2011 hatte die Datev mit einem Umsatz von 730,8 Millionen Euro abgeschlossen (plus 4,6 Prozent). Das Betriebsergebnis betrug 38,3 Millionen Euro; davon werden 30,5 Millionen Euro als genossenschaftliche Rückvergütung an die knapp 40 000 Mitglieder ausgeschüttet. Treiber der geschäftlichen Entwicklung war 2011 vor allem das Angebot für Kanzleien. Unter anderem hätten die Programme zur Lohnabrechnung von der höheren Beschäftigungsquote in Deutschland profitiert, hieß es. Im laufenden Jahr freut sich Kempf über einen guten Zuspruch bei seinen Druckdienstleistungen.
Druckdienstleister für die Deutsche Post
So wird das Datev Druck-, Logistik- und Servicezentrum für die Deutsche Post den Druck und die Konfektionierung der sogenannten Hybridbriefe übernehmen. Solche Briefe werden gedruckt, wenn der Empfänger eines E-Postbriefs selbst noch nicht E-Postbrief-Kunde ist, also auf die Zustellung eines physischen Briefs angewiesen bleibt. Die Druckdienstleistungen der Datev finden nach den Worten von Kempf aber auch rege Nachfrage bei Banken und Versicherungen, die in diese Technik nicht mehr investieren wollten. Durch solche Druckdienstleistungen für Dritte gelingt es der Datev, den Rückgang des eigenen Druckaufkommens auszugleichen. Kempf weiß aber, dass dieses Geschäft keine Zukunft über Jahrzehnte mehr haben wird: „Früher oder später werden auch, vielleicht mit der Ausnahme des E-Postbriefs, bei anderen Unternehmen gedruckte Aussendungen immer seltener nötig.”