Die Türkei boomt, in Deutschland arbeiten so viele Menschen wie nie, Südeuropa dagegen leidet. Oft heißt es, die Menschen auf der Straße spürten solche Entwicklungen gar nicht. Doch gerade auf der Straße, beim Händler vor Ort, lässt sich der Wandel erkennen. In der Türkei etwa versuchen Unternehmen wie der Handelskonzern Metro mit großflächigen Märkten Fuß zu fassen. Denn die türkische Wirtschaft läuft blendend; die Menschen wollen mehr Auswahl als im Tante-Emma-Laden nebenan. Die Präsentation auf der Fläche zieht die jungen, wohlhabenderen Kunden in ihren Bann. In Ländern wie Spanien oder Griechenland hat sich dieser Wandel längst vollzogen – aber jetzt liegt dort, anders als in der Türkei, die Wirtschaft danieder. Deshalb senken Einzelhandelskonzerne hier die Preise, Hersteller führen kleinere Packungsgrößen ein und vertreiben günstige Spezialmarken – oder denken darüber nach.
Und in Deutschland, wo die Wirtschaft brummt, wagt der niederländische Einzelhandelskonzern Ahold zur selben Zeit den Markteinstieg mit einem Konzept, das an die traditionellen türkischen Strukturen erinnert: Aus Holland kommt so etwas wie ein Tante-Emma-Laden zurück. Er heißt jetzt allerdings wie eine in den Niederlanden schon etablierte Supermarktkette „Albert Heijn” mit dem neudeutschen Namenszusatz „to go” – und kochen muss der Kunde hier auch nicht mehr unbedingt selbst. In Aachen soll im September das erste Geschäft öffnen. Mit dem Konzept, das hektische Menschen schnell mit Essbarem – auch mit Fertiggerichten – versorgen soll, macht Ahold dann dem deutschen Rewe-Konzern Konkurrenz. Dieser hat im Mai den ersten „Rewe to go”-Laden eröffnet. Auch Rewe will eine Alternative zu Fast-Food-Filialen, Imbissbuden und Bäckereien bieten.
Das Beispiel zeigt: Der Einzelhandel und das Geschäft mit Konsumgütern wirken auf den Betrachter zwar oft schwerfällig. Die Unternehmen reagieren tatsächlich aber viel schneller, als es dem Laien scheint. Europas umsatzstärkste Warenhauskette etwa, der spanische Konzern El Corte Inglés, hat schon im Juni bekanntgegeben, für rund 5000 Produkte die Preise um 20 Prozent zu senken. Die Preissenkungen umfassen neben Lebensmitteln auch Drogerie- und Parfümartikel und sollen dem Unternehmen zufolge einen täglichen Warenkorb widerspiegeln.
Eco bottle von Henkel
Der Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel wiederum hat in einigen südeuropäischen Ländern die sogenannte „Eco bottle” eingeführt. Hier geht es um Waschmittel in einer sehr schlichten Verpackung, die unter anderem in Portugal, Spanien und Italien angeboten werden. „Dahinter steht das sehr relevante Angebot an die Verbraucher, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht auf Markenartikel-Qualität verzichten zu müssen”, beschreibt ein Sprecher von Henkel die Strategie. Das derart „reduzierte” Packungskonzept der „Eco bottle” gehe in den Märkten in der Regel mit einer „Preiseinstiegspositionierung”einher.
Beim Hamburger Konkurrenten Beiersdorf heißt es, ähnlich wie bei Henkel, dass man sich schon lange auf die unterschiedlichen Kaufgewohnheiten der Kunden in den verschiedenen Ländern eingestellt habe. Wenn die Nachfrage auf den europäischen Märkten sich ändere, könne Beiersdorf flexibel reagieren, sagte eine Sprecherin. Ein genereller Trend zu kleineren Verpackungen sei momentan aber nicht erkennbar.
Ähnliches ist von der deutschen Tochtergesellschaft des amerikanischen Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble zu hören: Das Produktportfolio sei groß genug, um zum Beispiel Angebote, die es in kleinen Flaschen bisher nur in Indien gibt, auch nach Europa zu holen. Das sei zurzeit aber nur eine theoretische Überlegung, passiert sei noch nichts – im Zweifel sei man aber in der Lage, kurzfristig zu reagieren. Der Konkurrent Unilever ist da schon weiter: Der Konzern hat in dieser Woche angekündigt, kleinere Packungsgrößen, die es bisher zum Beispiel nur in asiatischen Schwellenländern gab, nach Europa zu holen. Inzwischen verkauft Unilever in Spanien deshalb sein Waschmittel „Surf” in Packungen, die für nur fünf Waschgänge reichen. In Griechenland bietet der Konzern Kartoffelpüree und Mayonnaise in Kleinpackungen an, während Basisprodukte wie Tee oder Olivenöl unter einer griechischen Preiseinstiegsmarke verkauft werden.
Metro setzt auf Eigenmarken
Die Metro in Düsseldorf, ein Konzern, der ganz Europa als Markt im Blick hat, will diese Aussagen gleichwohl nicht überbewertet wissen: Ein echter Trend in Richtung kleinerer Packungsgrößen für Südeuropa lasse sich noch nicht feststellen, sagte ein Sprecher. „Was aber generell und schon seit längerem gilt, ist, dass wir verstärkt auf unsere Eigenmarken setzen.”
So sucht sich jeder Händler seine eigene Strategie, was für den aufmerksamen Verbraucher durchaus spannend sein kann. Und vielleicht sind die kleinen Packungsgrößen von Unilever aus den Niederlanden ja auch etwas für die neuen Tante-Emma-Läden von dort: Denn auch der hektische Konsument in den „Albert Heijn”-Filialen von Ahold möchte gewiss keine Familienpackungen schleppen. Mit der vom Unilever-Chef beschworenen „neuen Armut” in Europa muss das dann allerdings gar nichts zu tun haben – eher mit dem Gegenteil.