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Onlinehandel: Amazon beherrscht die Medien, aber wer ist Jeff Bezos?

Es war ein Amazon-Jahr. Und es kommt ein Amazon-Jahr. Der amerikanische Onlinehändler hat 2013 die Schlagzeilen der Unternehmensberichterstattung bestimmt. Anfang des Jahres hat ein Bericht über Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern in Deutschland für Aufsehen gesorgt, danach Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft Verdi rund um einen Tarifvertrag. Erstmals wurden Zahlen für den Umsatz in Deutschland bekanntgegeben – umgerechnet waren es 6,5 Milliarden Euro, ein Wert, der 2013 gewiss noch einmal deutlich übertroffen worden ist. Dann hat Bezos die „Washington Post“ gekauft, etwas später die Auslieferung von Paketen per Drohne ins Schaufenster der Zukunft gestellt. Zwischendurch wurde noch heftig über die Buchpreisbindung gestritten, über die Behandlung von Verlagen und anderen Handelspartnern, über die versandkostenfreie Lieferung von Büchern. Neben alldem hält der Trend an, immer mehr Ware über das Internet zu bestellen. Davon profitiert der größte Online-Händler der Welt besonders.

Für den Chef von Facebook interessieren sich mehr Menschen

So dürfte sich in den vergangenen zwölf Monaten auch der Bekanntheitsgrad des Unternehmensgründers und Vorstandsvorsitzenden Jeff Bezos erhöht haben, allerdings ist er im Bewusstsein der Menschen deshalb noch längst nicht so präsent wie zum Beispiel die Chefs von Google oder Facebook. Das jedoch ist ein Fehler. Denn Bezos wird seine Effizienzmaschine Amazon weiter auf Hochtouren laufen lassen, Daten über das Einkaufsverhalten seiner zumeist glücklichen Kunden sammeln, Kunden über seine Kindle-Lesegeräte auch immer mehr digitale Medieninhalte verkaufen und mit seinen Servern und künftig auch Robotern und Drohnen mehr verändern als nur die Welt des Handels.

Wer also ist Jeffrey Preston Bezos, den alle nur „Jeff“ nennen? Geboren wurde er am 12. Januar 1964 in Albuquerque im amerikanischen Bundesstaat New Mexico, er steht in diesen Tagen also unmittelbar vor seinem 50. Geburtstag. Gegründet hat er Amazon mit 30 Jahren, auch für das Unternehmen steht im Juli mithin ein rundes Jubiläum an. Und Amazon ist eine typisch amerikanische Erfolgsstory, entstanden aus dem felsenfesten Glauben an eine Idee und einer gehörigen Portion Hartnäckigkeit. Der Mann hinter der Amazon-Idee war und ist das, was man neudeutsch einen „Nerd“ nennen würde, aber nicht in der Variante eines Eigenbrötlers, sondern mit einem raumfüllenden, mitreißenden Lachen. Seinen Labrador hat er nach dem nur ausgesprochenen Fans bekannten Charakter „Kamala“ aus der Science-Fiction-Serie „Star Trek“ benannt. Raketen, Computer, Star Trek, Garage – in dieser Hinsicht bedient Bezos alle Klischees, die man von Internetunternehmern so haben kann. Bezos’ Großvater mütterlicherseits war ein pensionierter Raketenforscher, der dieses Forscherleben später gegen die Arbeit auf einer Ranch eintauschte. Auf dieser Ranch verbrachte Bezos bis in sein Teenager-Alter hinein jeden Sommer. Später sagte er einmal, seine Erfahrungen auf der Ranch hätten mit zu seiner Karriere als Unternehmer beigetragen. Dies habe seinen Grund unter anderem darin, dass die Leute dort alles selbst machten. So gelte es auch bei einer Unternehmensgründung, stur und zielstrebig zu sein, damit es gelinge, Neues durchzusetzen, was andere vielleicht für unvernünftig halten – und das ist bei Amazon tatsächlich so manches Mal vorgekommen.

Ein Nerd – wie er im Buche steht

Wie es der Zufall außerdem will, hatte Bezos’ Großvater bei der Defense Advanced Research Agency (Darpa) gearbeitet, einer Forschungseinrichtung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die auch das sogenannte Arpa-Netz entwickelte. Das war das Computernetzwerk, aus dem später das Internet und damit die technische Grundlage für Amazon schlechthin hervorgehen sollte. Zudem war Bezos schon damals ein Bücherwurm. Er las viel und hatte ein sehr breites Interessenspektrum. Schon auf der Grundschule kam er mit seinem ersten Computer in Kontakt, was für die damalige Zeit noch höchst ungewöhnlich war: Dort stand ihm und seinen Mitschülern ein sogenanntes Computerterminal zur Verfügung, das die Verbindung zum Hauptrechner über ein akustisches Telefonmodem herstellen musste. An der Princeton-Universität im Bundesstaat New Jersey, die Bezos nach dem Abschluss der Highschool besuchte, liebte er das Programmieren. Bezos machte sämtliche Computerkurse mit, und er lernte nach eigenem Bekunden dabei viel über die Mathematik hinter der Informatik.

Für seine Abschlussarbeit entwarf er ein Computersystem zum Berechnen von Erbgutsequenzen. Eine solche Methode wird zum Beispiel verwendet, um Abweichungen in genetischen Codes zu erkennen, aber auch um in Softwareprogrammen oder Daten Abweichungen von bestimmten Zielvorgaben oder einem Normalverhalten aufzuspüren. Diese Erkenntnisse sollten Bezos auf seinem Berufsweg hilfreich sein. Unmittelbar nach dem Studium entschied er sich zunächst, für eine ganz kleine Firma mit dem Namen Fitel zu arbeiten, packte seine Sachen – und zog nach Manhattan. Die Gründer von Fitel waren Wirtschaftsprofessoren an der Columbia University. Das System, das das Unternehmen aufbaute, nannte sich „Equinet“. Es verband Computer verschiedener Börsenmakler, Investmentfirmen und Banken über ein Netzwerk, das ihnen den Aktienhandel untereinander ermöglichte. Bezos selbst arbeitete an einem Teil des Systems, der es unterschiedlichen, eigentlich nicht mit denselben Standards arbeitenden Computern erlaubte, Daten auszutauschen. Das tat er erfolgreich. Schon mit 23 Jahren war Bezos Chef von einem Dutzend Programmierern.

Programmieren für die Wall Street

Zwei Jahre nach dem Eintritt bei Fitel wechselte Bezos zur frühzeitig sehr technikorientierten Bankers Trust Company, der späteren New Yorker Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Wieder leitete er eine Abteilung, die ein Kommunikationsnetzwerk schuf. Eines Tages rief bei Bezos ein Personalberater an und überzeugte ihn von einem abermaligen Wechsel seines Arbeitgebers. Sein nächstes Ziel war das Unternehmen D.E. Shaw, das ein computergestütztes Handelssystem für die Unternehmen an der Wall Street verkaufte. Sobald das System eine Preisdiskrepanz entdeckte, kaufte und verkaufte es automatisch Wertpapiere in einem Bruchteil der Zeit, die ein Mensch dafür brauchen würde.

Vor zwanzig Jahren: Amazon

Erst 1994 fuhr Bezos mit seinem Auto von der Ost- an die Westküste der Vereinigten Staaten, um in Seattle den Online-Buchhändler zu gründen, der schließlich Amazon.com heißen sollte. Und Amazon ist längst auch selbst vom Online-Einkaufsparadies zum Datensammler und -verwerter geworden. Bezos, der Informatik-Spezialist, weiß dabei stets, was er tut: Die Daten sind mindestens so viel Geld wert wie die Waren, die er in seinen Versandzentren gelagert hat.

Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop

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