Wer in San Francisco einmal keine Lust auf einen Hamburger von McDonald’s hat, für den ist Mel’s Drive-In eine gute Idee. Und wer sich dort niederlässt, kann im Amerika-Gefühl der fünfziger und sechziger Jahre schwelgen, seinen Blick schweifen lassen – und an den Film „American Graffiti” denken. Die Filiale an der Van Ness Avenue, die dort gezeigt wird, gibt es zwar längst nicht mehr. Aber George Lucas hat mit dem Film dem Lebensgefühl von „Mel’s” ein Denkmal gesetzt. Es war eines seiner ersten Werke – danach sind seine Denkmäler größer geworden. Vor allem in San Francisco muss man noch an einer ganz anderen Stelle an Lucas und seine Unternehmungen denken, auf dem historischen Presidio-Kasernengelände, wo seine Firmen im Jahr 2005 unter dem Dach eines ehemaligen Militärkrankenhauses versammelt worden sind. Aber letztlich sind es weniger die Immobilien, die in der realen Welt Zeugnis von Lucas’ Schaffen ablegen, als vielmehr die Spielzeuge, die aus der Filmographie von Lucas entstanden sind, in den Kinderzimmern: Star Wars-Figuren aus billigem Plastik oder von Lego aus teurem Plastik, Raumschiffe, Bücher, Comics, Lichtschwerter. Es gibt wohl keinen Einrichtungsgegenstand aus den „Star Wars”-Filmen, der nicht schon in irgendein Merchandising-Produkt umgesetzt worden ist.
Ein Vorbild für die Branche
Insofern ist Lucas zu einem wahren Vorbild für eine ganze Branche geworden, was zu einem Menschen passt, der letztlich sein Leben lang Kind geblieben ist – wenn auch zu einem sehr, sehr reichen. Nach den ersten, ambitionierten Filmen wie eben „American Graffiti” wurde Lucas vom Regisseur immer mehr zum Produzenten, der ob des wirtschaftlichen Erfolgs seiner Werke von Hollywood und seinen Gesetzen früh unabhängig wurde – und es sich leisten konnte, die Kinos zu Innovationen zum Beispiel in der Ton- oder digitalen Filmtechnik zu zwingen, wenn sie die Filme aus seiner „Krieg der Sterne”-Reihe zeigen wollten. Große Studios blickten neidvoll auf den Erfolg, der Lucas nicht in die Wiege gelegt worden war.
Kein guter Schüler
Der Vater war Schreibwarenhändler und Walnussbauer, Lucas selbst kein guter Schüler, Kino und Autos interessierten ihn mehr. Geboren wurde Lucas am 14. Mai 1944 in Modesto (Kalifornien) als eines von vier Kindern und träumte davon, Rennfahrer zu werden. Nach einem schweren Autounfall 1962 kurz vor Ende der Highschool änderte Lucas seinen Berufswunsch. Entdeckt wurde er über Arbeiten mit einer Schmalfilmkamera. Seine Abschlussarbeit an der Uni, der Science-Fiction-Kurzfilm „THX-1138:4eb”, gewann 1967 beim Studentenfilmfestival. Volle Kassen und glänzende Rezensionen brachte dann 1973 „American Graffiti”; „Star Wars” folgte von 1977 an. Der Erfolg ist bekannt; große Studios blieben außen vor. Lucas blieb als reiner Privatunternehmer erfolgreich, und „Star Wars” wurde beinahe unsterblich.
Ein tiefer Einschnitt
Dass Lucas sich nun entschieden hat, das Privatunternehmertum aufzugeben und sein Studio an den Unterhaltungskonzern Disney zu verkaufen, ist insofern ein tiefer Einschnitt. Andererseits werden mit den Animationsfilmen von Pixar und Lucasfilm nun zwei Unternehmen wieder unter einem Dach vereinigt, die eine gemeinsame Wurzel haben. Denn der im vergangenen Jahr verstorbene Apple-Mitbegründer Steve Jobs hatte Pixar einst von keinem Geringeren als Lucas gekauft – im Jahr 1986, für aus heutiger Sicht bescheidene 10 Millionen Dollar. Einige Zeit später begann Pixar („Toy Story”, „Die Monster AG” oder eben „Cars”) einen Kassenschlager nach dem anderen zu produzieren und landete nach einem Zwischenschritt in Partnerschaft letztlich vollständig in den Armen von Disney, was die Familie von Jobs zum größten Einzelaktionär des Medienkonzerns gemacht hat.
Als Disney und Pixar vor ungefähr zehn Jahren darüber verhandelten, wie ihre gemeinsame Zukunft aussehen sollte, hatte Disney – damals noch unter Michael Eisner, dem Vorgänger des heutigen Vorstandsvorsitzenden Bob Iger – auch schon vor Augen, wie gut Lucas in der Lage war, seine Filme und vor allem seine Filmfiguren zu vermarkten. Seinerzeit durfte Lucas’ Vertriebspartner 20th Century Fox bei den „Star Wars”-Filmen lediglich eine Vertriebsgebühr von 6 Prozent der Einnahmen abziehen, der Rest ging an Lucas, der dafür seine Filme gerne auf eigene Kosten produzierte. Ein guter Geschäftsmann war Lucas immer schon. Disney hofft nun, dass davon manches auf den eigenen Konzern abfärbt.
Nicht nur “Star Wars”
Lucasfilm wurde schon 1971 von George Lucas gegründet und beschäftigt sich längst nicht nur mit „Star Wars”-Kinofilmen. Das Unternehmen, unter dessen Dach zum Beispiel auch die „Indiana Jones”-Filme entstanden sind, bringt zudem Video- und Computerspiele auf den Markt, digitalisiert Filme, kümmert sich im Bereich „Industrial Light and Magic” um Spezialeffekte und mit „Skywalker Sound” um Musik und Toneffekte in diversen Produktionen. Zudem gibt es einen Verlag für Comics und Romane. Die Sparte THX-Kinotonsysteme wurde 2002 ausgegliedert.