Bono ist mit sich selbst im Reinen. Nicht nur zu Anlässen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos wird er von anderen Größen hofiert. Wenn es um Spendenaktionen für eine bessere Welt geht, stehen gutmeinende Menschen gern mit ihm gemeinsam im Rampenlicht. Doch geht es selbst in der Umgebung von Bono nicht immer harmonisch zu. So zum Beispiel vor zwei Jahren, als seine Rockband U2 auf dem legendären Glastonbury-Festival in Großbritannien auftrat: Dort hatten Aktivisten der Gruppe „Art Uncut“ zu Beginn des Konzerts einen sechs Meter hohen Ballon aufgeblasen – mit der Aufschrift: „U Pay Your Tax 2“ (übersetzt etwa: „Auch ihr sollt eure Steuern zahlen“). Sie wurden zwar von Wachleuten überwältigt, aber Aufmerksamkeit für ihre Sache bekamen sie doch. Vorgeworfen wird Bono und U2, nach einer Gesetzesänderung in Irland im Jahr 2006 den Steuerstandort des Geschäfts der Band mir ihren Rechten in die Niederlande verlagert zu haben. Damit würden sie den irischen Staat nun um Steuern in Höhe von mehreren Millionen Euro bringen.
Geschäft ist Geschäft
Die sogenannten „Royalties“ aus der Vermarktung von U2, die in die holländische Holding fließen, sind dort nur einer minimalen Besteuerung unterworfen. Das Heikle daran ist zum einen, dass Irland eigentlich jeden Euro gebrauchen könnte. So kann man Bono vorwerfen, dass er zwar viel zur Bekämpfung der Armut in Afrika unternimmt, ihm das Wohlergehen seiner Heimat aber ziemlich gleichgültig ist. Zum anderen schlägt Bono zur Unterstützung von Afrika unter anderem die Erhöhung der Entwicklungshilfe vor, was ja wiederum von den soliden Steuerbürgern eines jeden Staates finanziert wird – nur eben nicht von U2. Von solchen Vorwürfen aber lässt sich der Musiker mit Dauererfolg schon lange nicht mehr aus der Ruhe bringen: „Geschäft ist Geschäft“, sagte er dazu soeben lapidar im irischen Fernsehen.
Auch Paul McGuiness, der Manager von U2, hatte längst zu Protokoll gegeben, dass U2 nun mal ein globales Unternehmen sei und somit auch seine Steuern global zahle. Aber aus dem Mund von Bono selbst klingen die Dinge natürlich viel gewichtiger: Schlaue Menschen in der irischen Politik und Steuerverwaltung hätten die Wettbewerbsfähigkeit des Steuersystems nun einmal zu einem festen Bestandteil des Geschäftslebens gemacht, findet der Mann, der mit richtigem Namen Paul David Hewson heißt und mit seinem Spitznamen Bono Vox („Gute Stimme“) zu einer Weltmarke geworden ist. „Das ist der Grund, warum wir hier Europazentralen von Unternehmen wie Google oder Facebook haben“, sagte der 53 Jahre alte Familienvater im Gespräch mit dem irischen Sender RTE. Und so sei es doch etwas kleinlich, wenn einige Iren nun sagten, man wolle nicht, dass ein irisches Unternehmen seinen Nutzen aus diesen Steuergesetzen ziehe, wohl aber ein jedes andere, ausländische Unternehmen, das nach Irland komme. U2 habe ja auch schon sehr hohe Steuern in Irland gezahlt, gehe mit dem Thema aber eben sehr bewusst um. Es sei auch kein Widerspruch, humanitär aktiv und zugleich im Geschäftsleben hart zu sein: „Ich denke, die Steuersachen von U2 sind unsere Angelegenheit. Und wir verhalten uns nicht nur nach den Buchstaben, sondern auch nach dem Geist des Gesetzes“, sagte Bono, der sein eigenes Geld nicht selten ebenfalls sehr gewinnbringend investiert. So besitzt Bono eine Beteiligung von 1,5 Prozent am Aktienkapital von Facebook, die er 2009 für 120 Millionen Dollar gekauft hatte und die heute rund 900 Millionen Dollar wert sind.
Freund der Manager
Damit dürfte Bono einer der reichsten Musiker der Welt sein; in jeden Fall öffnen ihm nicht nur derartige (und andere) Beteiligungen im Silicon Valley alle Türen. Das Valley im Allgemeinen und die Technikwelt im Besonderen sind von U2 und Bono sowieso begeistert. Und wenn Bill Gates, übrigens ein Philanthrop, von dem man noch gar nichts über Steuervermeidungsstrategien gehört hat, eine exklusive Runde in ein Restaurant in Davos einlädt, sitzt Bono folgerichtig ganz in der Nähe von Facebooks Sheryl Sandberg – und holt sich vielleicht ein paar Steuertipps.
Ganz ohne Spaß dürfte es in solchen Gesprächen um die Aids-Bekämpfung in Afrika oder auch den von Bono, Gates und anderen schon lange geforderten Schuldenerlass für die Dritte Welt gehen – und es mag manchen geben, dem Bonos Gutmenschentum in dieser Hinsicht längst zu penetrant geworden ist. Andererseits sind es gar nicht so viele, die Bono für seine Steuervermeidung kritisieren. So ist es dann doch wohl etwas anderes, ob man ein erfolgreicher Rockmusiker mit sozialem Anliegen ist oder ein weltumspannend tätiger Konzern aus Amerika, der in Europa zwar Arbeitsplätze schafft, ansonsten aber nicht als besonders sozial auffällt. Und doch sind Bonos Worte zur Steuerdebatte erhellend. Letztlich müssen Politiker und Bürger nämlich wissen, was sie wollen: Steuerwettbewerb und Ansiedlungserfolge von Unternehmen, die immerhin für Beschäftigung sorgen, oder transparentere und damit auch fairere Steuergesetze. Bono und U2 hatten wie Apple & Co. die Wahl. Sie haben sie zur Gewinnoptimierung genutzt.
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