Die chinesischen Autohersteller erobern den Westen – und investieren in ihren neuen Zielmärkten in den kommenden Jahren kräftig. Dass die chinesische Heimat schon längst der größte Automarkt der Welt ist, reicht den dortigen Herstellern nicht. Sie wollen auf der ganzen Welt präsent sein. Während in den vergangenen drei Jahren lediglich jeder sechste chinesische Hersteller oder Zulieferer außerhalb Chinas investiert hat, wollen in den kommenden drei Jahren fast die Hälfte der Zulieferer (47 Prozent) und knapp ein Drittel (31 Prozent) der Hersteller im Ausland zukaufen, Kooperationen eingehen oder auf eigene Faust den Markteintritt wagen.
Diese Dynamik spiegeln die Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) wider. Für die Studie wurden im August 2013 Führungskräfte von 150 chinesischen Automobilherstellern und -zulieferern befragt. Schlagzeilen macht die Industrie derzeit auch außerhalb solcher Studien. So wurde erst vor wenigen Tagen darüber berichtet, dass ein Modell des neuen chinesischen Herstellers Qoros im für die Branche in Europa maßgeblichen Unfalltest Euro-NCAP die Bestnote von fünf Sternen erreicht hat. Die Gesamtnote ist sogar besser als die des VW Golf. Für die chinesischen Hersteller, die in solchen Tests bisher alles andere als geglänzt hatten, ist das ein großer Schritt nach vorne.
Kooperationen gefragt
Für ihren Sprung auf den Weltmarkt setzen die chinesischen Autounternehmen aber nicht nur auf eigene Modelle, sondern zunächst vor allem auf Kooperation: Gut jeder zweite chinesische Automanager (53 Prozent) hält Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) für eine besonders erfolgversprechende Expansionsstrategie. Jeder Vierte rechnet damit, dass chinesische Unternehmen vermehrt ausländische Autokonzerne übernehmen werden (so wie bei Volvo schon geschehen). Von den Unternehmen, die derzeit konkrete Investitionspläne schmieden, setzt immerhin jedes zehnte auf einen Unternehmenskauf.
Mit den Investitionen würde ein erheblicher Wandel der Wahrnehmung der chinesischen Autobranche einhergehen. Denn fast neun von zehn Autoherstellern und -zulieferern in China (87 Prozent) erwarten, dass die Bedeutung chinesischer Unternehmen auf dem Weltmarkt steigen wird. Bislang schätzen lediglich 7 Prozent der Befragten die Bedeutung der chinesischen Autobranche in der globalen Autoindustrie als hoch ein.
Es gibt noch Hindernisse
Bevor die Kooperationen mit den westlichen Partnern fruchten können, müssen chinesische Unternehmen aber einige Hindernisse überwinden: 44 Prozent berichten von kulturell bedingten Problemen im Zusammenhang mit Verhandlungspraktiken. Die unterschiedlichen Bewertungsansätze in China und den westlichen Ländern nennen 43 Prozent als Schwierigkeit. Vier von zehn Befragten fürchten mangelnde Akzeptanz bei ihren potentiellen Partnern in Europa oder Nordamerika. Und auch im Heimatland läuft nicht alles rund: 42 Prozent der Befragten stellt der Genehmigungsprozess in China bei Investitionen in Übersee vor große Herausforderungen.
Für Deutschland sind die Pläne der Chinesen aber auch eine Chance. Denn Deutschland steht unter den chinesischen Automanagern besonders hoch im Kurs: 19 Prozent bezeichnen die Bundesrepublik als Top-Investitionsstandort. Deutschland plaziert sich im Ranking damit auf dem dritten Platz hinter Nordamerika (26 Prozent) und China (78 Prozent). Absatzerfolge werden sich nach Einschätzung der chinesischen Automanager eher in anderen Weltregionen einstellen. Sie denken dabei vor allem an Schwellenländer in Südostasien (78 Prozent) und Afrika (73 Prozent). Und nicht nur Deutschland, auch Europa insgesamt dürfte bei den Investitionsplänen der expandierenden chinesischen Autounternehmen eine wichtige Rolle spielen: „Die europäische Autoindustrie verfügt über erhebliches technologisches Know-how – und ist derzeit der chinesischen Konkurrenz noch weit überlegen“, sagt Peter Fuß, Senior Advisory Partner Automotive bei EY. „Für die etablierten Hersteller heißt es jetzt, aufgepasst: Denn die Konkurrenz aus Fernost könnte sich in Sachen Innovation und Markterfolg schneller zum ernst zu nehmenden Wettbewerber mausern, als so mancher in Europa, Japan und Amerika es wahrhaben will. Dabei hilft der Erfahrungsaustausch mit westlichen Unternehmenspartnern, aber auch das Know-how westlicher Manager und Ingenieure, die von chinesischen Firmen angeworben werden“, ergänzt er. Natürlich gibt es auch Genehmigungshürden, Akzeptanzprobleme und viele kulturelle Unterschiede. „Durch solche Schwierigkeiten werden sich die chinesischen Autounternehmen aber nicht von Investitionen abhalten lassen“, ist EY-Partnerin Yi Sun überzeugt. „In dem Maße, wie die chinesischen Unternehmen ihr Auslandsengagement steigern und dabei Erfolge vorweisen können, wächst das gegenseitige Verständnis“.
Es ist gleichwohl ein weiter Weg, bis die chinesische Autoindustrie auch auf den etablierten westlichen Märkten Fuß gefasst haben wird. Aber es wird ihr gelingen. Noch mangelt es an der nötigen Qualität; auch die Markennamen kennt noch niemand. Zudem fehlt technisches Wissen. Aber die Chinesen meinen es ernst. Es gibt in der westlichen Industrie kaum jemanden, der daran zweifelt, dass Hersteller wie Qoros den Durchbruch auf dem hiesigen Automobilmarkt schaffen werden. Auf die Frage, ob die auf Gehorsam und gesellschaftliche Harmonie ausgerichtete chinesische Erziehung nicht innovationsfeindlich ist, hört man zwar, dies sei grundsätzlich so. Doch sei es auch wahr, dass chinesische Ingenieure massenweise die Universitäten verließen und technisches Wissen jederzeit aus dem Westen zugekauft werden könne. Wer in der Lage sei, neueste Elektronikprodukte in bester Qualität herzustellen, dem werde es auch gelingen, wettbewerbsfähige Autos zu bauen. Aus deutscher Sicht kann man nur hoffen, dass dieser Weg mit vielen chinesischen Direktinvestitionen zwischen München und Hamburg verbunden sein wird und die deutsche Autoindustrie stets eine Nasenlänge vorausfährt.
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