Was für eine Geschichte: Der ehemalige Hedgefonds-Manager Florian Homm, der im Verdacht steht, durch windige Geschäfte mit nahezu wertlosen Aktien Anleger um 200 Millionen Dollar betrogen zu haben, sitzt im Gefängnis. Endlich, werden viele sagen. Sahra Wagenknecht wiederum sitzt für die Linke im Bundestag, und ausgerechnet sie setzt sich derzeit für ihn ein. Homm war ein Erzkapitalist, Wagenknecht ist das Gegenteil. Beide haben sich im März in einer Talkshow des ZDF getroffen – und sich gar nicht so schlecht verstanden.
Verhaftung in Italien
Kurz danach wurde Homm in Italien verhaftet. Die darauf folgenden neun Monate im Gefängnis haben Homms Zustand seither gesundheitlich mehr geschadet als die rund fünf Jahre, die er zuvor auf der Flucht vor Gläubigern und FBI-Zielfahndern aus Amerika verbracht hat. Der 54 Jahre alte Homm hat, das ist schon länger bekannt, multiple Sklerose. In einem solchen Zustand mit anderen Patienten in einer Zelle untergebracht zu sein, die möglicherweise sogar ansteckend krank sind, ist keine gute Gesellschaft. Die Botschaft trägt auch Homms Anwalt wieder und wieder nach Deutschland. Und Wagenknecht hat offenbar ein wenig Mitleid. Sie hat die deutsche Botschaft in Rom gebeten, über die konsularische Betreuung des Häftlings Bericht zu erstatten. Homm müsse sich vor der Justiz verantworten, aber wenn er haftunfähig sei, müsse er das Gefängnis verlassen dürfen, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ die Politikerin.
Homm ist von so viel Einsatz begeistert und hat Wagenknecht sogleich einen Dankesbrief geschrieben, als „Mitglied des Abschaums (oder der Schande) unserer Gesellschaft“, wie er es selbst formuliert. An öffentlich formulierter Selbstkritik mangelt es Homm schon seit einem guten Jahr nicht mehr. Aber er hat eben auch viel Dreck am Stecken. Die Vereinigten Staaten wollen seine Auslieferung, und es kann sehr lange dauern, bis darüber entschieden ist. Die Vorwürfe, die Homm selbstverständlich zurückweist, sind gravierend: Es geht um Wertpapierbetrug und Überweisungsbetrug. Das Auswärtige Amt hütet sich, zu intervenieren. „Das laufende Verfahren ist Angelegenheit der unabhängigen italienischen und amerikanischen Justizbehörden“, hieß es von dort schon vor geraumer Zeit. An dieser Haltung hat sich seither nichts verändert.
Dass Homm überhaupt in einem Gefängnis gelandet ist, hätte bis vor einem guten Jahr noch niemand gedacht. Doch plötzlich kündigte er im Herbst 2012, auch im Gespräch mit dieser Zeitung in einem abseitig gelegenen Hotelzimmer in Paris, die Rückkehr in das legale Leben an: „Ich werde mich stellen.“ Wem genau und wann, blieb dabei zwar völlig offen; aber in der Tat wurde er sichtbarer, wie zum Beispiel in der Talkshow mit Peter Hahne und Wagenknecht im ZDF.
Familienleben im Chaos
Auch sein Familienleben, das nach Scheidung und Flucht im Chaos geendet war, sollte sortiert werden. Daher erfolgte wohl auch die Reise nach Italien; prompt nahm die italienische Polizei Homm auf Betreiben der Amerikaner in Florenz fest. Mit Ex-Frau und Sohn betrachtete er in dem Moment seiner Festnahme gerade die „Kauernde Venus“, eine Statue, die in den Uffizien ausgestellt ist. Die Galerie im Obergeschoss mit Werken der Malerei und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock gilt als eines der bekanntesten Kunstmuseen der Welt. Besser hätte ein Hollywood-Regisseur die Szene gewiss auch nicht gestalten können. Bei Homm ist eben nichts normal.
Schon die Umstände, unter denen er die Veröffentlichung seines Buchs organisierte, waren befremdlich: Denn im Oktober vergangenen Jahres war er noch im Prozess des Auftauchens aus dem „Exil“, wie er die Zeit seiner Flucht mit mehreren Pässen selbst nennt. Die Adresse für das Treffen erfuhr man nur über Dritte in einer Art James-Bond-Manier. Während des Besuchs galt es, das Handy auszuschalten, und natürlich wurde man an Ort und Stelle einer elektronischen Leibesvisitation unterzogen.
Schmierig, humor- und seelenlos
Dann öffnete sich die Tür, und man konnte in einem Zimmer, in dem zuvor schon manche Zigarre geraucht worden war, bewundern, wie sich Homm als mehrfach geläuterter Saulus präsentierte: „Ich habe mir selbst gar nicht gefallen. Ich fand mich schmierig, humor- und seelenlos.“ Und dann sagt er diesen Satz: „Ich werde mich den Vorwürfen … der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde SEC in vollem Umfang stellen.“ Das aber tut er danach eben nicht; tatsächlich scheint er seine öffentlichkeitswirksame Verhaftung förmlich herauszufordern, die dann Monate später in Florenz auch erfolgt.
Der Mann bleibt ein Rätsel, möglicherweise auch für sich selbst: „Ich habe monatelang in vollkommen verarmten und extrem gefährlichen Regionen gelebt, um den Sinn unserer Existenz zu ergründen und gleichzeitig von der Bildfläche zu verschwinden“, sagte er in Paris. Er bereue vieles, aber er sei doch froh, am Kapitalmarkt kein Leisetreter gewesen zu sein.
Kein Freund von Bescheidenheit
Ein Freund von Bescheidenheit ist er eben nicht: „Wer hätte sonst Borussia Dortmund vor der Insolvenz gerettet, Positives und Messbares in Liberia geleistet?“ Und: „Als rational denkender und scharf kalkulierender Christ kann ich bei effizienten Aufgaben im Gesundheitswesen und der Ausbildungsförderung in der Dritten Welt durchaus mit meiner Erfahrung und meiner Ausbildung glaubhaft einiges Positives beitragen.“ Das aber wird ihm aus dem Gefängnis heraus nicht gelingen. So hinterlässt Homm vor allem einen großen Berg an Konjunktiven: was wäre gewesen, wenn. Er hätte sich den Behörden in Amerika auch direkt stellen können. Möglicherweise wären die Haftbedingungen dann bessere gewesen, man weiß es nicht. Er hätte sich vor allem in all den Jahren zuvor im Rahmen der Gesetze bewegen können. Auch das tat er nicht.
Reich sei er jedenfalls nicht mehr. Bei ihm sei nichts mehr zu holen, hatte er schon in Paris beteuert. Er könne jetzt auch auf 17 Quadratmetern leben und glaube „an die positive Botschaft von Christus“. Das wird im Gefängnis helfen.
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