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Die Volkskrankheit Diabetes macht Unternehmen wertvoll

Dass es Nachholbedarf gegeben hat, zeigt der Blick auf die Zahlen: Während der Marktführer Novo Nordisk auf dem für Pharmakonzerne hochattraktiven Markt für Diabetes-Medikamente 9,4 Milliarden Dollar im Jahr umsetzt, hat es der Konkurrent Bristol-Myers Squibb im vergangenen Jahr gerade auf 583 Millionen Dollar geschafft. Ein kleines Unternehmen aus Kalifornien mit dem unbekannten Namen Amylin hat diesen Wert sogar schon übertroffen. Bristol-Myers musste etwas tun, um auf dem Diabetes-Markt weiterhin ein Spieler zu bleiben, der ernst genommen wird. Deshalb zahlt der Konzern 7 Milliarden Dollar für Amylin – in einer der größeren Unternehmenstransaktionen dieses Jahres. In dem Geschäft zeigt sich die ganze Pharmawelt wie unter einem Brennglas. Für die etablierten Konzerne laufen Patente wichtiger Medikamente aus, Nachschub muss her, das gelingt meist nur über Zukäufe. Zudem gibt es immer mehr Partnerschaften, auch unter den großen Spielern, so wie auch bei diesem Geschäft zwischen Astra-Zeneca und Bristol-Myers. Und: Richtig attraktiv sind nach wie vor die großen Volkskrankheiten wie eben Diabetes. Die individuelle Medizin muss noch warten.

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Die Behandlung der Volkskrankheit Diabetes ist ein Milliardenmarkt für die Pharmaindustrie. Auf der ganzen Welt leiden rund 300 Millionen Menschen an Diabetes, die meisten von ihnen am Typ 2, für den die zunehmende Fettleibigkeit in vielen Ländern eine Ursache sein kann. Die Behandlung ist sehr einträglich, deshalb expandiert nun auch der amerikanische Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb auf dem Gebiet: Der Konzern kauft das im kalifornischen San Diego ansässige Biotechnologieunternehmen Amylin Pharmaceuticals für rund 5,3 Milliarden Dollar in bar zuzüglich Schulden und sonstiger Verbindlichkeiten von 1,7 Milliarden Dollar. Insgesamt hat das Geschäft also ein Volumen von 7 Milliarden Dollar – und ist damit eine der größeren Kaufs- und Verkaufstransaktionen in der amerikanischen Unternehmenswelt in diesem Jahr.

Bristol-Myers zahlt den Anteilseignern von Amylin 31 Dollar je Aktie, was einem Aufpreis von rund 10 Prozent auf den Schlusskurs von Amylin vor Bekanntgabe der Übernahme entspricht. Der Aktienkurs von Amylin hatte sich schon seit Oktober verdreifacht. Denn auch andere Pharmakonzerne wie Astra-Zeneca, Novartis, Merck & Co. sowie Sanofi waren dem Vernehmen nach an dem Unternehmen interessiert. Bristol-Myers selbst hatte im Februar dieses Jahres schon einmal ein Übernahmeangebot in Höhe von 22 Dollar vorgelegt, was der Führung von Amylin als zu niedrig erschienen war. Da aber der amerikanische Investor Carl Icahn mit rund 10 Prozent an Amylin beteiligt ist und daran interessiert war, dass ein Verkauf zustande kommt, hat er den Amylin-Vorstand wohl dazu gedrängt, sich nach dem ersten Vorstoß von Bristol-Myers öffentlich zum Verkauf zu stellen und nun das neue verbesserte Angebot auch tatsächlich anzunehmen. Amylins bisheriger Partner Eli Lilly erhält eine Abstandszahlung. Bristol-Myers versuchte den höheren Preis mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass man im Februar auf der Basis öffentlich zugänglicher Informationen habe bieten müssen und inzwischen ein besseres Bild von Amylin gewonnen habe.

Partnerschaft mit Astra-Zeneca

Das Geschäft hat aus der Sicht von Bristol-Myers noch einen zweiten Aspekt. Am Tag, an dem die Übernahme von Amylin bekanntgegeben wurde, hat der Konzern angekündigt, gemeinsam mit dem britischen Pharmakonzern Astra-Zeneca Produkte von Amylin weiterentwickeln zu wollen. Die Konzerne kennen sich gut, arbeiten längst bei mehreren Diabetes-Medikamenten zusammen und wollen ihre Stellung in dem schnell wachsenden Milliardenmarkt nun stärken. Auch dabei geht es um große Summen, denn für die Zusammenarbeit zahlt Astra-Zeneca insgesamt 3,4 Milliarden Dollar, ebenfalls in bar. Im Gegenzug ist Astra-Zeneca an den Gewinnen aus dem Verkauf der entsprechenden Medikamente beteiligt. Die Aufsichtsgremien der drei beteiligten Unternehmen haben den entsprechenden Vereinbarungen schon zugestimmt. Analysten lobten vor allem die Konstruktion des gemeinsamen Vorgehens mit Astra-Zeneca, ein solches Übernahmegeschäft habe es in der Branche bisher noch nicht gegeben. Zudem seien die bisherigen Ergebnisse der bestehenden Partnerschaft von Bristol-Myers und Astra-Zeneca nicht zufriedenstellend ausgefallen.

Interessant ist Amylin vor allem wegen des Medikaments Bydureon zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, das für die Patienten sehr angenehm ist, da es nur einmal in der Woche gespritzt werden muss. Es löst ein Vorgänger-Präparat ab, das an jedem Tag noch zwei Injektionen erforderte und inzwischen durch Medikamente von Wettbewerbern wie zum Beispiel Novo Nordisk unter Druck geraten ist, die nur noch einmal am Tag gespritzt werden. Dementsprechend ist der Umsatz mit diesem Medikament mit dem Namen Byetta im vergangenen Jahr auf 517,7 (Vorjahr: 667,6) Millionen gefallen. Durch den Kauf von Amylin bleibt Bristol-Myers allerdings noch immer ein recht kleiner Spieler auf dem Gebiet der Diabetes. Weltmarktführer ist Novo Nordisk, Bristol-Myers schiebt sich nun auf Platz sechs vor.

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