Unternehmen, die in der Biotechnologie tätig sind, arbeiten in einer Zukunftsbranche, sehen sich in Deutschland aber einem unfreundlichen politischen und gesellschaftlichen Umfeld gegenüber. Die entsprechenden Märkte sind stark reguliert, grüne Gentechnik wird in Deutschland nicht akzeptiert. Und in der Pharmabranche, wo die Patienten keine Berührungsängste mit Medikamenten aus biotechnologischer Produktion haben, werden Innovationen aus der Sicht der Industrie zu wenig belohnt.
„Von der nächsten Bundesregierung erhoffen wir uns deshalb mehr Unterstützung“, sagte Matthias Braun, der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt. Denn Deutschland und auch Europa brauchten die Biotechnologie, könne diese doch erheblich zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen. Als Beispiele nannte Braun das Bevölkerungswachstum, schwindende Rohstoff-Ressourcen sowie den Klimawandel.
Wirkstoff zur Behandlung der Malaria
Als aktuelles Beispiel für die Kombination von Biotechnologie und Chemie zum Nutzen der Menschen nannte Braun die Produktion von Artemisinin, der wichtigsten Waffe im Kampf gegen Malaria. Der komplexe Wirkstoff wurde bisher aus einer Pflanze gewonnen, dem Einjährigen Beifuß. Doch sorgt die Gewinnung von Artemisinin aus dieser pflanzlichen Quelle für starke Schwankungen von Preis, Menge und Qualität. Vor diesem Hintergrund sei es mit Hilfe der Biotechnologie gelungen, die an der Synthese der Artemisininsäure beteiligten Gene im Beifuß zu bestimmen. Sie wurden danach in einen Mikroorganismus (Hefe) eingebaut, der eine wichtige Vorstufe herstellt, die – kombiniert mit einem photochemischen Prozess – dann zu dem gewünschten Wirkstoff führt. „Vom Jahr 2014 an soll so viel produziert werden, dass bis zu 150 Millionen Behandlungen abgedeckt werden können“, sagte Braun.
Anstatt diese Industrie aber zu fördern, werde sie in Deutschland behindert, beklagte Braun mit Blick auf Preisbindungen und Zwangsabschläge. Und wenn Deutschland ernsthaft die Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren wolle, müsse die Biotechnologie ideologiefrei betrachtet und dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werde – vor allem für die nachhaltige Produktion und die Verwertung von Biomasse. In einer erfolgreichen Bioökonomie müssten Pflanzen- und industrielle Biotechnologie gleichberechtigt nebeneinander zum Einsatz kommen können. Hier wäre es aus der Sicht des Verbands schon ein Erfolg, wenn sich die Europäische Kommission und alle Mitgliedstaaten an die Gesetze hielten, die sie selbst geschaffen haben.
Hoffnung auf steuerliche Forschungsförderung
Wie viele andere Industrieverbände bis hin zum Bundesverband der deutschen Industrie wünscht sich auch die DIB die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung, welche die bisherige Projektförderung allerdings nicht ersetzen, sondern ergänzen soll. „Steuerliche Forschungsförderung ist ein effektives Instrument zur Förderung von Wirtschaftswachstum und sollte für Unternehmen aller Größen gelten“, sagte Braun. Hier habe Deutschland derzeit einen eindeutigen Standortnachteil gegenüber anderen Staaten, in denen es eine solche Förderung schon gebe. Frankreich und Großbritannien zum Beispiel hätten mit einem solchen System schon gute Erfahrungen gemacht, vor allem auf dem Gebiet der neu gegründeten Unternehmen.
Dass man mit der Biotechnologie Unternehmen fördert, die zukunftsfähig sind, versuchte der Verband mit seiner jüngsten Trendumfrage zur wirtschaftlichen Lage und den Branchenzahlen für das vergangene Jahr zu untermauern. „Für die kommenden Monate rechnen 80 Prozent der befragten Betriebe mit besseren Geschäften“, sagte Braun. Die Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung bezieht sich dabei aber allein auf zwei der drei Bereiche der Biotechnologie – die medizinische und die industrielle. Denn auf dem Gebiet der Pflanzenbiotechnologie findet in Deutschland keine Wertschöpfung statt. Das sei insofern bedauerlich, als der Umsatz mit Biotech-Saatgut auf der Welt inzwischen 15 Milliarden Dollar erreiche.
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