Ad hoc

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Heinrich Hiesinger und sein großes Umbauprojekt Thyssen-Krupp

Eines muss man Gerhard Cromme lassen: Er hat mit Heinrich Hiesinger im Jahr 2010 einen Manager von Siemens zu Thyssen-Krupp geholt, dem in München noch mancher Mitarbeiter hinterhertrauert. Zudem scheint Hiesinger tatsächlich dazu geeignet zu sein, den in Essen notwendigen Kulturwandel mit Verve voranzutreiben. Jedenfalls sind sich Beobachter aus dem Ruhrgebiet spätestens seit der Vorweihnachtszeit des vergangenen Jahres sicher, dass alle Meldungen, die seither über Thyssen-Krupp in der Zeitung gestanden haben, vor allem Vorstandschef Hiesinger nützen.

Eines muss man Gerhard Cromme lassen: Er hat mit Heinrich Hiesinger im Jahr 2010 einen Manager von Siemens zu Thyssen-Krupp geholt, dem in München noch mancher Mitarbeiter hinterhertrauert. Zudem scheint Hiesinger tatsächlich dazu geeignet zu sein, den in Essen notwendigen Kulturwandel mit Verve voranzutreiben. Jedenfalls sind sich Beobachter aus dem Ruhrgebiet spätestens seit der Vorweihnachtszeit des vergangenen Jahres sicher, dass alle Meldungen, die seither über Thyssen-Krupp in der Zeitung gestanden haben, vor allem Vorstandschef Hiesinger nützen; dass diese ihn nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch in seiner Position gegenüber der Krupp-Stiftung stützen.

„Cui bono?“, heißt es immer wieder, wenn Berichte über Korruption und Luxusreisen erschienen, wenn in der Folge Vorstände zurücktreten mussten. Auch als Cromme vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden zurücktreten musste, wurde das als Machtverlagerung hin zum Vorstand verstanden. Und wenn über Flüge berichtet wird, die Berthold Beitz, der Vorsitzende der Krupp-Stiftung, mit dem Firmenflugzeug von Thyssen-Krupp unternommen hat, sorgt das für mehr Beinfreiheit Hiesingers gegenüber der Stiftung. Denn diese Flüge sollen künftig nicht mehr stattfinden.

Nutznießer aller Umbrüche war und ist stets Hiesinger

So ist die Frage des Nutzens in allen Fällen eine rhetorische. Nutznießer war und ist stets Hiesinger, von dem man nicht weiß, ob er hier das Glück des Tüchtigen hat oder dem Glück vielleicht auch etwas nachgeholfen wurde. Wie immer man es wendet, hat Hiesinger alles in einer ebenso unaufgeregten wie unprätentiösen Art geschafft. Der 52 Jahre alte Bauernsohn aus Baden-Württemberg passte zur etablierten Thyssen-Krupp-Kultur mit diesen Charakterzügen wie die Faust aufs Auge, in diesem Fall aber im eigentlichen Wortsinn: Wo andere Vorstände früher stets mit Hofstaat unterwegs waren und Fabrikbesuche organisiert wurden wie sonst nur Staatsbesuche, kommt Hiesinger gerne auch einmal allein zu einem Treffen, braucht keine reservierten Tische und schon gar keine reservierten Aufzüge, in die die Mitarbeiter sich nicht einzusteigen trauen. Mit solchen Tabus und Privilegien will Hiesinger aufräumen; Kadavergehorsam kann er nicht leiden. Es scheint, als solle der bisherige Altherrenverein Thyssen-Krupp nun tatsächlich im 21. Jahrhundert ankommen. Für jeden Mitarbeiter gibt es jetzt auch aus diesem Grund die Möglichkeit, Hiesinger direkt per E-Mail anzuschreiben. Das Angebot wird dankbar aufgenommen: „Zum Jahresabschluss habe ich mehr als 400 E-Mails bekommen“, berichtete Hiesinger vor einiger Zeit. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Mails von ihm selbst gelesen und die Antworten persönlich freigegeben wurden. Signale hat Hiesinger also gesetzt. Doch allein damit wird es auch nicht getan sein.

Denn einerseits braucht Thyssen-Krupp die Unruhe im Innern, um sich zu erneuern. Nach außen sind aber ein paar weitere Weichenstellungen gefragt, die Hiesinger jenseits von internen Querelen strategische Handlungsoptionen eröffnen müssen, um das Unternehmen auch operativ voranzubringen. Dazu gehört vor allem der Verkauf der Stahlwerke in Amerika zu einem möglichst hohen Preis.

Ausgleichende Wirkung anderer Sparten

Ohne die zumindest teilweise ausgleichende Wirkung der Technologiesparten Anlagenbau, Aufzüge und Komponenten hätte der teure Ausflug nach Amerika den gesamten Konzern ohnehin längst in den Abgrund gerissen. Aber Hiesinger muss alle Sparten auf eine höhere Rendite trimmen. Die Expertise dazu bringt er von Siemens mit, wo er das Industriegeschäft erfolgreich sanierte. Sein Hauptansatzpunkt ist es, die bislang um knappe Investitionsmittel untereinander konkurrierenden Sparten auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, nämlich den Erfolg des gesamten Konzerns. Aber bei allen bisherigen Verdiensten in der Aufräumarbeit: Allein an der erhofften Transaktion in Amerika wird sich entscheiden, ob Hiesinger wirklich eine Chance bekommt, seine Pläne mit Thyssen-Krupp umzusetzen.

Denn nach und nach hat auch der promovierte Elektroingenieur erkennen müssen, dass die nach der Fusion von Thyssen und Krupp konsequent auf hochwertige Flachprodukte konzentrierte und einige Jahre gewinnstarke europäische Stahlsparte nicht mehr auf festen Säulen steht. Der in den aufstrebenden Schwellenländern bis zur Finanzmarktkrise gewaltige Stahlbedarf hat überspielt, dass es in der gesättigten Industriewelt Westeuropas trotz erheblicher Konsolidierungsschritte noch immer Überkapazitäten gibt. Wenn man ihn also fragt, ob der Stahl langfristig zum Konzern dazugehört, schmunzelt Hiesinger nur. Vorstellbar ist alles, eine Zukunft mit dem Stahl, vielleicht aber auch eine ohne. Im 21. Jahrhundert ist vieles möglich, und selbst Krupp und Stahl müssen da keine Synonyme mehr bleiben.

Unter Mitarbeit von Werner Sturbeck.

Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop