Ad hoc

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Metro-Großaktionär Haniel: Wir haben das Krankenhaus verlassen

2012 war für Haniel und einige Tochtergesellschaften ein Jahr des Aufräumens. Zum ersten Mal in Friedenszeiten fällt die Dividende aus. Den Streit mit dem Media-Markt-Mitbegründer Erich Kellerhals und dem Haniel-Beteiligungsunternehmen Metro möchte der neue Chef Stephan Gemkow im Konsens gelöst wissen.

2012 war für Haniel und einige Tochtergesellschaften ein Jahr des Aufräumens. Zum ersten Mal in Friedenszeiten fällt die Dividende aus. Den Streit mit dem Media-Markt-Mitbegründer Erich Kellerhals und dem Haniel-Beteiligungsunternehmen Metro möchte der neue Chef Stephan Gemkow im Konsens gelöst wissen.

Herr Gemkow, täuscht das Gefühl, dass im Hause Haniel seit Jahren über dieselben Themen und Probleme diskutiert wird, Fortschritte aber allenfalls im Krebsgang erreicht werden?

Ganz ehrlich, die Frage überrascht mich jetzt. Der Eindruck täuscht in der Tat. Es gibt keinen Anlass für mich, Entscheidungen der Vergangenheit zu kommentieren. Aber wir als Vorstand sind schon Anfang September mit den Gesellschaftern zusammengekommen und haben der Familie Haniel unsere Sicht auf das Unternehmen gezeigt und die Baustellen, die wir sehen, genau beschrieben. Dann haben wir ein Paket von Maßnahmen vorgestellt, mit dem wir uns zutrauen, die Herausforderungen zu bewältigen. Wir haben sehr schnell grünes Licht bekommen und direkt losgelegt. 

Nämlich?

Wir haben für rund 100 Millionen Euro Aktien an unserer Beteiligungsgesellschaft Celesio verkauft und die Metro-Beteiligung von 34,24 Prozent auf 30,01 Prozent reduziert. Und zwar kursschonend und in kürzester Zeit, was niemand erwartet hatte. Wir haben deutliche Fortschritte in der Entschuldung von Haniel gemacht.

Dazu wollten Sie doch noch weitere nicht-strategische Vermögenswerte veräußern?

Auch da sind wir im Plan und darüber werden wir nach Umsetzung auch gerne reden. Wir haben den größten Teil dessen, was wir uns zur Schuldenreduzierung vorgenommen haben, hinter uns. Das ist die Hauptbotschaft. Generell ist bisher alles recht schlank und im Konsens verlaufen. Ich bin positiv überrascht, wie schnell und geräuschlos es bisher gelungen ist, die PS mit dem Holding-Team auf die Straße zu bringen.

Unbenommen, seit dem Spätherbst ist sicher einiges in Bewegung. Und doch stimmt unsere Eingangsbemerkung. Es sind immer wieder die alten Themen, die Haniel beschäftigen: Wie geht es mit der hohen Verschuldung weiter? Wie mit Metro und mit Celesio? Wie mit neuen Beteiligungen?

Klar sind es die alten Themen, die uns beschäftigen. Sie erledigen sich ja schließlich nicht von selbst. Trotz des Blicks in den Rückspiegel interessiert uns natürlich mehr das, was vor uns liegt. Und da kommt erst einmal die Pflicht und dann die Kür. Die Pflicht schreibt vor, was wir zu tun haben, in der Kür kann man die Figuren selbst wählen. Im Moment sind wir noch in der Pflicht, also dem Abbau der Nettofinanzschulden und der Bewältigung der operativen Themen in den Beteiligungsgesellschaften.

  Die Lage, in der Gemkow das Unternehmen vorgefunden hat, beschreibt er im weiteren Verlauf des Gesprächs als „schwierig, aber sicher nicht desolat“. Auch habe ihn die Situation nicht überrascht. Öffentlich zugängliche Informationen und viele Gespräche, die er vor seinem Einstieg geführt habe, hätten ihn gut vorbereitet. Eine Frage habe er sich im Voraus allerdings nicht beantworten können: Würden alle an einem Strang ziehen? Familie, Management und Mitarbeiter? Daran konnte man in der Tat zweifeln. „Ein möglicher Dividendenverzicht oder der Verkauf von Aktienpaketen unter dem Einstandskurs sind schließlich kein Spaß“, räumt Gemkow ein.

Zieht denn die Familie trotz des geringen Spaßfaktors an einem Strang?

Ja, und zwar am selben Ende. Das ist wirklich gut gelungen, und damit konnte das Unternehmen einen Riesenschritt nach vorne machen.

Wie funktioniert der Dialog mit der weit verzweigten, durchaus heterogenen Familie und ihren rund 650 Mitgliedern?

Die Abstimmung läuft in erster Linie über den sogenannten Kleinen Kreis als deren entscheidendes Gremium. Er stellt die Anteilseigner-Bank im Aufsichtsrat. Mit diesem Kreis tauscht sich das Management sehr offen über die anstehenden Themen des Unternehmens aus. Hier wird auch besprochen, wie man die weitläufige Familie mitnehmen kann und die nötige Unterstützung bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen erhält. In diesem Kreis, der wiederum mit der Familie im engen Dialog steht, wird sehr ernsthaft, konstruktiv und unternehmerisch diskutiert – viel intensiver als in den Aufsichtsräten der meisten anonymen Aktiengesellschaften.

Man spreche dort jedenfalls nicht nur über das nächste Quartal, sondern auch über die langfristigen Perspektiven. Normal sei es hingegen, dass es in einer so großen Familie wie der der Haniels abweichende Meinungen und unterschiedliche Befindlichkeiten gebe. Aber alle eine ein großes persönliches Interesse am eigenen Unternehmen, auch wenn der angekündigte Dividendenausfall ein Schlag gewesen sei. Tatsächlich gibt es sehr unterschiedliche persönliche Situationen im Kreis der Gesellschafter. Aber die aus Sicht von Gemkow absolut erforderliche Nullrunde sei schon frühzeitig im Herbst mit und in der Familie eingehend diskutiert und später auch einigen Gesellschaftern persönlich tiefergehend erklärt worden. Schließlich sei es dabei auch um die Frage gegangen, ob ein etwaiger Dividendenausfall möglicherweise das Eingeständnis einer permanenten Schieflage sei. Doch viele Familienmitglieder hätten großes Verständnis gezeigt.

Das ist eigentlich kaum zu glauben.

Aber es ist wahr. Denn das Bild, das vielfach in der Öffentlichkeit von der Familie gezeichnet wird, ist völlig verzerrt und trifft absolut nicht zu. Die angeblich großen Spannungen existieren so nicht. Was mich im Übrigen sehr beruhigt hat.

Hätten die Gesellschafter denn auch für eine längere Durststrecke Verständnis?

Nach unserer Vorstellung wäre ein möglicher Dividendenausfall kein Dauerzustand.

Ist es historisch das erste Mal, dass Haniel nichts ausschüttet?

Wenn es so beschlossen wird. Zumindest gibt es keine anderslautenden Aufzeichnungen darüber.

Wenn Sie schon die bittere Pille des Dividendenausfalls verabreichen wollen, welche Zukunftsperspektiven werden Sie den Gesellschaftern denn als neuer Chef des Unternehmens in wenigen Wochen auf der Jahresversammlung aufzeichnen?

Wir haben noch einiges an Hausarbeiten zu machen. Gleichwohl denken wir aber schon über die Kür nach, halten die Augen offen und machen uns Gedanken, wie es nach dem Pflichtprogramm weitergeht. In der Summe ergibt sich durch den Abbau der Verschuldung jetzt immerhin ein Bild, wonach Haniel perspektivisch wieder in der Lage sein wird, einen freien Mittelzufluss zu erarbeiten, Dividenden zu zahlen, Mittel für Wachstum freizusetzen und somit an die frühere Ertragsstärke anzuknüpfen. Das passiert nicht über Nacht, weil wir derzeit nicht die nötige Finanzkraft haben, riesige Sprünge zu machen. Man muss in diesem Kontext aber auch sehen, dass Haniel über profitable Beteiligungen verfügt, die aus ihrem eigenen Cash flow wachsen können.

Suchen Sie bei möglichen Akquisitionen eher die kleinen entwicklungsfähigen Perlen, von denen Ihr Vorgänger gern gesprochen hat, oder darf es auch Größeres sein?

Am Ende geht es darum, mittel- bis langfristig über ein deutlich besser austariertes Portfolio zu verfügen. Also schauen wir nach Unternehmen, die von der Kompetenz her zu Haniel passen und entsprechend gut zu steuern sind. Ihr Fokus muss auf starke und stabile Mittelzuflüsse gerichtet sein. Sie sollten überdies nachhaltige Megatrends bedienen. Und ihre Geschäftsmodelle sollten frei sein von regulatorischen Eingriffen.

Dazu hat Gemkow wohl auch schon einige Ideen, andere werden von außen an Haniel herangetragen. Fest steht, dass es, losgelöst vom vorhandenen finanziellen Rahmen, nach seinen Vorstellungen keine milliardenschweren Unternehmen sein sollen. Zu einem Familienunternehmen wie Haniel passten gesunde Mittelständler grundsätzlich besser als große gelistete Konzerne. Zugleich müsse Haniel aber auch internationaler werden. Das sei Teil der langfristigen Strategie, um so auch die Entwicklung in der Weltwirtschaft widerzuspiegeln. Wichtige Ansätze dazu seien auch schon realisiert worden. So hat Celesio in Brasilien zugekauft, die Gesellschaften ELG und Takkt investierten in den Vereinigten Staaten. Mögliche Synergien zwischen den Gesellschaften spielten in den Portfolioüberlegungen aber keine Rolle, abgesehen von Querschnittsfunktionen wie Einkauf oder Führungskräfteentwicklung. Haniel habe sich seit jeher für einen anderen Weg entschieden. Man wolle fungible, für sich allein stehende Einheiten. Haniel verstehe sich grundsätzlich als Wertentwickler, gehe überschaubare Investments ein, begleite und entwickle diese langfristig und verkaufe sie bei Bedarf. Auch ein fast 260 Jahre altes Traditionshaus wie Haniel wolle allein aus Risikogründen nicht alle Eier in einen Korb legen.

Wenn große börsennotierte Unternehmen gar nicht gut zu Haniel passen, warum reduzieren Sie eigentlich nicht weiter Ihre Beteiligungen an Metro und Celesio?

Wir wollen bei beiden Gesellschaften Ankeraktionär bleiben. Speziell bei Metro ist uns wichtig, gemeinsam mit dem Pool-Partner Schmidt-Ruthenbeck die Hauptversammlungsmehrheit und damit die Kontrolle zu behalten.

Bei Metro, dem größten Vermögenswert von Haniel, stehen zur Hauptversammlung umfangreiche Neuwahlen für den Aufsichtsrat an. Werden Sie in das Gremium einziehen, dem derzeit Franz Markus Haniel vorsteht?

Ich bitte um Verständnis, dass ich dies nicht kommentieren möchte. Diese Frage steht für mich auch nicht im Vordergrund. Haniel steht mit der Metro im engen Austausch, zumal auch mein Vorstandskollege Florian Funck dem Gremium angehört.

Für die Metro brauchen Sie offenbar viel Geduld. Nicht zuletzt der Streit mit dem Media-Saturn-Gründer Erich Kellerhals lastet auf dem Aktienkurs. Wird es nicht endlich Zeit für Lösungen?

Der Konflikt ist in der Tat eine große Belastung für den Aktienkurs. Wir müssen alle daran arbeiten, zu einem Konsens zu kommen und eine Lösung zu finden.

Wenn Sie nach einem guten halben Jahr an der Unternehmensspitze eine erste Zwischenbilanz ziehen, wagen Sie dann die Aussage, Haniel habe das Schlimmste hinter sich?

Ja, ganz eindeutig ja. 2012 war sowohl auf Holdingebene als auch bei einigen Tochtergesellschaften ein Jahr des Aufräumens. Ein großer Teil davon ist bewältigt. Das Krankenhaus hat Haniel jedenfalls schon seit längerem verlassen, aber ein paar Verbände sind noch dran.

Als Sie die Gesellschafter vor Weihnachten auf den Dividendenausfall einstimmten, versprachen Sie zugleich, Haniel wieder zum Synonym für ein nachhaltig erfolgreiches und dividendenstarkes Familienunternehmen zu machen. Das war mutig. Wie viel Zeit haben Sie dafür eingeplant?

Zwei bis drei Jahre werden wir sicherlich brauchen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. Wir hoffen, dass sich das bald auch in der Benotung der Rating-Agenturen niederschlägt.

Und wie wird Haniel dann aussehen?

Nicht viel anders als heute, allerdings mit zwei bis drei Geschäftsfeldern mehr.

Wie steht es um das Geschäftsjahr 2013?

Für dieses Jahr sehen wir für Haniel allein dank der Aufräumarbeiten des vergangenen Jahres eine operative Verbesserung. Wir wollen insgesamt leicht wachsen und dabei weiter gesunden.

Mit Henning Kagermann wurde ein familienfremder Aufsichtsrat ins Unternehmen geholt. Im Rahmen der Professionalisierung des Gremiums sollte doch längst ein zweites externes Mitglied folgen . . .

. . . ja, aber nicht längst. Da sollten Sie sich bis zur Gesellschafterversammlung gedulden.

Das Gespräch führten Brigitte Koch und Carsten Knop.

Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop