Ad hoc

Die moderne Industrie im Meer der Daten

Im Prinzip ist alles klar: Wenn Maschinenbau und Elektrotechnik mit der Informationstechnologie verschmelzen, könnten gerade für die deutsche Wirtschaft neue Chancen entstehen. Die Steuerung von Entwicklung und Produktion über das Internet, mit dem Schlagwort Industrie 4.0 charakterisiert, könnte für Deutschland ein Segen sein, weil die hiesige Industrie ihre Stärken an den Technologieschnittstellen hat, die in dieser neuen Welt der Produktion wichtig werden. Die gewollt-neumodische Bezeichnung Industrie 4.0 soll dabei nichts anderes als die vierte industrielle Revolution zum Ausdruck bringen – nach der Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft, der Massenfertigung mit Hilfe von elektrischer Energie sowie der digitalen industriellen Revolution. Für manchen kann die Bedeutung dieser neuesten Wandlung des Wirtschaftslebens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: „Von der erfolgreichen Bewältigung der vierten industriellen Revolution hängt die Zukunft der deutschen Industrie ab – nicht mehr und nicht weniger. Diese epochale Herausforderung müssen wir nun branchenübergreifend angehen“, glaubt zum Beispiel Martina Koederitz, die Deutschlandchefin des amerikanischen Technologiekonzerns IBM.

Eine wichtige Voraussetzung für den Übergang zur Industrie 4.0 ist ein flächendeckendes und sicheres Superbreitbandnetz zur Datenkommunikation mit hoher Verbindungsstabilität, das es in Deutschland allerdings noch nicht gibt. Zudem müssten sich Arbeitswelt, Arbeitskultur und Bildungswesen verändern – bis hin zu interdisziplinären Lehrstühlen an Universitäten. Schließlich werden gesetzliche Regelungen für einen adäquaten Umgang mit der steigenden Datenmenge gebraucht. Und besonders dieser Punkt bekommt an Tagen Brisanz, an denen umfangreich über geheimdienstliche Überwachungen des Internetverkehrs durch die Vereinigten Staaten oder Großbritannien berichtet und diskutiert wird.

Sorge vor der Cloud

Vielleicht sind diese Sicherheitsbedenken, die Sorge vor Spionageprogrammen und Hintertüren in betriebswichtiger Software, der Grund, warum nicht wenige Deutsche trotz der Chancen die Begeisterung rund um die digitale vernetzte Produktion noch nicht so recht teilen wollen. Gerade wenn damit die Übertragung von Daten in Rechenzentren jenseits der Grenzen des eigenen Unternehmens gemeint ist (also in die Cloud), hat die Zurückhaltung in den vergangenen Wochen wieder stark zugenommen. „Die Computer-Cloud wird in der Automation heute noch nicht nennenswert genutzt“, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA), Kurt Bettenhausen, erst vor wenigen Tagen. Anlass zu dieser Bemerkung war ein Kongress des Vereins Deutscher Ingenieure zum Thema Industrie 4.0. Bettenhausen warnte zudem davor, dass angesichts der Bedenken gerade deutsche Anbieter in dieser Entwicklung letztlich doch das Nachsehen haben könnten.

Würde es den deutschen Anbietern aber gelingen, mit besonders vertrauenswürdigen Lösungen zu überzeugen, wäre die Chance für die hiesige Industrie umso größer. Denn der dezentrale Einsatz vernetzter maschineller Intelligenz eröffnet tatsächlich viele Möglichkeiten, nicht zuletzt zur Verbesserung menschlicher Entscheidungen. Entscheider können durch die Umstellung der Produktions- und Einkaufswelt auf digitale Vorgänge immer häufiger auf riesige Datenbanken zurückgreifen, in denen in Echtzeit Informationen gesammelt werden. Um aus diesen Daten aber weiterführende Erkenntnisse für Einkauf, Produktion und Absatz in der Industrie 4.0 zu ziehen, muss man die richtigen Fragen an die Daten stellen. Und das gilt für Geheimdienste und Unternehmen gleichermaßen.

Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop

Vom selben Autor: “Amazon kennt dich schon”: https://www.fazbuch.de/buecher/sachbücher-geschenkbücher-e-books/amazon-kennt-dich-schon

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